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Honorar-Dozenten

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Am 21. Mai richteten zwei Nationalräte der Volkspartei eine, parlamentarische Anfrage an den Unterrichtsminister, in der sie zunächst anerkannten, daß das Unterrichtsministerium auch bisher bestrebt war, den wissenschaftlichen Nachwuchs für Oesterreich zu erhalten, dann aber feststellen mußten, daß trotzdem der Rahmen noch viel zu eng sei. Sie stellten daher an den Unterrichtsminister die Frage, „welche weiteren Maßnahmen vorgesehen sind“, die geeignet wären, die jungen Wissenschaftler den österreichischen Hochschulen m erhalten. Die unmittelbare Ursache dieser Anfrage war eine Resolution der Dozentenvertreter, die in der „Oesterreichischen Hochschulzeitung“ vom 1. April veröffentlicht und in der die Schaffung pragmatisierter beamteter Dozenturen gefordert wurde. Gelegentlich dieser Anfrage muß anerkennend festgehalten werden, daß nicht nur der Unterrichtsminister selbst, sondern auch die erste Regierungspartei von Anfang an der Aktion der Dozentenvertreter sehr wohlwollend gegenüberstanden. Schon im November 1957 empfing Generalsekretär Dr. Maleta ein Mitglied des Verhandlungskomitees der Dozentenvertreter und versprach ihm die nachdrücklichste Unterstützung seiner Partei. Die Resolution der Dozentenvertreter war auch Anlaß einer parlamentarischen Anfrage von sozialistischen Abgeordneten, die zur Verhütung weiterer Abwanderung dringend verlangten, daß die „entsprechenden Mittel schon in den Bundesvoranschlag 1959 aufgenommen werden“ sollten. Die Unterstützung der berechtigten Wünsche der Dozenten durch die SPOe wurde vom Herrn Bundespräsidenten schon anläßlich seiner Präsidentschaftskandidatur den Grazer Dozenten gegenüber zugesichert.

Es ist also so weit, daß die beiden staatstragenden Parteien, die die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung repräsentieren, geschlossen hinter den Wünschen der österreichischen Dozentenschaft stehen und sich die Koalition darüber einig ist, daß ehebaldigst Schritte unternommen werden müssen, um einen nicht mehr wiedergutzumachenden geistigen Ausverkauf Oesterreichs zu verhindern. Diese Einheit der Koalition ist um so erfreulicher, als es ja letzthin nicht nur um die Novellierung des Hochschulorganisationsgesetzes, sondern auch um die Bereitstellung neuer Budgetmittel geht, die allerdings im Rahmen des gesamten Budgets gar keine Rolle spielen. Für den Anfang wäre schon mit einer Million Schilling gedient, um die allerärgsten Lücken zu schließen, und mit etwa 6 bis 7 Millionen könnte das gesamte Problem einer endgültigen und vorbildlichen Lösung zugeführt werden.

Der gegenwärtige Stand der Lehrkanzeln an unseren Hochschulen stammt aus einer Zeit, da einerseits die meisten Fächer umfassender und weniger spezifiziert waren als heute und anderseits die Anzahl der Studierenden noch viel geringer war. Dies trifft sowohl auf die Geisteswissenschaften als auch auf die Naturwissenschaften zu. So waren zum Beispiel die Atomphysik und die Geochemie zur Jahrhundertwende noch nicht einmal bekannt. Es erhebt sich daher die dringende Forderung nach der Schaffung neuer Lehrstellen, um den schon äußerst notwendig gewordenen Aufholbedarf Oesterreichs zu decken. Oesterreichs kulturelles Ansehen im In- und Ausland verlangt es, daß bei der Regelung dieser Probleme nicht gezögert werde und daß womöglichst schon zu Beginn des neuen Jahres die neuzuschaffenden Stellen zur Verfügung stehen.

