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Ruf und Antwort

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Es klingt beinahe wie ein Wunder, daß sich Ruf der österreichischen Hochschulen im Ausland, den sie einer Jahrzehnte- und jahrhundertealten Tradition verdanken, allen Fährnissen zum Trotz, bis heute im großen und ganzen erhalten hat. Nur langsam können die Substanzverluste der letzten zwanzig Jahre überwunden werden; noch schwieriger aber ist es für viele Zweige der Forschung, den Vorsprung des Auslandes aufzuholen.

Um so erfreulicher ist es, daß sich die Lage der Hochschulen in einer Hinsicht in den letzten Jahren bedeutend gebessert hat. In der Oeffentlichkeit ist heute noch die Ansicht weit verbreitet, daß es fast unmöglich sei, qualifizierte Lehrkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, und daß ferner noch zahlreiche junge österreichische Kräfte nach dem Ausland abwanderten, weil in beiden Fällen nicht der geringste materielle Anreiz geboten werde. Diese Ansicht ist glücklicherweise durch die neueste Entwicklung überholt worden.

Bis zum Jahre 1953 war es tatsächlich so, daß die Professorengehälter in Oesterreich im Vergleich zum Ausland so stark abfielen, daß auswärtige Lehrkräfte nur schwer zu gewinnen waren. Seither wurden diese Gehälter jedoch mindestens den westdeutschen Verhältnissen ungefähr angeglichen, was bald dazu führte, daß nun auch österreichische Lehrstühle wieder begehrt waren.

Schon im Jahre 1954 konnten vier Professoren aus dem Ausland gewonnen • werden, davon einer aus den USA, zwei aus Westdeutschland und einer aus der Türkei. 1955 kamen weitere neun Professoren hinzu, davon einer aus den USA, sieben aus Westdeutschland und einer aus Indien. 1956 fanden wieder vier Professoren den Weg nach Oesterreich, unter ihnen Nobelpreisträger Prof. Schrödinger, der aus Irland heimkehrte, sowie zwei Professoren aus Westdeutschland und einer aus Belgien. Weitere zehn Professoren konnten 1957 gewonnen werden, davon sieben aus Westdeutschland, einer aus Persien, einer aus der Schweiz und einer aus Ostdeutschland. Demgegenüber sind in dem gleichen Zeitraum, in dem somit 27 Professoren gewonnen werden konnten, nur fünf österreichische Professoren nach dem Ausland abgewandert.

Die meisten der neugewonnenen Kräfte waren gebürtige Oesterreicher, die ihr Wissen nun wieder in den Dienst der Heimat stellen konnten; aber auch andere Nationalitäten waren darunter vertreten. Sie alle, die nun zur Be-

reicherung unseres Geisteslebens und unserer Forschung beitrugen, mochten noch auf manchen Vorteil verzichtet haben, den ihnen das Ausland geboten hätte, da sie nun an einer österreichischen Hochschule zu wirken vermochten; doch droht ihnen hier nicht mehr die absolute materielle Unterbewertung ihrer Leistungen.

Die erfreuliche Entwicklung ist weiterhin im Fluß. Zur Zeit steht das Unterrichtsministerium wieder mit fünf Lehrkräften des Auslandes in Unterhandlung, die für das akademische Jahr 1958 gewonnen werdeh sollen. Nicht in allen

Fachgebieten ist die Lage übrigens gleich günstig. Im allgemeinen scheinen die geisteswissenschaftlichen Fächer besser abzuschneiden als die naturwissenschaftlichen und technischen Gebiete, bei denen sich die sparsame Dotierung der Hochschulen besonders stark auswirkt.

Die Berufungen von Lehrkräften aus dem Ausland finden ihre natürliche Beschränkung in dem Anfall des wissenschaftlichen Nachwuchses, den man in erster Linie zu fördern bestrebt ist. Da sich aber gerade hier schmerzliche Lücken ergaben, müssen erst recht qualifizierte wissenschaftliche Kräfte aus dem Ausland herangezogen werden.

Ohne Zweifel bietet aber die Entwicklung der letzten vier Jahre Anlaß zu bescheidenem Optimismus. Es bestätigt sich damit nur, wie man den Hochschulen schon mit verhältnismäßig bescheidenen finanziellen Mitteln einen Auftrieb zu geben vermag, der sich bestimmt einmal bezahlt macht. Um wieviel mehr könnte die österreichische Wissenschaft erst leisten, welche Chancen würden sich unserem Land tm internationalen Wettbewerb bieten, wenn den Hochschulen ein entsprechendes Budget zur Verfügung stehen würde, wie es auch in den Spalten dieses Blattes jüngst wieder gefordert wurde.

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