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Der Student wird zum Kunden

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DIEFURCHE: Welche sind ihre Argumentefiir Studiengebühren? Dieter LiiKESCH: An erster Stelle steht das Kriterium der sozialen Gerechtigkeit. Der Nulltarif führt dazu, daß die wenigen gescheiten Reichen auf Kosten der vielen armen Dummen studieren. Der Hochschulzugang ist bei den bildungsferneren Schichten durch den Nulltarif nicht stärker geworden ist. Der Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder an den Studierenden liegt seit 1972, als die Studiengebühren in Osterreich abgeschafft wurden, unverändert bei rund zehn Prozent.

DIEFURCHE: Würden die wenigen Aweiter- und

Bauernkinder, die studieren wollen, durch Studiengebühren nicht noch mehr vom Studium abgeschreckt werden? LL'KKSCH: Nicht durch das Darlehensmodell. Von allen in den letzten 30 Jahren wissenschaftlich diskutierten Modellen ist es das kostengünstigste, effizienteste und sozial gerechteste: Die Studenten können für die Sudi-cngebühren ein zinsfreies Darlehen aufnehmen. Wenn das Einkommen eines Absolventen eine bestimmte Grenze - sagen wir 400.000 Schilling netto im Jahr - überschreitet, muß er eine Rückzahlung leisten. Wer kein Einkommen hat, braucht nichts zurückzuzahlen.

DIEFURCHE: Gehenabernichtviele Studenten sogenannten brotlosen Studien nach, wie etwa den Geisteswissenschaften?

1 .i.kescH: Das stimmt nicht. Viele Geisteswissenschaftler kommen als I .ehrer oder als Beamte unter und haben ein gutes Gehalt. Gerade mit geisteswissenschaftlichen Studien kann man im Beruf sehr viel anfangen. In England kommen die großen Manager, Unternehmer oder Banker nicht von der London School of Economics; von dort kommt das mittlere Management. Das Top-Management kommt aus geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen. Wenn man Kant und Hegel verstanden hat, dann wird man wohl auch die flexible Grenzplankostenrechnung verstehen.

DIkFurchk Was spricht Ihrer Meinung nach noch für Studiengebühren' Ll.KESCIl: Das jetzige System ist verteilungspolitisch verkehrt. Laut dem letzten Verteilungsbericht kommen

50 Prozent der Hochschulausgaben den reichsten 25 Prozent zugute. Das haben die Ökonomen immer gewußt und davor gewarnt - „regressive Verteilungswirkungen” nennen wir das. Aber in den siebziger Jahren lautete die Devise: „Bildung darf nichts kosten”, und daher sind die Studiengebühren abgeschafft worden.

Einem Akademiker ist es zuzumuten, der Gesellschaft jene 100.000 Schilling zurückzuzahlen, die sein Studium gekostet hat. Ich sehe nicht ein, wieso sich unsere wohlbestallten Rechtsanwälte, Ärzte und Ingenieure ihre Studien von den Arbeitern und Angestellten finanzieren lassen. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.Ein dritter Punkt: Nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa ist die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen an Grenzen gestoßen. Das betrifft nicht nur das Gesamtvolumen, sondern auch die Verteilung der Mittel auf einzelne Fakultäten. Seit den siebziger Jahren haben sich die Studentenzahlen vervierfacht. Das Hochschulbudget hat sich um das 3,8-fache erhöht.

Der Personalstand aber ist 70 Prozent erhöht nur um worden. Es gibt ganz krasse Verteilungsprobleme zwischen den Fakultäten. Die Massenfächer - Geisteswissenschaften, aber auch teil- Hl weise Wirtschaftswissenschaften - sind unterdotiert, während die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer, wo weniger Studierende sind, relativ gut dastehen. Ein Darlehensmodell würde zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten führen, aber nur dann, wenn dieses Geld unmittelbar und ungeschmälert den Fakultäten, wo diese Einnahmen entstehen, zufließt. Das Erstaunen der Dekane und Professoren, die einem solchen Vorschlag zunächst skeptisch gegenüberstehen, ist groß, wenn sie plötzlich hören, wieviel an zusätzlichem Geld für ihre notleidende Fakultät zur Verfügung stehen würde. dikFurciik In welchen Höhen bewegen sich diese Summen? LL'KKSCH: Rei einer Variante mit 15.000 bis 20.000 Schilling Gebühren pro Studienjahr können bei einer Fakultät wie der meinigen - mit 4.000 echten Hörern - 80 Millionen Schilfing | Ein nahmvmmwwmmmmmmmiim - - men erzielt werden. Ein Professor kostet im Jahr etwa eine Million. Stellen Sie sich vor, was man mit zusätzlichen 80 Millionen alles machen könnte!

DIEFURCHE: Ks stellt sich allerdings die Frage, ob bei einer Einführung des Darlehensmodells noch so viele Psychologie studieren würden ... LL'KKSCH: In Australien hat es nicht einen einzigen Prozentpunkt Abnahme gegeben. Allerdings erwarte ich.einen Leistungsanreiz für die Studierenden: Man wird schneller studieren. Der Zustand, daß das Studium kostenlos ist, führt bei den Studenten natürlich zu der Bewertung: Was nichts kostet, ist nichts wert.

Wenn die Universitäten ihr Budget zum Teil von ihren Studenten erhalten, dann wird unter ihnen auch ein Wettbewerb um die Studierenden entstehen. Auf einmal bekommen die Studenten den Status eines Kunden, der für sein Geld auch etwas bekommen möchte. Der Student wird zum souveränen Konsumenten, der von dort auch abzuwandern droht, wenn ihm die Lern- und Prüfungsverhältnisse nicht entsprechen. Auf einer anderen Fakultät wird er gerne als neuer Kunde aufgenommen, weil er ja ein ordentliches Geld mitbringt.

DIEFi:rche: Sehen sie auch irgendwelche Nachteile bei der Einführung von Studiengebühren?

LUKESCH: Über verschiedenes muß man natürlich noch nachdenken: Was passiert mit den Studenten, die aufgrund ihrer persönlichen Lebensverhältnisse studieren und arbeiten müssen? Die hätten eine längere Studiendauer und dadurch auch eine höhere Kreditaufnahme. Auch die Seniorenstudenten sind mit diesem Modell nicht erfaßbar.

Wir haben zwar ein sehr gut ausgebautes Stipendiensystem in Österreich, aber in vielen Grenzfällen kommt es zu großen Härten, zum Beispiel wenn gewisse Finkommensgrenzen gerade überschritten werden. Finen Teil aus den Finnahmen durch Studiengebühren könnte auf Stipendien umgepolt werden. Doch der wesentlichste Teil dieser Gelder sollte direkt an die Fakultäten gehen, die damit ihren Lehr- und Forschungsbe-trieb entsprechend attraktiv gestalten können.

DIEFURCHE: Welche politischen Schritte werden in nächster Zeit gesetzt? LL'KKSCH: Bis spätestens Jänner wird eine parlamentarische Finquete abgehalten, bei der diese Sache diskutiert wird. Ein möglicher Einführungstermin wäre 1998. Wenn uns das nicht gelingt, dann müssen der Finanzminister und der Wissenschaftsminister zwei Milliarden auf den Tisch legen -nach Hörerzahlen auf die Fakultäten verteilt. Ansonsten gehen unsere Universitäten den Bach hinunter.

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