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Die jungen Ordinarien

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Auch in Österreich hat sich in den letzten Jahren, so wie zuvor in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, im Hochschulbereich eine Wende hin zur Verjüngung der Professoren zugetragen. Heute lehren an mehreren österreichischen Universitäten und anderen Hochschulen Ordinarien, also Lehrkanzelinhaber, im Alter von 30 bis 35 Jahren und die Berufung von Ordinarien mit einem Alter bis herab zu 28 Jahren steht unmittelbar bevor. Diese jungen Ordinarien sind rein wissenschaftlich ausgezeichnete Fachleute. Zumeist haben sie schon in ihrer Habilitationsschrift oder in sonstigen Schriften gezeigt, daß sie wissenschaftlich arbeiten können und einem Thema mit Gründlichkeit zu Leibe rücken.

Während man in vielen unserer Nachbarländer, so in der Schweiz und in Jugoslawien, bis zu einem gewissen Grad auch in Deutschland, sehr schwer Dozent, also habilitiert wird, ist dies in Österreich relativ leicht der Fall. Entscheidend ist nur, daß man einen Professor hat, der habilitiert. Es gibt Professoren, die sich vor fachlichem Nachwuchs fürchten und so gut wie nie jemanden habilitieren, während aber andere, wohl die Mehrzahl, die umgekehrte Auffassung haben und auch gern auf ihre Schüler hinweisen, die es schon zum Dozenten gebracht

haben. Man muß praktisch mit einem Ordinarius befreundet oder bei ihm Assistent sein, um habilitiert zu werden.

Der heute zumeist junge Dozent hat dann vorübergehend irgendeine geeignete Stelle. Ist er Jurist, so ist er bei einem höheren Gerichtshof oder in der Verwaltung oder bei einem internationalen Gremium, ist er Philologe, so unterrichtet er an einer höheren Schule usw. Wenn seine Habilitationsschrift sehr gut war, kann er mit Ausnahme der medizinischen an allen Universitätsfakultäten und an vielen anderen Hochschulen (ausgenommen die Musik- und Kunsthochschulen, für die ganz andere Maßstäbe und Bräuche gelten) sicher damit rechnen, binnen kürzester Zeit (maximal zwei Jahre) einen Ruf als Extraordinarius mit rasch anschließendem Ordinariat oder als Ordinarius zu erhalten. Angesichts der raschen Zunahme der Hörerzahl an allen Hochschulen (ausgenommen die theologischen Fakultäten) nimmt die Zahl der Lehrkanzeln ebenfalls rasch zu, mindestens aber jene der Extraordinariate, und wenn behauptet wird, Österreich tue zu wenig *ür die Schaffung neuer Lehrkanzeln, so ist das schlechthin nicht richtig. Infolgedessen ist auf vielen Fachgebieten Mangel an Professoren, was mit erklärt, daß man eben sehr junge Dozenten zum Professor ernennt. Das sind dann die 30- bis 35jährigen Or-

dinarien von heute, morgen vielleicht die 28jährigen oder noch jüngeren.

So gut diese jungen Ordinarien wissenschaftlich sind, so einmütig werden sie von den Studenten in pädagogischer und sonstiger Hinsicht abgelehnt. Sie sind durchwegs pädagogisch überhaupt nicht ausgebildet, denn das Habilitierungsver-fahren sieht ja keine pädagogischen Kenntnisse, sondern nur Fachwissen auf dem betreffenden Fachgebiet vor. Jeder Lehrer an höheren Schulen weiß von Pädagogik mehr als ein jüngerer Hochschullehrer von heute, außer vielleicht Professoren an philosophischen Fakultäten, die vorher Mittelschullehrer gewesen sind. Die jungen Ordinarien vermögen daher ihr Wissen nicht weiterzugeben. Früher brachte der lange Zeitraum zwischen Dozentur und Professur Erfahrungen, die sich auch pädagogisch auswirkten. Heute fehlen diese Erfahrungen. Die jungen Ordinarien sind daher, weil zu jung zum höchsten Gehalt gelangt, das man in Österreich im öffentlichen Dienst erreichen kann, zum Teil auch eingebildet, hochmütig, von oben herab, neigen dazu, die Studenten zu schikanieren, von ihnen Ausgefallenstes zu verlangen, das sie selbst noch nicht lange oder mehr durch Zufall wissen. Ihre Unausgeglichenheit macht sie zum Schrecken der Prüflinge.

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