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Fixe Dienstzeiten für Professoren ?

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Kritik an der derzeitigen Hochschulpolitik üben sowohl die Studenten, die jüngst gegen Stipendienkürzungen und anderes protestierten, als auch die Professoren.

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Kritik an der derzeitigen Hochschulpolitik üben sowohl die Studenten, die jüngst gegen Stipendienkürzungen und anderes protestierten, als auch die Professoren.

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Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt kämpft die Professorenschaft an Österreichs Universitäten und künstlerischen Hochschulen derzeit gegen den tatsächlichen oder vermeintlichen Versuch, ein konstitutives Element aus ihrem Berufsbild herauszubrechen und die Professoren zu verbeamten.

Veranlaßt wurde ihre Erregung durch den neuesten Entwurf eines Hochschullehrer-Dienstrechts, der knapp vor dem Sommer vom Bundeskanzleramt einvernehmlich mit dem Wissenschaftsministerium fertiggestellt und in der Ferienzeit verschickt wurde. Der Professorenverband, dem man bei der Erarbeitung des Entwurfes keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben hat, sieht schon darin eine bedenkliche Tendenz, daß für das neue Hochschullehrer-Dienstrecht kein eigenes Gesetz vorgesehen ist, sondern es dem Beamten-Dienstrechtsgesetz als 6. Abschnitt eingefügt werden soll. Damit gibt der Entwurf zu erkennen, daß er die Universitäts(Hochschul)-profes-soren eben auch als Beamte ansieht, die allen für letztere geltenden Regelungen unterworfen sind, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Tatsächlich aber hat nach Auffassung der Professoren ihr Berufsbild mit jenem der Verwaltungsbeamten nichts gemein, wenn man davon absieht, daß beide Berufsgruppen aufgrund staatlicher Berufung gesetzlich bestimmte Aufgaben erfüllen und grundsätzlich in einem dauernden Dienstverhältnis stehen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Beamten in ihrer Tätigkeit von außen, nämlich durch die anfallenden Akten, bestimmt sind und überdies durch das Weisungsrecht in einem Uber- und Unterordnungszusammenhang stehen, sodaß für das reibungslose Funktionieren der Verwaltung im allgemeinen festgelegte Dienstzeiten notwendig erscheinen.

Dagegen ist die Tätigkeit eines Professors grundsätzlich selbstbestimmt, weil die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der Wissenschaft die Freiheit in sich schließt, den konkreten Gegenstand selbst auszuwählen und ihn in jener Weise zu bearbeiten, die man selbst als zweckmäßig ansieht.

Die freie Dienstzeitgestaltung der Ordentlichen Professoren ist der klassische Ausdruck dieser Freiheit. Soweit der Professor nicht in Zusammenhang mit seiner Lehr-, Prüfungs- und Verwaltungstätigkeit zur Anwesenheit an der Universität beziehungsweise Hochschule verpflichtet war, konnte er seiner Forschung an jenem Ort und zu jener Zeit obliegen, die er selbst bestimmte. Daß sich dieses System, das besteht, seit es freie Universitäten gibt, bewährt hat, steht außer Zweifel; die zahlreichen hohen wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen, die alljährlich von österreichischen Professoren erbracht werden, bescheinigen es immer wieder.

Im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, wo die Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen Buch einen wesentlichen Teil der Forschungstätigkeit ausmacht und sich die schöpferische Tätigkeit ihrerseits vorwiegend in Büchern und Artikeln niederschlägt, ist das häusliche Arbeitszimmer des Professors, wo er ungestört (und übrigens regelmäßig auch abends sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen) und mit Hilfe der im Laufe von Jahrzehnten aus eigenen Mitteln erworbenen Privatbibliothek tätig ist, geradezu zum Symbol geworden.

Die Professorenschaft fürchtet nun, daß § 158 (2) des Entwurfes die körperliche Bewegungsfreiheit der Ordinarien einschränken und damit die grundsätzlich freie Dienstzeitgestaltung aufheben möchte. Tatsächlich ist die Formulierung, der Ordinarius habe „seine dienstlichen Aufgaben in der Lehre.... der Verwaltung und - soweit der Gegenstand nicht anderes erfordert - in der Forschung an der Universität (künstlerischen Hochschule) persönlich zu erfüllen", so auslegbar, auch die Forschung (einschließlich des Lesens und Schreibens von Büchern) habe grundsätzlich im Universitätsgebäude vor sich zu gehen; jeder Schritt, den der Professor hinaus mache, müsse von ihm (wohl gegenüber dem Wissenschaftsministerium) gerechtfertigt werden.

Einig ist man sich unter den Professoren darüber, daß ein solcher Versuch eines „Festbindens am universitären Schreibtisch", sollte er tatsächlich unternommen werden, eine katastrophale Verminderung der Arbeitseffizienz zur Folge haben müßte, weil sich schöpferische wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit eben nicht örtlich und zeitlich fixieren lasse und die abzusitzende Zeit daher in Wahrheit verloren sei. Daß ganz vereinzelt Professoren mit der freien Dienstzeitgestaltung Mißbrauch getrieben hätten, rechtfertige nicht die Institutionalisierung eines Unsinns, wie er nicht einmal den AHS-Lehrern zugemutet würde, die niemand nach Unterrichtsschluß im Schulgebäude festzuhalten sucht.

Einigkeit besteht aber auch darüber, daß eine solche Verbe-amtung die österreichische Professorenschaft gegenüber dem Ausland schwer benachteiligen und den fruchtbaren personellen Austausch, wie er insbesondere mit der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland besteht, einschneidend treffen würde; denn welcher dortige Wissenschaftler oder Künstler würde dann noch ein Ordinariat in Österreich anstreben?

Allerdings hofft der Professorenverband, daß in diesem Punkt das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und es in den zugesagten Verhandlungen möglich sein wird, diese Bedrohung der freien wissenschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit für Ordinarien aus dem Entwurf zu entfernen.

Daran haben übrigens auch die übrigen Hochschullehrer (außerordentliche Professoren, habilitierte und nichthabilitierte Assistenten) ein fundamentales Interesse, die ihrerseits legitimerweise einen ihrer jeweiligen Stellung angemessenen Freiraum für die persönliche wissenschaftliche Arbeit fordern.

Der Autor ist Professor an der Rechtswis-senschtftlichen Fakultät der Universität Linz.

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