"Wir brauchen eine Kultur der Qualität"

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Die Universitätsreform geht in die nächste Runde: Nach Studiengebühren und neuem Dienstrecht soll am 8. März das Gesetz zur Uni-Autonomie vorliegen. Zuvor widmet sich am 21. Februar das Parlament einer großen Uni-Enquete. Bereits im August vergangenen Jahres wurde vom Bildungsministerium ein Gestaltungsvorschlag zur Universitätsautonomie vorgelegt, auf den über 200 Reaktionen eingegangen sind. Im Gespräch mit der furche schildert nun auch Helga Nowotny, Vorsitzende des neuen Europäischen Forschungsbeirats (EURAB), ihre Eindrücke von diesem Papier und vom Zustand der heimischen Hochschulen. Nowotny war lange Zeit Ordinaria für Wissenschaftstheorie an der Uni Wien. Seit 1996 ist sie als Professorin für Wissenschaftsphilosophie und -forschung an der ETH Zürich tätig.

die furche: Es ist Ziel des Europäischen Forschungsbeirates, die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Industrie zu fördern. Wie ist es derzeit um diese Kooperation bestellt?

helga nowotny: Im Vergleich zu den USA ist sie in Europa nicht so weit gediehen. Die Vereinigten Staaten haben schon früher die Grundlagenforschung an den Universitäten unterstützt - mit der Auflage, dass man die Kooperation mit der Industrie verbessert. In Europa geht man langsam auch in diese Richtung. Zur Zeit wird heftig diskutiert, ob man ein European Research Council einrichten soll, eine europäische Forschungsförderungsagentur, die Grundlagenforschung finanziert.

die furche: Wer eher schwer Nutzen aus Kooperationen mit der Industrie ziehen wird, sind die Geisteswissenschaften. Welchen Platz räumen Sie ihnen in der universitären Landschaft ein?

nowotny: Sie haben natürlich ihren Platz an den Universitäten. Es gibt für sie auch Möglichkeiten, zu Forschungsgeldern zu kommen, aber das ist eine Kultur, die in Österreich noch zu entwickeln ist: Wir haben etwa ein schlechtes Stiftungsrecht. Es ist ja nicht so, dass die Geldgeber immer Forschungsergebnisse haben wollen, sondern das funktioniert wie im Sport: Man will ein Label haben oder gut dastehen. Es gibt aber auch Leute, die anonym bleiben wollen. In der Schweiz kommt das immer wieder vor. Aber in Österreich ist das Mäzenatentum dürftig präsent.

die furche: Sollen sich Geisteswissenschafter auf Mäzene verlassen müssen?

nowotny: Der Staat muss natürlich weiterhin in die Geisteswissenschaften investieren, da gibt es keine Zweiteilung. Aber auch die Geisteswissenschaften müssen sich überlegen, auf welche Weise sie an Mittel herankommen können. Ich will nicht sagen, dass es die Geisteswissenschaften nicht schwerer haben, aber es ist nicht unmöglich.

die furche: Im Rahmen der Debatten über die Uni-Reform wurde in Österreich vermehrt das Bild von Universitäten als Unternehmen geprägt - wogegen vor allem Vertreter der Geisteswissenschaften Sturm laufen. Stört Sie dieses Bild oder ist es für Sie stimmig?

nowotny: Ich glaube, es ist wirklichkeitsfern. Wenn man weiß, wie Unternehmen geführt werden und wie eine Universität funktioniert, sind das verschiedene Welten. Hier wird eine rhetorische Abwehr praktiziert, die mit der Wirklichkeit überhaupt nicht überein stimmt. Was die Universitäten brauchen ist eine Kultur von leadership, und das haben wir nicht. Die Unis waren abhängig vom Ministerium, wurden aber intern so geführt wie eine Ansammlung von Gleichgestellten. Das muss sich ändern. Man muss akzeptieren können, dass es Leute gibt, die für eine gewisse Zeit die Verantwortung tragen, die Entscheidungen fällen, auch wenn sie unpopulär sind, und die auch dafür einstehen müssen. Das fehlt in Österreich.

die furche: Durch die Universitätsautonomie und die Einrichtung eines Universitätsrates, vergleichbar einem Aufsichtsrat, will man im Bildungsministerium diesem leadership zum Durchbruch verhelfen ...

nowotny: Ich habe mir den Gestaltungsvorschlag des Ministeriums angesehen, und es steht vieles nicht drinnen, etwa über die wirtschaftliche Autonomie: Was ist eine Leistungsvereinbarung? Wer setzt die Kriterien fest? Ich finde, dass man dem Universitätsrat doch zu starke operative Befugnisse zugesteht, denn es sollte ein strategisches Organ sein. Viel stärker würde ich das Operative dem Rektorat zuleiten, dem eigentlichen Leitungsgremium. Der Universitätsrat sollte tatsächlich wie ein Aufsichtsrat funktionieren - strategische Zile festsetzen und kontrollieren. In anderen Ländern ist es auch üblich, dass das Parlament jeweils das Budget für eine Universität beschließt, und nicht wie in Österreich, dass alles mit dem Ministerium allein ausgehandelt wird. Es wird im Gestaltungsvorschlag auch nichts gesagt, ob es Fakultäten gibt, Fachbereiche oder Departemente.