Angesichts der dargestellten Lage an den österreichischen Hochschulen forderten die Dozentenvertreter die Schaffung pragmatisierter beamteter Dozenturen. „Honorar“- Dozenten sollen also an die Seite der Honorardozenten treten. Der beamtete Dozent soll dem Lehrkanzelvorstand als akademischer Lehrer und Helfer beim Unterricht zur Verfügung stehen. Er soll zum wissenschaftlichen Personal seines Instituts oder Seminars gehören, jedoch mit keiner anderen Arbeit wesentlich belastet werden als mit der Lehre und Forschung. Er kann in stark frequentierten Fächern sozusagen als Unterrichts-Assistent den Lehrkanzelvorstand entlasten, wenn dieser eine solche Entlastung für notwendig und wünschenswert hält, er kann aber auch ein eigenes Spezialfach betreuen, mit dem sich der Lehrkanzelvorstand selbst nicht eingehend befaßt hat und auch nicht befassen will. Eine dritte Möglichkeit wäre z. B. die Betreuung eines wissenschaftlichen Spezialgerätes durch den beamteten Dozenten, der in diesem Falle auch die Studenten im Gebrauch eines solchen Gerätes zu unterweisen hätte. Wie dem auch sei, die wichtigste und vornehmlichste Aufgabe des vorgesehenen neuen Dozenten ist in allen drei Fällen der Unterricht. Die beamtete Dozentur wird also in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle an eine Lehrverpflichtung gebunden sein. Daraus ergibt sich selbst die rechtliche Lage des beamteten Dozenten. Er untersteht entweder direkt dem Lehrkanzelvorstand und hat ihn als jüngerer Kollege beim Unterricht zu entlasten, oder er untersteht ihm indirekt, indem er ein Spezialfach betreut, das der Lehrkanzelvorstand zwar in großen Zügen, aber nicht im Detail überblickt. Im letzteren Falle kann die beamtete Dozentur entweder Ersatz für eine neue Professur oder Vorbereitung auf eine solche sein. Wenn auch der beamtete Dozent dem Lehrkanzelvorstand untersteht, so soll er dennoch als akademischer Lehrer volle akademische Freiheit in Lehre und Forschung genießen. Die volle geistige Unabhängigkeit wird aber nur durch eine Pragmatisierung garantiert.

Schon bisher existiert ein Wunsch aller Fakultäten nach neuen Lehrkanzeln. Dieser Wunsch ist sinngemäß nur dem Unterricht-bedarf angepaßt und berücksichtigt daher nicht, ob für die einzelnen Fächer in Oesterreich ein geeigneter Nachwuchs vorhanden ist. Die Aktion zur Beamtung von Dozenten hat naturgemäß nur den heimischen Nachwuchs im Auge, erfüllt aber zum Teil auch den Stellenplanwunsch der Fakultäten. Hier handelt es sich darum, international anerkannte junge Gelehrte für Oesterreich zu erhalten, gleichgültig, ob sie Fächer betreuen, die viel oder wenig Studenten aufzuweisen haben. Manche Fächer, die in ganz besonderem Sinn der Forschung dienen, haben naturgemäß nur wenige Studenten, die meisten von ihnen werden aber ihrerseits wieder Forscher.

Daraus ergibt sich von selbst, daß nicht alle Dozenten zu Beamten gemacht werden sollen. Die freie Bewerbung um die Lehrbefugnis als Universitäts- oder Hochschuldozent muß natürlich erhalten blei-b e n. Auch in Hinkunft darf die Erlangung des Dozententitels nicht mit materiellen Interessen verbunden sein. Aus diesem Grunde verlangten die Dozentenvertreter in ihrer Resolution, daß sich der Dozent mindestens vier Jahre als akademischer Lehrer bewährt haben muß, bevor er überhaupt vom Staat angestellt und besoldet werden kann. Die Ueberführung in den Status eines Beamten kommt natürlich nur für solche Dozenten in Frage, die sich in Forschung und Lehre besonders bewährt haben. Die Zahl der beamteten Dozenten wird daher immer niedriger sein als die Zahl der Dozenten überhaupt. Nach einer vorsichtigen Schätzung wird man im Höchstfall zu einer Zahl kommen, die beträchtlich unter 200 liegt. Für die allerdringendsten Fälle wäre schon mit einer Schaffung von 40 bis 50 beamteten Dozenten Abhilfe geboten. Wenn daher der Nationalrat die Anfrage namhafter Abgeordneter der beiden Koalitionsparteien zum Anlaß nimmt, die notwendigen Budgetmittel für das Jahr 1959 bereitzustellen und das Hochschulorganisationsgesetz entsprechend zu novellieren, könnte Oesterreich endlich mit gutem Gewissen von sich sagen, daß es der Abwanderung österreichischer Fachgelehrter mit unseren bescheidenen Mitteln entsprechend entgegenwirkt.

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