Ethik der Forschung ist nicht leicht auszuhebeln

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Die meisten Fragen der Universitäten gelten ihrer Finanzierung. Welche Universität wie viel aus dem gemeinsamen Grundbudget von 6,8 Milliaren Euro erhält, wird derzeit verhandelt.

In der Debatte um Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen kann sich Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle über Bewegung innerhalb der SPÖ freuen. Die Universitäten bräuchten mehr Profil, Kooperation und mehr private Mittel.

Die Furche: Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat sich kürzlich überraschend für Studiengebühren ausgesprochen. Wie stehen Sie zu ihrem Modell?

Karlheinz Töchterle: Natürlich bin ich erfreut, wenn Politiker der SPÖ Sinn und Notwendigkeit von Studienbeiträgen anerkennen. Burgstallers Vorschläge wird man sich genauer ansehen müssen. Letztlich geht es ihr um eine Umlage der Studienbeiträge in Beihilfen. Mein Ziel ist es hingegen, den Unis eine zusätzliche Finanzierungsquelle zu erschließen. Wenn dieser Effekt nicht in einem gewissen Ausmaß erreicht wird, verliert die Anstrengung für Studienbeiträge eine Grundlage.

Die Furche: Sie beide eint das Bekenntnis zu einem Ausbau der Stipendien. Burgstallers Modell sieht mehr zusätzliche Stipendienbezieher vor als das ihre.

Töchterle: Es steht ein Volumen von zusätzlich rund 8 Millionen Euro zur Verfügung, damit kann man keine Riesensprünge machen. Aber immerhin lässt sich der Bezieherkreis erweitern. Mit Studienbeiträgen würde sich dieser Spielraum noch erhöhen. Ich bin auch gerne bereit, mit der SPÖ über soziale Maßnahmen zu reden.

Die Furche: Derzeit bezieht ein Fünftel aller Studierenden durchschnittlich 4.230 Euro Beihilfe pro Jahr. Wie viele benötigen aus Ihrer Sicht eine Unterstützung?

Töchterle: Das kann man nicht so leicht sagen. Die gerade präsentierte Sozialerhebung zeigt, dass sehr viele Studierende arbeiten, über 60 Prozent. Viele davon allerdings weniger als zehn Stunden pro Woche. Dieses Ausmaß ist mit einem Studium verträglich. Enger wird es bei denen, die mehr arbeiten müssen. Aber wo genau die Schwelle ist, lässt sich nicht quantifizieren.

Die Furche: 80 Prozent der arbeitenden Studierenden sagen, dies aus Notwendigkeit zu tun. Ist das nicht alarmierend?

Töchterle: Das kann man nicht pauschal sagen. Die meisten arbeiten in einem geringen Ausmaß. In geringfügiger Arbeitsbelastung neben dem Studium sehe ich kein Problem, vor allem, wenn es eine studienverwandte Tätigkeit ist.

Die Furche: Rektoren wünschen Zugangsbeschränkungen. Ist das sinnvoll bei einer laut OECD mit 19 Prozent unterdurchschnittlichen Akademikerquote Österreichs?

Töchterle: Ich trete für eine Studienplatzfinanzierung nach Vorbild der Fachhochschulen ein, verbunden mit Zugangsregulierungen vor allem in stark nachgefragten Fächern. Das bedeutet nicht automatisch, dass es weniger Studienplätze gibt.

Die Furche: Aber der Sinn ist, den Ansturm Studierender zu kontrollieren?

Töchterle: Ja, den Ansturm in den Massenfächern. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass die von einem Massenfach abgewiesenen Personen sich für ein nicht überlaufenes Studium entscheiden. Dafür braucht es entsprechende Studienberatung, die bauen wir bereits aus. Die Finanzierungshöhe ist natürlich immer eine politische Entscheidung. Mein Anliegen ist es nicht, Studienplätze zu reduzieren, sondern die Kapazitäten der Unis zu berücksichtigen.

Die Furche: Haben Sie eine Strategie, um die Akademikerquote zu erhöhen?

Töchterle: Ich möchte sie im tertiären Sektor insgesamt erhöhen, nicht nur an den Universitäten. Deshalb baue ich die Fachhochschulen weiter aus. Außerdem werden wir mittelfristig einige Berufe akademisieren, etwa die Lehrer. Das wird uns allmählich an den OECD-Schnitt heranführen.

