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Brotlose Wissenschaft?

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In alten Zeiten sagte man, ein Privatdozent sei ein Mann, der solange von seinem Vater erhalten werden müsse, bis ihn der Schwiegervater übernehmen könne. Das waren die Zeiten, in denen die Assistenten zunächst auch nicht mehr waren als die Lehrbuben der großen Männer der Wissenschaft, begierig, am Kelch der Gelehrtheit zu nippen, und bereit waren, dafür auch gelegentlich auf die Kinder des großen Meisters aufzupassen, wenn die Frau Professor rticht zu Hause war.

Nicht, daß damals die For- schungs- und Lehrtätigkeit der Privatdozenten überflüssig oder nur ihr Privatvergnügen gewesen wäre. Aber erst in unserer Zeit nahm man zur Kenntnis, daß es ohne sie nicht ginge. Daß sie einen wesentlichen Teil des Universitätsbetriebs zu versorgen haben. Und daß sie daher auch ihre Forderungen stellen müssen wie andere Berufsgruppen in und außerhalb der Universität auch.

Bei der Reform der Universität, die in den vergangenen Jahren über die hochschulpolitische Bühne gegangen ist, fielen sie trotzdem durch den Rost. Übrigens nicht nur in Österreich. Das Dozentenproblem ist ein mondiales.

Die österreichische Rektorenkonferenz hat sich dieser Frage angenommen und legt nun eine Untersuchung vor, die schon in den wenigen Tagen seit ihrem Erscheinen über die Grenzen des Landes hinaus Aufsehen erregt hat. Auch Minister Firnberg schenkte ihr ihre besondere Aufmerksamkeit und beabsichtigt, sie in die Publikationsreihe des Ministeriums aufzunehmen.

Die jährlichen Statistiken stellen nur fest, wie viele Assistenten es an Österreichs Universitäten gibt und wie viele Dozenten, ohne sie näher zu untersuchen. Nun steht aber von den rund 1000 habilitierten Lehrkräften ohne Lehrstuhl nur ein Drittel,als Assistenten in einęm festen Dienstverhältnis zur Universität, zwei Drittel kommen von außen und bringen zur wissenschaftlichen Eignung noch die Erfahrung der Praxis mit in den Lehrbetrieb ein. Im UOG, das die Einbeziehung aller Universitätsangehörigen in den akademischen Willensbil- dungsprozeß regeln soll, erscheint der „Dozent“ jedoch nur in Senat/ oder Universitätskollegium als solcher auf. Sonst zählt er zjim Mittelbau, ob habilitierter Assistent oder „externer“, gemeinsam mit nicht- habilitierten Kollegen, mit Demonstratoren und Tutoren.

Die Wünsche der Dozenten, die durch diese Untersuchung zum

Ausdruck kommen, beziehen sich vor allem auf eine bessere soziale Absicherung, sei es durch eine Vermehrung der Dienstposten für außerordentliche Professoren oder durch die Schaffung von Diätendozenturen, wie es sie einst in der NS-Zeit gegeben hat. Ebenso wichtig aber finden sie die ideelle Verbesserung ihres Status dtarch einen intensiven Informationsfluß zwischen der Universität und ihren externen Lehrkräften. Man könnte die habilitierten Kräfte stärker bei der Vergabe von Lehraufträgen heranziehen - die einzige Möglichkeit, ihre wissenschaftliche Tätigkeit zu entlohnen. Schließlich sehen sie auch nicht ein, warum man sie nur dann zur Begutachtung von Dissertationen und Diplomarbeiten heranziehen soll, wenn der Zuständige Professor ablehnt. Die notwendige Qualifzierung besitzen sie schwarz auf weiß. Die mitunter zu langen Wartefristen der Doktoranden könnten damit nicht unwesentlich abgekürzt werden.

Die Zahl jener Wissenschaftler, die ihre Habilitierung erst aus der Berufsarbeit heraus betreiben, ist stark zurückgegangen. Auch die Mehrzahl der heute als „extern“ gezählten Dozenten hat sich noch als Assistent habilitiert. Noch in der Zwischenkriegszeit gab es eine größere Zahl von Mittelschulpro- fessoren, Archivaren, Bibliothekaren, Männern des Rechtswesens und der Wirtschaft, die sich neben ihrer Berufstätigkeit habilitierten, als Dozenten wirkten und von denen so mancher dann den Sprung auf die Lehrkanzel schaffte, ja bis in höchste akademische Ämter auf- stieg. Das hat der Praxis wie der Wissenschaft sehr gutgetan.

Waren es nur die Folgewirkungen der Massenuniversität, die Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb, daß dieser Osmoseprözeß fast völlig aufgehört hat? Man erzählt sich heute noch von so manchem großen Mann d£f 1 itfadH- knėgszeit, der grundsetžiich jedtrr Habilitanden „schmiß“, der sich nicht im Institut hochgedient hatte.

Die Probleme der Dozenten aber stehen auf der akademischen Tagesordnung. Der Entwurf für ein neues Hochschullehrerdienstrecht, der vom Bundeskanzleramt zur Begutachtung ausgeschickt wurde, nimmt auf ihre besonderen Belange zuwenig Rücksicht. Eine Lösung, die die Funktionsfähigkeit der Universität als ersten Gesichtspunkt berücksichtigt, wäre nicht nur eine soziale Forderung der Betroffenen, sondern eine Lebensnotwendigkeit für die Universität.

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