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Einem Personalchef nicht unähnlich

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Wer sich auf einem Markt zu bewähren hat, darf sein Verhalten nicht als hoheitliches, sondern muß es als marktmäßiges verstehen. Dies bedeutet für die Verhandlungspartner der zu berufenden Professoren, daß sie gewissermaßen über ihren eigenen Schatten springen müssen. Ein Beamter wird ja in erster Linie dazu ausgebildet, hoheitlich tätig zu werden, auf dem Boden der Rechtsordnung Staatsakte zu setzen. Die Aufgabe der mit der Führung von Berufungsverhandlungen betrauten Beamten ist dagegen eher die des Einkäufers für ein Ensemble. Sie hat mit den Aufgaben eines Personalchefs in der Großindustrie viel mehr gemeinsam als mit den Aufgaben der allgemeinen Verwaltung. Daß man dem in der Ausbildung unserer Beamten bisher schon Rechnung getragen hätte, läßt sich nicht behaupten. In Österreich fehlt ein Gegenstück zu jenen französischen Bildungsstätten, in denen künftige Staatsbeamte so geschult werden, als sollten sie Manager werden.

Die Forderung, die Professorenberufungen als Geschehen auf einem Markt zu begreifen, mag Traditionalisten, wie sie in Österreich nie fehlen, als bloßes Plädoyer für eine höhere Professorenbezahlung erscheinen. Dabei aber würde übersehen, daß der, der einmal erkannt hat, daß er sich auf einem Markt bewegt, auch die Chance hat, die Bedingungen dieses Marktes zu verändern. Wer für gute Professoren weniger Geld ausgeben will, als man es heute ausgeben muß, sollte sich daher in erster Linie um eine Vermehrung des Angebotes an guten Professoren bemühen. Eine Verdoppelung des Angebotes hat noch nie ihre mäßigende Wirkung auf die Preise verfehlt. Diesem Ziel verschreibt sich das von mir schon mehrmals vorgetragene Postulat der Schaffung einer „Dozentenzucht“. Die karge Zahl der in Österreich erfolgenden Habilitationen, die sich oft auf die Assistenten der Lehrstuhlinhaber beschränken, gestattet ja keine wirksame Vermehrung des Angebotes an qualifizierten Hochschullehrern. Meines Erachtens aber wäre es sinnvoll und ohne extremen Kostenaufwand möglich, aus jedem Studentenj ahrgang die Besten für Arbeitskreise zu gewinnen, in denen sie in der Endphase ihre Studiums und dann in den ersten Jahren nach der Promotion wissenschaftlich ausgebildet und auf eine Habilitation vorbereitet werden. Freilich muß man sich von der Vorstellung befreien, daß jeder der habilitiert, auch Professor werden soll. Vielmehr würde nach den hier entworfenen Vorstellungen nur etwa jeder fünfte Absolvent der „Dozentenzucht“ wirklich einen Lehrstuhl übernehmen; mit den anderen hätte der Staat für seine Beamtenschaft und für die Arbeit in der verstaatlichten Industrie Fachkräfte mit wissenschaftlicher Qualifikation gewonnen.

Mitsprache der Studenten?

Wie wichtig ist es eigentlich, die Berufung von Professoren sachgerecht zu ordnen? Geht es hier nicht nur um das berufsständische Problem eines kleinen Kreises?

Die Bedeutung der Berufung von Professoren liegt zum einen im Ökonomischen, zum anderen im Politischen. Auf die wirtschaftliche Bedeutung der Gewinnung erstklassiger Hochschullehrer wurde schon oft hingewiesen: Nur sie ermöglicht es, Akademiker von jener Qualität heranzubilden, deren es bedarf, damit Österreich im europäischen Wettbewerb bestehen kann. Von allen Investitionen für die Anpassung an einen europäischen Markt sind die Investitionen zur Berufung qualifizierter Hochschullehrer die billigsten.

Die politische Bedeutung der Berufung von Hochschullehrern liegt darin, daß es in erster Linie eine Sache der Hochschullehrer sein muß, die sich in unserer Studentenschaft aufspeichernden und nun in revolutionärer Weise wirksam werdenden Kräfte in die Bahnen sachlicher Kritik und konzeptiver Arbeit für die Zukunft zu lenken. In diesem Zusammenhang sei noch ein Wort über die studentische Forderung nach Beteiligung von Studentenvertretern an der Ausarbeitung der Besetzungsvorschläge für Lehrstühle gesagt. Diese studentische Forderung wird, wenn ich recht sehe, in Österreich ganz allgemein abgelehnt. Die dabei vorgetragenen Argumente können jedoch nur zum Teil überzeugen. Wenn man den Studenten vorhält, daß sie nicht genug Sachkenntnis besäßen, um bei der Lehrstuhlbesetzung mitzusprechen, muß man ehrlicherweise zugeben, daß auch ein Handelsrechtler nicht sehr viel Sachkenntnis hat, wenn er bei der Berufung eines Statistikers seine Stimme abgibt. Was der Handelsrechtler tut (nämlich die Argumente seiner sachkundigen Kollegen hören und abwägen), das können die Studenten auch. Bedenklicher dagegen erscheint bei Studenten die Gefahr, daß sie die Richtung (insbesondere die politische) zu stark und die persönliche Qualifikation zuwenig berücksichtigen.

Bei jeder Professorenberufung gibt es aber ein Thema, von dem die Studenten mehr verstehen als die Professoren: die Qualität des zu Berufenden als Hochschullehrer. Wie klar seine Vorlesungen, wie in struktiv seine Übungen sind, können die Studenten oft besser beurteilen als die Professoren. Daher sollte man ihnen die Gelegenheit geben, die Lehrweise des zu Berufenden an dem Ort, an dem er jetzt wirkt, ken- nenzulemen und der Fakultät gegenüber zu ihr Stellung zu nehmen. Erscheint der Fakultät eine solche Stellungnahme unsachlich, so soll sie dies begründen. Eine Bindung an die Stellungnahme der Studenten wäre aber verfehlt.

In einer Verbesserung der Art der Professorenberufung darf man kein Allheilmittel für die Probleme der Hochschulen, die in unseren Tagen immer auffälliger werden, sehen. Sie bildet aber einen unentbehrlichen Faktor jeder Konzeption, die dazu beitragen will, daß die Hochschulen die Gesellschaft nicht nur beunruhigen (was nicht immer schlecht sein muß), sondern sie auch durch klare Leistungen fördern.

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