Es wird keine Millionen regnen

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Christoph Badelt, Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität, hat das Trauerspiel um die Finanzierung der Unis um einen dramaturgischen Knalleffekt bereichert. Er klagt das Wissenschaftsministerium auf jährlich zusätzlich 65 Millionen Euro für seine Uni. Möglich macht das der Paragraph 13 des Universitätsgesetzes, der die Ausgestaltung der Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Unis näher bestimmt. Artikel 2 sieht vor, die Vereinbarungen im Falle "gravierender Veränderungen der ihr zugrunde liegenden Rahmenbedingungen“ einvernehmlich zu ändern. Kommt es zu keiner Einigung, kann ein Gremium unter richterlichem Vorsitz angerufen werden, die Schlichtungskommission. Diese Kriterien sieht Badelt erfüllt, weil die Anzahl an Studienanfängern deutlich höher ist, als dies bei Abschluss der Leistungsvereinbarung für die laufende Periode (2010 - 2012) absehbar war.

Ausgang ist völlig offen

Den Unis geht es nur vordergründig ums Geld. Ihre Unterfinanzierung ist Symptom eines tiefer sitzenden Leidens. Sie fühlen sich zerrieben zwischen zwei unvereinbaren Forderungen. Einerseits sollen sie Bildung in höchster Qualität anbieten. Andererseits sind sie - mit Ausnahme weniger Fächer wie Medizin oder Publizistik, in denen Ausnahmeregelungen bestehen - verpflichtet, jeden Studierenden aufzunehmen. Die bekannten Folgen sind überfüllte Hörsäle und ein unzumutbares Betreuungsverhältnis. Gute Ergebnisse in internationalen Uni-Rankings bleiben dadurch in unerreichbarer Ferne. Ganz offen wünschen sich die Universitäten deshalb das Modell Studienplatzfinanzierung. Man kennt es von den Fachhochschulen: definierte Aufnahmekapazitäten für jedes Fach samt garantierter Finanzierung für jeden einzelnen Studierenden. Anders ausgedrückt: weniger Geld ist in Ordnung, solange man sich seine Studierenden selbst aussuchen darf.

Mit diesem Ziel harmoniert Badelts juristischer Vorstoß schelmisch gut. Sein Gang vor den Kadi scheint kein verzweifelter Befreiungsschlag zu sein, sondern wohlerwogenes Kalkül. Wie das Verfahren ausgehen wird, ist selbst von Rechtsexperten nur spekulativ zu beantworten. Man kann jedoch mögliche Szenarien durchdenken und nach Plausibilität gewichten. Unwahrscheinlich ist, dass sich die WU mit einer Sonderregelung abspeisen lässt, die ihr zeitlich begrenzte Studienplatzbeschränkungen für Massenfächer erlaubt (der sogenannte "Notfallparagraf“).

Streit schadet der Reputation

Wahrscheinlicher ist es, dass die Regierung das Verfahren aussitzt und hofft, dass die Klage abgewiesen wird. Erhält Badelt jedoch Recht, muss sie handeln. In diesem Fall ist eine Gesetzesänderung samt Umstieg auf die ersehnte Studienplatzfinanzierung anzunehmen. Nur so ließe sich eine ansonsten folgende Klagswelle aller übrigen Universitäten verhindern. Der WU-Rektor hätte sich damit zwar als gewieftester Unipolitiker der letzten Jahre erwiesen. Millionen würde es dennoch nicht regnen. Stattdessen wäre der freie Hochschulgang Geschichte. Schon jetzt ist er nur mehr das verstümmelte Zerrbild eines humanistischen Bildungsideals, dessen Kräfte zusehend schwinden. Die Universitäten könnten dann endlich als elitäre Ausbildungsstätten zukünftiger Leistungsträger auftreten. Die Wirtschaft würde jauchzen, die Akademikerquote keuchen. Das fachlich-intellektuelle Niveau der Bevölkerung wäre Resultat planwirtschaftlicher Steuerung von oben. Persönliche Interessen junger Studienanfänger hätten das Nachsehen. So weit sind wir zum Glück noch nicht. Doch eine Konsequenz ist schon jetzt recht gut abschätzbar: weiterer Schaden für den Bildungsstandort Österreich. Ein Land, dessen Universitäten nicht nur keine finanzielle Rückendeckung durch die Regierung erhalten, sondern sich mit dieser sogar im Rechtsstreit befinden, ist weder für internationale Studierende, noch für Spitzenforscher reizvoll.

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