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Zeitgenosse

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Was macht ein Wissenschaftler, noch dazu ein Techniker, an der Spitze einer Gemeinschaft, die sich eindeutig der Tagespolitik verschrieben hat? Außerhalb Österreichs wäre dies nicht auffäblig, hierzulande pflegt man zu sehr nach dem alten Leitsatz vom Schuster und seinem Leisten zu urteilen. Deshalb scheint auch die kurze Notiz kaurm Aufmerksamkeit erregt zu haben, der frühere Rektor der Technischen Universität Wien, Fritz Paschke, sei an die Spitze der „Neuen österreichischen Gesellschaft“ getreten.

Aber ist das wirklich so unvereinbar — Elektrotechnik und Politik? Für Fritz Paschke offenbar nur eine logische Entwicklung. Die Studienjahre in Graz und dn Wien, die Lem-jahre in den USA, die Arbeitsjahre bei Siemens in München, wo er bis zum Verantwortlichen für die elek-j-onischen Forschung aufstieg — danach mußte die Berufung auf den

Lehrstuhl des einstigen Meisters materiell eher einen Verzicht bedeuten. Aber Paschke lockte es, nun an die Jungen Erfahrungen aus der Praxis, aus dem Management weiterzugeben. Die Industriekontakte wirkten sich aus in Aufträgen für das Institut, das bald mit einer Musterausstattung aufwarten konnte. Die Schüler wuchsen mit diesen Kontakten organisch in den späteren Beruf hinein, Wiener Know-how wurde, im Gegenzjug, in allen Verästelungen eines Weltkonzerns geschätzt

Dann kam die Zelt der Hochschulreform. Paschke, der Praktiker, saß in der Hochschulreformkommission und erwies sdch als klarer Theoretiker, wenn es galt, Modelle für ein Reforminstitut zu entwickeln, das arbeitsfähig wäre und doch den Anforderungen an die Mitbestimmung entsprechen könnte. Für ihn war die Mitbestimmung kein Problem. Die enge Zusammenarbeit mit Assistenten, Doktoranden und Diplomanden war dem Professor ebenso selbstverständlich wie einst dem Chefingenieur. Der Sachverstand mußte entscheiden, die Persönlichkeit des Lehrers, nicht seine höhere Position — aber auch alle ideologischen Gleichmachervorstellungen konnten

ihm nicht die Verantwortung für die ihm anvertrauten Menschen und Einrichtungen mit Millionenwerten abnehmen.

So war es wieder logisch, daß ihn seine Kollegen zum Rektor wählten, als die Neuwahl fällig wurde — und ihn wiederwählten und nochmals wiederwählten, drei Jahre hintereinander. Seit Jahrzehnten hatte es dies nicht mehr gegeben. Aber inzwischen waren andere Zeiten angebrochen. Anciennität und Rotation unter den Fakultäten galten nicht mehr. Nun waren Männer gefragt, die politisch denken und argumentieren konnten, Männer, die die Hochschulpolitik und ihre Interna kannten, die den neuen Anforderungen gewappnet gegenüberstanden.

Damit aber war der Wissenschaftler Paschke so sehr In die Politik eingedrungen, daß sie Ihn auch nicht losließ, als der Konzern, in dem er einst groß geworden war, ihn wieder zurückholen wollte. Fritz Paschke blieb in Wien. Seine Hochschule brauchte ihn, die österreichische Hochschulpolitik auch

Wen wundert's dann, daß die Politik auch außerhalb des Wissenschaftsbereichs nach ihm griff? So-

weit die große Oppositionspartei bescheidene Ansätze zeigte, eigene Initiativen auf dem Hochschulsektor

zu setzen, lud sie den Technik-Rektor ein. Nun wählte die „Neue österreichische Gesellschaft“ ihn zu ihrem Präsidenten.

Wer kennt sie noch, die NÖG, die in den letzten Jahren der Ära Raab nach neuen Ansätzen suchte? Damals stand Karl Gruber an ihrer Spitze, dann hörte man durch lange Zeit nichts von dhr. Einst bemühte sie sich um die Liberalen rechts der Mitte, als man noch nicht „liberal“ mit „Blutgruppe Null“ gleichsetzte. Damals, als sich noch nicht alle Parteien im Bekenntnis zum liberalen Erbgut zu übertreffen suchten, ohne zu erkennen (oder zu bekennen), daß „liberal“ heute doch nur mehr mit einer eindeutigen Absage an jede Art von sozialistischem Kollektivismus gleichgesetzt werden kann.

Der Elektrotechniker, dem die Arbeit mit winzigen Halbleitern den Blick für Zusammenhänge und Größenordnungen geschärft hat, sieht auch sehr deutlich die Zusammenhänge zwischen Hochschulpolitik, Gesellschaftspolitik, Tagespolitik — und ihren Rückwirkungen auf den einzelnen Menschen. Ist es übertrieben, wenn man von ihm noch mehr erwartet?

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