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Was bringt das neue Dienstrecht dem akademischen Mittelbau?

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Seit zwei Jahren arbeitet das Bundeskanzleramt an einem neuen „Hochschuldienstrechtsgesetz“, das der SPÖ-Klubobmann Abg. Heinz Fischer als logische Fortsetzung des Universitätsorganisationsgesetzes sehen will. Über den im Dezember 1976 vorgelegten Entwurf wurde mit allen beteiligten Gruppen - Professoren und Mittelbau - so lange diskutiert, daß jetzt niemand der Betroffenen mehr weiß, wie die konkreten Vorstellungen des Ballhausplatzes aussehen. Die Verhandlungen wurden einseitig auf unbestimmte Zeit verschoben, Staatssekretär Franz Löschnak bezeichnete sie nach einer weiteren Assistenten-Vorsprache als abgebrochen.

Die Änderungen im Vergleich zum Hochschulassistentengesetz werden wohl nicht allzu gravierend ausfallen, man wird,nur die Bestimmungen genauer durchführen. Aber gerade durch das Behalten auf der Grundkonzeption wird den neuen Aufgaben der Assistenten, die sie seit dem Bestehen der Massenuniversität zu erfüllen haben, nicht Rechnung getragen. Der universitäre „Mittelbau“ kritisiert besonders die Befristung seiner Dienstverträge auf acht bis zehn Jahre; das bedeutet im Klartext: nicht jeder, der als Assistent angestellt wird, kann mit einer lebenslangen Tätigkeit an der Universität rechnen.

Die Erregung des akademischen Nachwuchses erscheint aber nicht ganz verständlich, da die Befristung zumindest dem Gesetz nach auch schon bisher bestand. Nur durch die Expansion der Universitäten im letzten Jahrzehnt wurden die Sechs- und Zehnjahresgrenzen, nach denen ohne Arbeit an einer Habilitation keine weitere Anstellung mehr möglich war, zum reinen Formalakt: qualifizierte Assistenten wurden zur Erfüllung wichtiger Aufgaben im Lehr-, For-schungs- und Verwaltungsbetrieb dringend gebraucht. Der Vorsitzende der Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals, Gerhard Windischbauer, kritisiert in diesem Zusammenhang seine Kollegen, die das derzeit gültige Universitätsassistentengesetz überschätzen. Sie seien zum Teil über dessen tatsächlichen Inhalt uninformiert.

Viel entscheidender ist das seit einigen Jahren total gewandelte Bild des Assistenten, sollte es ein einheitliches

Bild überhaupt noch geben. Die Gemeinsamkeiten zwischen dem vollverantwortlichen Oberarzt am Krankenbett, einem Altphilologen und einem Naturwissenschaftler, der für ein bestimmtes Gerät ausgebildet ist, scheint gering. Während 1909 die Assistenten im österreichischen Staatswörterbuch von Mischler-Ulbrich als „Hilfslehrer ohne Selbstständigkeit der äußeren Stellung“ bezeichnet wurden - d. h. „sie können weder im Lektionskatalog ankündigen, noch im Index testieren“

- hält heute der Mittelbau an der Universität Wien 67 Prozent aller Lehrveranstaltungen ab. Die Universitätsassistenten betreuen die Studenten, ihre Disserationen, Diplom- und Seminararbeiten, sammeln Material und korrigieren Fahnen und Klausuren für ihr Institut und leisten eigene hochspezialisierte Forschungsarbeit nicht zuletzt im Hinblick auf ihre Habilitation.

Also schlagen die Assistenten Krach: die Mittelbauvertreter im Akademischen Senat der Universität Wien veranstalteten eine Podiumsdiskussion, und ihre Kollegen von der Technischen Universität Wien unter Führung von Peter Rebernik demonstrierten neben der Oper. Gerhard Jagschitz vom Institut für Zeitgeschichte (ehemaliger Jedlicka-Assistent) charakterisierte die erste Veranstaltung mit den Worten: „Vielleicht sind wir etwas tollpatschig.“ Dieses Zitat trifft auf das Auftreten vieler seiner Kollegen zu.

Im Dienstpostenplan derUniversitä-ten ist die Zahl der Stellen für Assistenten fast viermal so hoch wie jene für Professoren. Trotzdem ist es natürlich der Traum jedes Assistenten, selbst einmal Professor zu werden, aber nur acht Prozent von ihnen sehen

- für ihren konkreten Fall - auch eine konkrete Chance, dieses Ziel zu erreichen. Dies erbrachte eine Umfrage, über die Abg. Wolfgang Blenk (0 VP) in jener Podiumsdiskussion berichtete. Blenk und seine Kollegen aus den anderen Fraktionen - Heinz Fischer, SPÖ, und Friedhelm Frischenschlager, FPÖ - betonten zwar ihr Verständnis für die Nöte der Assistenten, konnten aber - wie sehr oft in hochschulspezifischen Sachfragen - nur wenig Essentielles zur Diskussion beitragen. Der Vorsitzende des Hauptausschusses der Hochschülerschaft an der Universität Wien, Helmut Brandstät-

ter, gab auch den Assistenten Mitschuld an der Entpolitisierung der Studenten und kritisierte die fehlende pädagogische Ausbildung und die Praxisferne des Mittelbaus.

Der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Wien, Prof. Theodor Tomandl, verlangte eine gute Qualifikation der Assistenten, bevor sie ihre Lehrtätigkeit beginnen, und kritisierte •den Mißbrauch des wissenschaftlichen Personals für Verwaltungszwek-ke. Eine Umfrage unter Assistenten ergab, daß mehr als die Hälfte von ihnen den Briefverkehr erledigen muß; jeder Dritte wird zum Türdienst herangezogen. Tomandl teilt die Assistenten in solche ein, die sich habilitieren sollen, solche, die in andere Berufe gehen und solche, die unhabilitiert und damit „auf eigene Faust“ an der Universität bleiben.

Windischbauer sieht die Realität noch am klarsten: Weil nicht alle Assistenten Professoren werden können, sollte die Entscheidung für die Zukunft jedes einzelnen möglichst schon nach sechs oder acht Semestern Assistententätigkeit fallen: Laut der Klärung der Fragen, ober am Insitut benötigt wird, und ob er auch geeignet dafür ist Vorstellbar wäre dazu eine „Bewertungskommission“ ähnlich den Habilitationskommissionen, wobei nicht nur die Habilitation zur Bewertung herangezogen werden sollte. Gerade hier sei auch zu honorieren, wenn sich ein Assistent als Mittelbauvertreter in Kollegialorganen engagiert und dort verantwortupgsbewußt tätig ist.

Die „Demonstation“ der TU-Assi-stenten wurde durch die Präsenz der Dekane, einiger Professoren und Hochschülerschaftsvertreter unterstützt. Zwei Fakultäten der TU Wien haben sich einstimmig gegen die geplante Neuregelung als „eindeutig, tiefgreifende Schlechterstellung“ und „systematisches Abwürgen des wissenschaftlichen Nachwuchses“ ausgesprochen. All das hat einen Erfolg gezeigt. Die Information der Öffentlichkeit über die Anliegen des Mittelbaues hat Staatssekretär Löschnak zur Bekanntgabe eines Termins veranlaßt: Ende Mai, Anfang Juni wird der neue Entwurf vorgelegt, dann beginnen die Verhandlungen von neuem ...

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