"Neue Zuwanderer verdrängen alte“

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Klaus Nowotny war Spezialist für Wirtschaft und regionale Räume im österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wifo. Er ist Assistenzprofessor an der Uni Salzburg.

Die Furche: Sie haben im März 2011, einen Monat vor der Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den Erweiterungsstaaten relativ genau geschildert was danach passieren wird. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Sorgen und Polemiken um das Thema.

Klaus Nowotny: Einige unserer Erwartungen sind eingetreten, vor allem, was den Umfang der zu erwartenden Migration betrifft. Es gibt einen Anstieg, der sich aber im Rahmen der Erwartungen bewegt. Wir dürfen auch nicht vergessen: Dabei gab es auch Legalisierungseffekte, also Anmeldung von Arbeitern, die schon vorher da waren.

Die Furche: Man fürchtete vor allem einen Ansturm unqualifizierter Arbeiter aus den Erweiterungsstaaten. An den Statistiken lässt sich ein solcher Trend nicht ablesen.

Nowotny: Nein. Wir haben es da im Schnitt mit Arbeitskräften mit sekundärem Bildungsniveau zu tun. Das bedeutet eine abgeschlossene Lehre oder Facharbeiterausbildung. Migranten sind aber in Österreich eher überqualifiziert. Sie haben also eine höhere Ausbildung, als es ihrer Verwendung entspricht. Das erhöht den Druck auf Arbeitnehmer, die wenig qualifiziert sind.

Die Furche: Wenig Qualifizierte als Verlierer.

Nowotny: Es zeigt sich, dass da zum Teil eine neue Zuwanderergeneration eine alte verdrängt. Das ist die andere Seite der Medaille. Nicht alle haben gewonnen.

Die Furche: Es war von Hunderttausenden Menschen die Rede, die da nach Westen kommen könnten. Sie selbst sprachen von einem Reservoir von 52 Millionen Beschäftigten in den acht Erweiterungsländern. Warum sind beinahe alle zu Hause geblieben?

Nowotny: Man darf nicht übersehen, was so ein Schritt bedeutet. Man kappt da soziale und familiäre Verbindungen, dazu kommt vielleicht noch der Besitz eines Hauses oder einer Wohnung. Und dann gibt es in der EU noch die Sprachgrenzen. Das ist eine hohe Hürde. Dass Nicht-Mobilität die Norm ist wird in vielen Studien über die verschiedenen Arten von Mobilität kaum thematisiert, nur wenige Studien befassen sich explizit mit der Frage, warum grenzüberschreitende Mobilität nicht stattfindet.

Die Furche: Könnte sich das durch die Wirtschafts- und Währungskrise ändern?

Nowotny: Es gilt ja auch ganz allgemein: Die Not treibt die Menschen zur Mobilität. Die Mobilität ist eine emotionell und existenziell kostspielige Sache. Will man daher jemanden dazu bringen ins Ausland zu wechseln unter Überwindung aller oben genannten Schwierigkeiten, dann braucht es im Normalfall einen deutlich höheren Lohn als Anreiz - oder eben die Alternative zwischen Arbeit im Ausland oder Arbeitslosigkeit zu Hause.

Die Furche: Wird nicht durch die Krise ein politischer Reflex der Politik gefördert, die Grenzen auch in Hinsicht der Arbeitsfreizügigkeit wieder dicht zu machen?

Nowotny: Gerade in Krisenzeiten wird das politische System sehr anfällig für solche Tendenzen, wie etwa auch der jüngste Vorstoß Deutschlands und Frankreichs zeigt, das Schengen-Abkommen aufzuweichen und die Möglichkeit temporärer Grenzkontrollen auszubauen.

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