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Südafrika igelt sich ein

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Die Entscheidung der südafrikanischen Regierung, ein für Schwarze herausgegebenes Massenblatt samt seiner gesonderten Wochenendausgabe, die Zeitschrift des „Christlichen Instituts”, dieses selbst sowie 18 oppositionelle Organisationen zu verbieten, löste heftige Reaktionen aus. Die Feinde des Regimes rufen zur Intensivierung des Widerstandes auf: Die Organisation für die Einheit Afrikas drängt die Schwarzen in Südafrika, nun endlich zu den Waffen zu greifen; die UNO berät Sanktionen. Aber auch Freunde der Südafrikaner sind bestürzt und fragen sich, ob die Regierung in Pretoria in diesem Fall nicht zu weit gegangen ist.

Bei der Beurteilung dieses spektakulären Schrittes ist davon auszugehen, daß Vorster und seine Berater in den letzten Monaten zu der Überzeugung gelangt sind, ihrem Land werde eine Kraftprobe wirtschaftlicher und viel leicht sogar militärischer Art nicht erspart bleiben. Die unzweifelhaft drohenden Gefahren werden der Bevölkerung gegenüber aus wahltaktischen Gründen besonders betont, und in dem dadurch entstandenen Klima der Existenzbedrohung schien der Augenblick günstig zu sein für einen entscheidenden Schlag gegen die feindlich eingestellten Kräfte.

Die Maßnahmen gründen sich auf die Paragraphen 6 und 17 des Gesetzes zur Unterdrückung des Kommunismus, demzufolge das systematische Hinarbeiten auf politische, soziale und ökonomische Änderungen durch ungesetzliches Vorgehen, Drohung und Stiftung von Unruhe und Unordnung verboten ist.

Der südafrikanische Justizminister Krüger erklärte zu seiner Rechtfertigung, die Organisationen und Zeitungen seien nicht verboten worden, weil sie eine abweichende Meinung verträ ten, sondern weil sie sich der Gefährdung von Ruhe und Ordnung im Staat sowie der Aufwiegelei schuldig gemacht hätten. Keine Regierung der Welt könne dulden, daß zur Gewaltanwendung aufgerufen und gewaltsamer Umsturz vorbereitet werde.

Zum Verbot der Zeitung „The World” sagte Kruger, daß von einem Schlag gegen die Pressefreiheit keine Rede sein könne. Er verwies darauf, daß Südafrika eines der wenigen Länder ist, das über einen freiheitlichen Pressekodex verfügt und zitierte den Chefredakteur des Londoner „Daily Tele- grah”, der in Afrika kein zweites Land kenne, in dem die Regierung so nachsichtig gegen Zeitungen sei, die sich einer äußerst offensiven Tonart befleißigten. Aber „The World” habe eine Kampagne gegen die städtischen Ban- tu-Räte, die mit den Weißen Zusammenarbeiten, gestartet, um sie durch Drohungen zur Abdankung zu zwingen, habe dem Studentenrat von Soweto, der in Wahrheit aus Schülern bestehe und revolutionär eingestellt sei, ihre Spalten geöffnet und habe begonnen, durch eine Artikelserie, die sich über 21 Wochen erstrecken sollte und den bezeichnenden Titel „Bophuthats- wana-Countdown” trage, die Selbständigkeit dieses Heimatlandes zu verhindern.

Kruger zeigte Briefe von Bantu- Stadträten sowie vom Chef minister des Heimatlandes Ciskei vor, in denen das Verbot der Zeitung „The World” gefordert wird. Es sei wohl möglich, erklärte er, daß dieser Schritt dem Image des Staates im Ausland schade, doch sei der Regierung der Friede im Land wichtiger.

Interessant ist, daß „The World” gar nicht von Schwarzen herausgegeben wird. Die Zeitung ist im Besitz des „Argus” -Konzerns, der auch andere Blätter publiziert. Diese Zeitungen sind wohl nicht regierungsfreundlich, passen sich aber im Ton dem Geschmack ihrer weißen Leser an. Diese Tatsache erklärt den Umstand, daß ausländische Beobachter vermerkten, englische Blätter verurteilten den umstrittenen

Schritt der Regierung, während die Zeitungen in Afrikaans positiv redigiert hätten.

Das „Christliche Institut” wurde 1963 mit der Absicht gegründet, der Apartheidpolitik entgegenzuwirken. Die Regierung macht ihm zum Vorwurf, es sei ganz auf das politische Gebiet abgeglitten und ziele, wie die letzten vom Institut herausgegebenen Veröffentlichungen bewiesen, auf politischen Umsturz ab. Ähnliche Vorwürfe werden gegen alle nunmehr verbotenen Organisationen erhoben.

Die Südafrikaner leben gefährlich; sie legen Reserven an und igeln sich ein. Ob die Vorgangsweise ihrer Regierung dabei richtig ist, wird sich erst in Zukunft erweisen. Man wird an die Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten während der sechziger Jahre erinnert. Es ist bemerkenswert, daß der damalige Präsident Johnson sich von dem Grundsatz leiten ließ, der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung komme höchste Priorität zu.

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