Die Furche: Derzeit verhandeln Sie mit den Universitäten die Leistungsvereinbarungen für die Finanzierungsperiode 2013 bis 2015. Droht ohne Zugangsbeschränkungen wieder eine Klage wie 2011 jene der Wirtschafts-Universität Wien?

Töchterle: Das ist richtig. Deswegen bemühe ich mich auch so vehement um eine Einigung mit dem Koalitionspartner in der Studienplatzfinanzierung. Die Gespräche sind weit fortgeschritten. Es wird allmählich akzeptiert, dass wir ein Steuerungsinstrument brauchen. Gibt man den Universitäten das Recht, sich ihre Studierenden selbst auszusuchen, wären Klagen obsolet.

Die Furche: Für die aktuelle Leistungsvereinbarungen käme eine Einigung mit der SPÖ zu spät?

Töchterle: Es wird knapp, aber wenn jetzt rasch eine Übereinkunft gelingt, könnte sie schon Anfang 2013 als Gesetz in Kraft treten. Die laufenden Verhandlungen ließen sich dann in Hinblick auf dieses Gesetz führen.

Die Furche: Ihnen ist es wichtig, die Unis zu mehr thematischer Spezialisierung zu bringen. Besteht dabei nicht die Gefahr, dass Fächer aus dem Lehrangebot verschwinden?

Töchterle: Profilierung ist vielleicht ein besserer Terminus als Spezialisierung. Wenn eine Hochschule im internationalen Wettbewerb mithalten will, kann sie nicht alles anbieten, sondern muss sich auf ihre Stärken besinnen. Das beinhaltet auch die Gefahr, dass einzelne Fächer aus dem Lehrangebot gestrichen werden. Sehr sinnvoll ist es, Kooperationen der Universitäten untereinander zu stärken, indem sie etwa teure Infrastruktur gemeinsam kaufen und benützen. Ein anderes Beispiel: Es kann sein, dass sich ein exzellentes Doktoratskolleg an einer einzelnen Uni gar nicht realisieren lässt, weil es dort zu wenige erstklassige Forscher gibt. Gemeinsam mit einer anderen Uni erreicht man dann vielleicht die kritische Größe.

Die Furche: Kann die Universalität zu einem Nachteil werden? Wer Orchideenfächer wie Afrikanistik oder Tibetologie anbietet, bindet Mittel, die an anderer Stelle zur Profilbildung eingesetzt werden könnten.

Töchterle: Da steckt eine gewisse Spannung drinnen. Als Rektor der Uni Innsbruck habe ich die Stärken der Volluniversität gelobt. Ich bin in manchem, was ich als Minister tue, gespalten. Ich vertrete in dieser Position einige Ideale und Ziele, die ich früher als Wissenschaftler anders bewertet habe.

Die Furche: Ebenfalls stark von Ihnen gewünscht sind Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Befürchten Sie nicht, dass Unternehmen im Gegenzug für ihre Investitionen bestimmen wollen, woran an einer Uni geforscht wird?

Töchterle: Diese Gefahr besteht unzweifelhaft. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass sie geringer ist, als ich selbst früher gedacht habe. Die implizite Ethik der Forschung, das Streben nach Erkenntnis um ihrer selbst willen, das alles lässt sich nicht so leicht aushebeln. Österreich investiert 1,44 Prozent des Bruttoinlandproduktes in den tertiären Sektor. Das ist mehr als Länder wie Deutschland oder Großbritannien ausgeben und liegt im EU-Schnitt. Allerdings liegt der Anteil privater Mittel mit 0,05 Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt von 0,3 Prozent. Deshalb will ich diesen Anteil erhöhen.

Die Furche: Auf welche Weise?

Töchterle: Es gibt einige steuerliche Maßnahmen. Zum Beispiel wurde der Höchstbetrag der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie für Auftragsforschung von 100.000 auf eine Million Euro angehoben. Zusätzlich haben wir im neu geschaffenen Hochschulraum-Strukturfonds einen Matching-Fund in Höhe von neun Millionen Euro eingerichtet. Wenn es einer Universität gelingt, Geld von einem privaten Sponsor zu bekommen, dann honorieren wir dies. Damit wird echtes Mäzenatentum gefördert, wie man es aus den USA kennt. Bei uns gibt es diese Kultur noch kaum, wir setzen die ersten Schritte. Wichtig ist dabei natürlich, dass alle davon profitieren.

Das Gespräch führten Raimund Lang und Claus Reitan • Fotos: Katrin Bruder

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