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Dozenten- und Studentensorgen

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Prodekan Prof. Dr. Winkler hat vergangene Woche in der .Furche“ den unhaltbaren Zustand der Professorengehälter dargelegt. Die Einkommensverhältnisse nicht nur der beamteten Professoren, sondern vor allem des wissenschaftlichen Nachwuchses und unter ihm wieder der nicht beamteten Dozenten stellen tatsächlich eine ernste Gefährdung der österreichischen Wissenschaft dar. Es sind nicht nur die Gehälter nicht valorisiert worden: auch die Prüfungstaxen und Kollegiengelder, die 6edt den ersten Studienordnungen der Wiener Universität im Jahre 1389 zum festen Bestand des Einkommens der Hochschullehrer gehören, haben keinerlei An-gleichung erfahren. Jeder Hörer zahlt auch heute noch wie vor Jahrzehnten für eine Semesterstunde, die er durch 15 Stunden besuchen kann, 1 S Kollegiengeld. Die Prüfungstaxen sind gleich« falls seit den Anfängen der ersteh Repu-blick unveränderlich geblieben. Handelt es sich hier bei den hauptamtlich beschäftigten Professoren um zusätzliches, ihnen rechtlich zustehendes Einkommen, so bedeutet es für die Dozenten das einzige Entgelt für ihre wissenschaftliche Tätigkeit.

Die Universitätsquästur verzeichnet zahlreiche Fälle, in denen den Dozenten nur 20 bis 60 S und vielleicht 100 S pro Seraester ausgezahlt werden, die seht oft nicht einmal ausreichen, um die Straßenbahnfahrt zur Unterrichtsstätte zu bezahlen, geschweige denn Bücher anzuschaffen oder die Kosten der nicht unbeträchtlichen wissenschaftlichen Korrespondenz zu decken. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die Frage des akademischen Nachwuchses heute eine schwere Krise darstellt, die es den sozial minderbemittelten Anwärtern auf ein akademisches Lehramt — und das ist heute die Mehrzahl — praktisch unmöglich macht, sich dieser Laufbahn zu widmen, und wenn sie sie ergriffen haben, sich wissenschaftlich, wie es dem Ruf unserer Hochschulen entspricht, weiterzubilden. Der Zustand ist tatsächlich unhaltbar geworden. Bei den Prüfungstaxen, die für die Prüfer zwischen 2 S und 8 S pro Kandidat ausmachen; hat die Situation bereits dazu geführt, daß fachlich geeignete Prüfer aus der Praxis, wie Sie etwa an der juristischen Fakultät für die zweite und dritte Staatsprüfung vorgeschrieben sind, fast nicht mehr aufzutreiben sind.

Gegen die Angleichung der Kollegiengelder und Prüfungstaxen wurde bisher eingewendet, daß sie für die Studenten und deren Eltern untragbare Belastungen darstellen würden. Dieser Einwand wiegt auf den ersten Augenblick schwer. Er übersieht aber vollständig, daß unbemittelte Studenten auch bisher Befreiungen von den Kollegiengeldern hatten, von denen allerdings in ständig abnehmendem Maße Gebrauch gemacht wird, weil der tatsächliche Nachlaß, selbst bei völliger Befreiung, kaum mehr ins Gewicht fällt. An einer Wiener Fakultät, an der ; im gegenwärtigen Semester rund 2000 “Hörer inskribiert sind, sind insgesamt weniger als 70 Ansuchen eingelaufen. Was ist die Ursache dafür? Wenn ein “Hörer 20 Stunden inskribiert und voll bezahlen muß, hat er hiefür 20 S zu entrichten. Bei halber Befreiung 10 S, Viertelbefreiung 15 S und Dreiviertelbefreiung 5 S. Um dies zu erreichen, mußte er bisher Kolloquien ablegen und

Zeugnisse . beibringen, deren Stempelgebühren infolge der Erhöhungen oft das Ausmaß der tatsächlich gewährten Befreiung überstiegen. Erst in jüngster Zeit wurde hier Abhilfe geschaffen, indem der Erfolg des Kolloquiums stempelfrei ins Meldungsbuch eingetragen werden kann. Die niedrigen Prüfungstaxen haben überdies zu der sehr bedenklichen Erscheinung geführt, daß die Studenten sehr oft vor Antritt der Prüfung weggehen, sobald sie sehen, welche Mitglieder der Prüfungskommission sie zu gewärtigen haben, weil der Verlust der Taxe materiell nicht mehr ins Gewicht fällt und bei Zigaretten und Kinobesuch rasch wieder eingebracht ist. Was geschieht mit den Kollegiengeldern? Wie schon erwähnt, werden sie an die frei dozierenden Hochschullehrer zur Gänze ausbezahlt. Bei Dozenten, die einen Lehrauftrag haben, dessen Entlohnung gleichfalls pro Semesterstunde minimal ist, werden sie zurückgehalten und auf den Lehrauftrag verrechnet, wenn die Gesamteinnahme an Kollegiengeldern an die Lehrauftragsentschädi-gung nicht heranreicht. Bei hauptamtlich tätigen Hochschullehrern gerantiert der Staat derzeit ein Kollegiengeldminimum von 350 S pro Semester und läßt andererseits nur ein Maximum von 1200 S pro Semester zu in jenen Fällen, wo die Kollegiengelder diesen Betrag übersteigen. Dies trifft meist bei den Hauptvorlesungen zu. Der das Kollegiengeldmaximum übersteigende Betrag wird vom Staat eingezogen, was, wenn auch nicht dem Namen, so doch dem Inhalt nach, einer Sonder-besteuerung für diese Lehrkräfte darstellt, die nicht selten 200 bis 300 Prozent beträgt. Hieraus ergibt sich für die Staatskasse an manchen Hochschulen, selbst bei einer Berechnungsgrundlage von 1 S Kollegiengeld pro Semesterstunde, ein Uberschuß (Staatseinnahme), der beispielsweise an der Wiener Universität zwischen 200.000 und 250.000 S pro Semester beträgt. Es wird hier von staatlicher Seite manchmal eingewandt, daß dieser Betrag verwendet werden müsse, um das garantierte Kollegiengeldminimum an wenig besuchten Hochschulen zu ergänzen. Die Stichhaltigkeit dieser Behauptung konnte vom Schreiber n'cht überprüft werden, an den großen Wiener Hochschulen trifft sie jedenfalls nicht zu.

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