6896175-1980_11_17.jpg
Digital In Arbeit

Vom Vorstand zum Aufseher

19451960198020002020

Der Erfolg wissenschaftlicher Forschung hängt vor allem vom Einfallsreichtum, dem Können und dem Fleiß des wissenschaftlichen Personals ab. Kreativität läßt sich aber nicht verordnen und streng organisieren. Daher gefährdet die Bürokratisierung der Universitäten im Gefolge der gegenwärtigen Hochschulpolitik die weitere Forschung.

19451960198020002020

Der Erfolg wissenschaftlicher Forschung hängt vor allem vom Einfallsreichtum, dem Können und dem Fleiß des wissenschaftlichen Personals ab. Kreativität läßt sich aber nicht verordnen und streng organisieren. Daher gefährdet die Bürokratisierung der Universitäten im Gefolge der gegenwärtigen Hochschulpolitik die weitere Forschung.

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Ansammlung von qualifizierten Personen und modernen Apparaten wird jedoch nicht zwangsläufig zu einem wissenschaftlich leistungsfähigen Institut. Hierzu bedarf es der Koordination des Personal- und Sacheinsatzes und vor allem eines „Betriebsklimas", das allen Mitarbeitern die Entwicklung bzw. Entfaltung ihres Könnens und ihrer Qualitäten ermöglicht.

Dieser Aufgabenkreis fällt dem Institutsvorstand zu. An ihn sind daher die gleichen Anforderungen zu stellen. Es sind dies fachliches Können, dem Aufgabenbereich entsprechende organisatorische Befähigung und nicht zuletzt die menschliche Eignung.

Damit eine Führuhgskraft die ihr gestellte Aufgabe erfüllen kann und der von ihr geleiteten Institution zum Erfolg verhilft, stattet man ihre Position mit entsprechenden Pflichten und Rechten aus, wobei dem Recht und der Pflicht zur Entscheidung ein besonderer Rang zukommt. Zu diesen Rechten und Pflichten zählen auch die Verfügung und Entscheidung im Personal- und Sachbereich.

Wissenschaftliche Institutionen, so auch Universitäts-Institute haben für sie typische Arbeitsverhältnisse. Die wissenschaftliche Arbeit läßt sich wie jede schöpferische Tätigkeit nicht in einen bestimmten Zeitplan einpassen. Einsichten, Entdeckungen stellen sich nicht während einer vorgeschriebenen Dienstzeit ein.

Aus dieser Einsicht heraus gewährt man daher in aller Welt den in der Wissenschaft Tätigen eine gewisse Freizügigkeit. Selbstverständlich ist der Vorstand dafür verantwortlich, daß die Pflichten im Unterricht bzw. an den Kliniken die Versorgung der Patienten ohne Abstriche erfüllt werden.

Es gibt aber keinen vernünftigen Grund, der es rechtfertigte, den individuellen Freiraum der Mitarbeiter mehr einzuschränken, als es für den geordneten Betrieb notwendig ist. Wegen dieser Art der Institutsführung sollte dem Vorstand kein Vorwurf gemacht werden. Er sollte das Risiko nicht scheuen, daß die gewährte Freiheit einmal mißbraucht werden könnte. Leider geht die Entwicklung an unseren Instituten in die entgegengesetzte Richtung. Wenn zum Beispiel ein Erlaß des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung auch einräumt, daß „der Forschungs- und Lehrbetrieb an einer Universität oder Hochschule hinsichtlich der Dienstzeitregelung nicht ohne weiteres mit anderen Bereichen der staatlichen Verwaltung gleichgesetzt werden kann", zugleich aber argwöhnt, daß sie zu ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst mißbraucht wird, dann stellen solche Äußerungen zumindestens einen inneren Widerspruch dar.

Man geht offenbar davon aus, daß das wissenschaftliche Personal dahin tendiert, möglichst jede Gelegenheit zu nützen, um die Arbeitszeit zu kürzen und sich vom Dienst zu drücken. Den Eindruck einer solchen Unterstellung erweckt es auch, wenn man liest: „Vorgebrachte Argumente, wie etwa die Erbringung von Dienstleistungen während der Nacht oder an Wochenenden, stellen in der Regel nicht nur wegen mangelnder Uberprüfungsmöglichkeit keinen tauglichen Entschuldigungsgrund für die Abwesenheit vom Dienst während der Zeit dar, die allgemein als die übliche Arbeitszeit angesehen wird." Schließlich wird noch der Dienstvorgesetzte, also der Institutsvorstand an seine diesbezügliche Aufsichtspflicht nachdrücklich erinnert.