die furche: Erst kürzlich wurde vom Ministerium betont, dass es den Unis freigestellt sein soll, solche Gremien einzusetzen - allerdings nur solche mit beratender Funktion. Hat die universitäre Mitbestimmung endgültig ausgedient?

nowotny: Die goldenen Zeiten der Mitbestimmung sind vorbei. In Österreich war das die Reaktion auf die sehr autoritäre Ordinarienuniversität. Man ist dann aber ins Gegenteil verfallen. Ich war als Professorin in Wien selbst Zeugin, dass es etwa nicht möglich war, meine eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszusuchen, und das halte ich im wissenschaftlichen Bereich für eine unmögliche Situation. Ich kann das nicht einer Kommission überlassen, die keine Ahnung hat von dem, was ich brauche und wo auch Kuhhändel betrieben werden. Das kann der Wissenschaft nicht dienlich sein.

die furche: Welche Zwischenebenen wären Ihrer Meinung nach nötig?

nowotny: Man kann bei den alten Fakultäten bleiben, man kann auch Fachbereiche, wie sie in Deutschland seit langem üblich sind, einziehen. An der ETH haben wir an die 30 Departemente, die rechtlich gleichgestellt sind. In der Schweiz gibt es dazu eine sehr gute Einrichtung: die Vernehmlassung. Dort haben alle die Möglichkeit, sämtliche Anträge zu lesen und zu kommentieren. Nach diesem Beratungsprozess, der sehr ernst genommen wird, entscheidet das oberste Leitungsgremium - und diese Entscheidung ist für alle nachvollziehbar. Es geht eben darum, eine Kultur der Qualität einzuführen.

die furche: Apropos Qualität: Österreichs Finanzminister Karlheinz Grasser hat jüngst für Eliteuniversitäten plädiert. Meist geht solches Elitedenken einher mit Selektion. Welche Arten der Auslese wären für Sie denkbar?

nowotny: Bisher hat man in Österreich das Doktoratsstudium völlig vernachlässigt. Für mich muss Qualität und Elite dort ansetzen. Die guten Universitäten sind diejenigen, die sich um ihre Doktorierenden kümmern. Das ist die eigentliche wissenschaftliche Elite. In Wien gibt es aber Professoren, die bis zu 20 Doktorierende betreuen oder zumindest vorgeben, das zu tun. Das ist aber unmöglich, wenn man die Dissertation ernst nimmt.

die furche: Kürzlich hat der Rektor der TU-Wien, Peter Skalicky, eine viel frühere Selektion angedacht: Die Unis sollten die Zahl der Studienplätze festsetzen und ausschildern, dass etwa nur 150 Maschinenbauer aufgenommen werden. Was halten Sie davon?

nowotny: Ich bin skeptisch, weil mich das an die Planung in den kommunistischen Staaten erinnert, wo man zu wissen glaubte, wie viele Maschinenbauer man braucht. Es gibt auch in Schweden de facto eine Studienplatzbeschränkung, aber dort sucht sich jede Studienrichtung die Besten aus. Auch an der ETH gibt es nach einem Jahr eine relativ strenge Prüfung, aber nicht, um die Leute abzuschrecken, sondern um zu sehen, ob sie den hohen Anforderungen genügen oder nicht.

die furche: Letzte Woche kam vom Präsidenten der Wirtschaftskammer Östereichs, Christoph Leitl, der aufsehenerregende Vorschlag, die Höhe der Studiengebühren freizugeben. Besteht hier nicht die Gefahr sozialer Selektion?

nowotny: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Unterschiede so groß werden. Man könnte sagen, dass eine Business-School mehr verlangen kann, weil auch die Gehälter der Lehrpersonen in der Regel höher sind. Aber ich sehe das eher als Sonderfall. Sollte es zu großen Unterschieden kommen, dann muss man sich das neu überlegen.

die furche: Überlegt werden auch Strategien, wie der geplante europäische Forschungsraum verwirklicht werden kann. Sie haben vorgeschlagen, zehn Prozent der Mittel aus den nationalen Forschungsprogrammen für ausländische Anträge bereitzustellen.

nowotny: Es besteht ein großer Widerstand, die eigenen Forschungsressourcen und Räumlichkeiten zu öffenen, aber es lohnt sich. Die Financial Times hat etwa anhand einer OECD-Studie, die die Zukunftsfähigkeit der europäischen Staaten untersucht hat, eine Rangordnung aufgestellt: Die Schweiz kam an erster Stelle, Schweden an zweiter, die USA an dritter. Ausschlaggebend für die Spitzenstellung der Schweiz war die Tatsache, dass 16 Prozent der Studierenden aus dem Ausland kommen und das eine sehr gute Zukunftsinvestition bedeutet. Österreich war dagegen auf dieser Liste nur im unteren Mittelfeld.

die furche: Ihre Lust, nach Österreich zurückzukehren, ist also gedämpft?

nowotny: Ja, wobei mir natürlich daran liegt, dass in Österreich Verbesserungen vorgenommen werden. Ich habe mich oft gewundert, wie viele junge Leute es in Österreich trotz des Systems geschafft haben. Man sollte es ihnen aber nicht zu schwer machen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger

Informationen zur Unireform unter

www.weltklasse-uni.at

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