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Die Autonomie ist kein Museumsstück

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Jene, die von außen her die Autonomie gefährden und die Einheit von Lehre und Forschung angreifen, arbeiten vor allem mit dem Kampfmittel der historischen Relativierung. Nur für die Größenverhältnisse des Humiboldtschen Universitätsmodells habe die Autonomie, habe die Einheit von Lehre und Forschung getaugt. Die moderne Massengesellschaft aber könne die Verantwortung für 'die Prägung ihrer Intellektuellen nicht aus der Hand geben, sie brauche von der Lehre entlastete Forscher und tüchtige Pädagogen für die vielen, denen es einfach um ihr Berufswissen geht. All das ist vom Staat her gedacht. Das Fundament der Hochschule ist aber nicht die Staatsräson, sondern das Erkenntnisstreben des Menschen. Wer immer diesseitige Macht geübt hat — und selbst die Kirche blieb davon nicht frei —, hat meist auch zwischen willkommener und unwillkommener Erkenntnis unterschieden, die eine als richtig, die andere als falsch erklärt. Daß dies nicht geschehe, ist der Sinn und die Legitimation der Hochschutautonomie. Die Autonomie beruht nicht auf historischen Besonderheiten des 19. Jahrhunderts, sie ist nicht einfach liberales Jürgerprivileg, ihr Fundament ist der Schutz des rerum cognoscere causas.

Durch diese Verankerung in elementar humanem Erkenntnisstreben ist die Hochschulautonomie eng mit dem Prinzip der Einheit von Lehre und Forschung verbunden. Von der Forschung gelöste Lehre verliert zwangsläufig die Herrschaft über das Gelehrte. Sie kann gar nicht autonom bleiben, sondern muß das, was gelehrt werden soll, von einer anderen Instanz beziehen. Das absolutistische System der VorlesebücHer, die den Dozenten daran hinderten, von ihm selbst Erforschtes auch vorzutragen, verdeutlicht die politische Gefahr jeder Lehre Ohne Forschung. Forschung ohne Lehre dagegen, wie sie heute besonders an den Akade mien der Oststaaten gepflegt wird, ...entfaltet ich im Rahmen eine Plane : das allerdings ist heute noch der Alltag macht die unwillkommene Erkenntnis harmlos: Sie gelangt ja nicht in den Hörsaal. Was die Anhänger einer Trennung von Lehre und Forschung vorbringen, etwa der beliebte Hinweis auf die Überlastung, muß neben den Gefahren, die sich für die Erkenntnis des Forschers und für die Richtigkeit der Lehre abzeichnen, völlig verblassen.

Das Marktprinzip als Alternative zum Etatismus

Die Konfrontation mit dem Machtstreben des Staates bildet also einen Schwerpunkt aller Probleme der Hochschuilverfassung. Dies muß besonders deshalb stets mitbedacht die Entlohnung der Professoren mit ihrem Biennienschema und die Bedeckung des Sachaufwands der Institute nach den Regeln staatlicher Distribution vor sich geht, bestehen für die Nachfrage nach Hochschulabsolventen und nach Hochschullehrern Märkte; auch'did 'Standortwahl wissenschaftlicher Großprojekte folgt immer mehr den Regeln, die sich in der Wettbewerbswirtschaft für die industrielle Standortwahl ausgebildet haben. Es ist kein Zufall,, daß die Hauptsorgen der österreichischen Hochschul- und Bildungspolitik gerade dort einsetzen, wo sich das Geschehen auf diesen Märkten deshalb ungünstig auswirkt, weil ihm das Instrümentar staatlicher Distribution nicht gewachsen ist.

Wer um das Beharrungsvermögen von Gewachsenem weiß, wird keine realistische Chance einer Rezeption des angloamerikanischen Hochschultyps sehen. In der Tat wäre es auch falsch, durch revolutionäre Postulate Friktionsschwierigkeiten zu riskieren. Bei Neugründungen freilich fällt dieses Bedenken weg. Da ohnedies mehr für Typenpluralität als für

Positionen am Hochschulsektor nicht länger von der jährlichen Budgetsituation abhängen dürfen; es bedarf eines mehrjährig gefaßten Hochschuletats. Auch sollten die Aktionen des Staates immer stärker den Charakter von Angeboten annehmen, die nicht einfach schon deshalb' akzeptiert werden, weil es ja doch „nur“ staatliches- Geld ist, das man verbraucht. Insbesondere wäre zu prüfen, in welcher Weise die Wirtschaft, um deren Bedarf es ja geht, an den Investitionen, aber auch an den ökonomischen Dispositionen der Hochschulverwaltung beteiligt werden kann. Einfluß auf die wissenschaftliche Arbeit und auf die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals muß freilich immer dann versagt werden, wenn eine Gefährdung der Hochschulautonomie oder der Freiheit von Wissenschaft und Lehre droht.

Das Nachwuchsproblem ist deshalb so brennend geworden, weil es an im Inland ausgebildeten Habilitationskandidaten fehlt. Daher rührt es, daß für freie Lehrstühle meist nur wenige Dozenten zur Wahl stehen.

für einen Habilitationsversuch gewinnen können.

Pluralität und Experiment

In beängstigend epi Ausmaß verbreitet . sich die Vorstellung, was nicht einheitlich sei, sei auch nicht gut. Die Studienpläne, mit denen wir unsere Studenten konfrontieren, werden nicht nur straffer, sondern auch einheitlicher. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß man in eine Wissenschaft auf sehr verschiedenen Wegen eindringen kann. Der als einheitlicher ausgewählte Weg ist oft nur der, der denen, die den Studienplan gestalten, am besten lag. Es muß daher zur Gestaltung der Studienrichtungen und Ausbildungswege ebenso wie zur Hochschulverfassung gefragt werden, ob es in einem Staat, der wie Österreich recht viele Hochschulen hat, nicht besser ist, Verschiedenes zur Wahl zu stellen. Erweist sich, daß ein Typ keinen Erfolg hat, so muß man ihn preisgeben. Auch hier gilt es, wettbewerblich und nicht etatistisch zu denken, also auf den Zwang zum vorweg erkannten Glück zu verzichten. Der Pluralität verbindet sich daher die Auswertung jeder nur zugänglichen Erfahrung, vor allem aber der Mut zum Experiment. Es ist ja seltsam, daß unsere so stark am Technisch-Naturwissenschaftlichen ausgerichtete Zeit bei Entscheidungen im Bereich des Gesellschaftlichen oft viel spekulativer verfährt als frühere Jahrhunderte. Gerade im Bereich der Hochschulen, wo es doch ganz besonders auf das Nützen von Chancen ankommt, sollte eine Idee aber nie vorweg verworfen, sondern erst dann fallen gelassen werden, wenn sie schon Erfahrung gegen sich hat.

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