Diese Sätze des Erlasses sind sicher in subjektiv bester Absicht formuliert worden, allerdings ohne Ver-

„Mit einer 40-Stunden-Wo-chen-Tätigkeit hat sich noch niemand eine wissenschaftliche Qualifikation erworben"

ständnis für die Wirklichkeit des wissenschaftlichen Lebens in einem Institut.

Die Flexibilität ist ja kein Privileg, um der Arbeit nach Belieben fernbleiben zu können. Sie resultiert vielmehr aus der für das wissenschaftliche Personal üblichen, im Durchschnitt langen Arbeitszeit und demzufolge geringen Freizeit Die wissenschaftliche Arbeit erfordert eben einen hohen Zeitaufwand, Experimente ziehen sich oft bis in die Nacht hinein, und die zu ihrer Auswertung erforderlichen intellektuellen Anstrengungen lassen sich nicht in einem Stundenplan fixieren.

So viel ist gewiß: mit einer 40-

Stunden-Wochen-Tätigkeit hat sich noch niemand eine wissenschaftliche Qualifikation erworben. Doch all das ist jedem, der sich zu einer wissenschaftlichen Laufbahn entschließt, bereits'von Anfang an bewußt. Wenn man gar den Begriff „Arbeitsmoral" verwenden will, so muß man den Assistenten unserer Universitätsinstitute eine überdurchschnittliche Arbeitsmoral bescheinigen.

Es gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Institutsvorstandes diesen Arbeitsgeist und die Leistung, die das wissenschaftliche Personal -und oft nicht nur dieser Personenkreis - freiwillig erbringt, in jeder Weise zu fördern.

Der zitierte Erlaß aber reduziert die Stellung des Vorstandes auf die eines Aufsehers. Seine Funktion soll er vor allem darin sehen, die von der Zentrale ergangenen Anforderungen gegenüber den „Bediensteten" durchzusetzen, damit die Verwaltungsund Dienstvorschriften einheitlich eingehalten werden.

Für einen Vorstand, der in seinen Mitarbeitern mehr als nur Bedienstete sieht und auf gute Zusammenarbeit Wert legt, stellt es eine Zumutung dar, wenn man ihn dazu verpflichten will im Umgang mit seinen Mitarbeitern menschliche Aspekte den Belangen der Verwaltung unterzuordnen.

Es hat überhaupt den Anschein, als würde der Institutsvorstand zunehmend seiner Führungsposition beraubt und in die Rolle eines Kontrollorgans mit sehr eingeschränktem Wirkungsbereich gedrängt. So darf er auf einer freigewordenen Stelle kein Personal mehr einstellen; dies macht die Personalkommission, der er selbst in der Regel nicht angehört.

Er hat keine Verfügung mehr über seine Fachbibliothek; das erledigt die Universitäts-Bibliothek. Ihm steht zwar für das Institut eine Dotation zu, über deren Verwendung jedoch eine Reihe von Beschränkungen auferlegt sind, wie zum Beispiel das Verbot etwas anzuschaffen, dessen Kosten S 2000,- übersteigen. Dafür ist über Ansuchen, bis zu deren Erledigung im günstigsten Falle mehrere Monate verstreichen, das Ministerium zuständig.

Neuerdings darf auch der Institutsvorstand seinen Mitarbeitern keinen Urlaub mehr gewähren. Die bisher gültige Ermächtigung wurde ausdrücklich widerrufen. Einen Urlaub erteilt die Universitätsdirektion.

Dieser Entwicklung kann man insofern eine gewisse Konsequenz nicht absprechen, als die Funktionsperiode eines Institutsvorstandes -von wenigen Ausnahmen abgesehen - durch das Universitätsorganisa-tionsgesetz auf zwei Jahre begrenzt ist und daher eine längerfristige Planung nicht zuläßt. ,

Hier springt sozusagen die Bürokratie in die Bresche, die sie selbst geschaffen hat und sorgt für eine durch keinen Vorstandswechsel zu gefährdende Kontinuität.

Angesichts dieser Entwicklung scheint die Bezeichnung „Institutsvorstand" nicht mehr den wirklichen Verhältnissen zu entsprechen. Sie erweckt immer noch die Vorstellung, daß es sich um eine Führungsposition handelt, was sie aber tatsächlich nicht mehr ist.

Unter diesen Bedingungen ist daher eine qualifizierte Führungskraft fehl am Platz, denn es fehlt ihr das Betätigungsfeld. Man würde mit der Bezeichnung, wie etwa „Instituts-kontrollor" oder „Institutskommissär" oder ähnlichem, den Aufgabenbereich viel treffender charakterisieren und sollte sich die für diese Funktion geeigneten, bürokratisch geschulten Arbeitskräfte suchen. Sie werden mit der Forschung schon fertig werden.

(Prof. Dr. Horst Klingenberg ist Vorstand des Institutes für funktio-'nelle Pathologie der Universität Graz.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung