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Moralisches Feigenblatt

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Weltweit hagelt es Proteste gegen das Regime in Südafrika. Sind die dabei angedrohten Wirtschaftssanktionen tatsächlich schwere Schläge für Pretoria oder nur wohlkalkulierte symbolische Gesten?

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Weltweit hagelt es Proteste gegen das Regime in Südafrika. Sind die dabei angedrohten Wirtschaftssanktionen tatsächlich schwere Schläge für Pretoria oder nur wohlkalkulierte symbolische Gesten?

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Die Verhängung des Ausnahmezustandes über die Hafenstadt Port Elisabeth und in der Folge über weitere 35 Bezirke, die Massenverhaftungen schwarzer Oppositioneller sowie das brutale Vorgehen der Polizei haben weltweit heftige Reaktionen gegen das südafrikanische Apartheid-Regime hervorgerufen. Teile der westlichen Welt möchten dabei ihr Mißfallen über die dortigen Zustände und Vorgänge durch wirtschaftliche Boykottmaßnahmen und Sanktionen zum Ausdruck bringen.

Frankreich beispielsweise forderte, daß auch andere Länder nicht mehr in Südafrika investieren, daß keine Exportkreditgarantien mehr an dieses Land gewährt, keine Goldmünzen mehr von dort gekauft werden und Produkte, die aus dem Nuklear- und Computerbereich stammen oder diesem dienen könnten, überhaupt nicht mehr gehandelt werden. Darüber hinaus sollte das System der Apartheid energisch verurteilt werden.

Dies scheinen tatsächlich schwere Schläge für die Zukunft Pretorias zu sein und man könnte sich fragen, ob damit die letzte Phase für dieses System eingeläutet wurde. Oder ist es wohl eher so, daß hier wohlkalkulierte symbolische Maßnahmen gesetzt wurden, die nicht viel kosten, mit deren Hilfe man sich aber die Sympathien des übrigen Afrika sichern will—sozusagen als moralisches Feigenblatt oder als Rückversicherung für die Zeit nach dem Sturz des Apartheid-Regimes?

Es ist zu befürchten, daß letztere Frage bejaht werden muß. Mit seinem Investitionsboykott hat Frankreich geschickt den Ball an andere weitergespielt. Der Anteil an ausländischem Kapital in Südafrika ist nicht besonders hoch, und unter den ausländischen Investoren rangiert Frankreich recht weit hinten.

Man kann sich überhaupt fragen, welchen Effekt wirtschaftliche Sanktions- bzw. Boykottmaßnahmen gegen „mißliebige” Länder haben bzw. in der Vergangenheit gehabt haben.

Die Antwort darauf ist, daß es fast gesicherter Bestand ökonomischen Wissens ist, daß derartige Maßnahmen zur Erreichung außenpolitischer Ziele wenig erfolgversprechend sind und dies umso mehr, je größer und autarker das davon betroffene Land ist. Man erinnere sich an das von England abtrünnig gewordene Regime von Ian Smith im damaligen Rhodesien. Trotz striktester Boykottmaßnahmen ging dem Land kaum etwas ab, weil es zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten für Importe, Kredite etc. vor allem über Südafrika fand. Oder der kapitale Selbstschuß von Präsident Carter, als er zum Handelskrieg gegen die Sowjetunion aufrief und die Getreidelieferungen dorthin einstellen ließ. Die Sowjetunion importierte gelassen von anderswo, vor allem aus Südamerika - dafür hatte Carter die eigenen Farmer gegen sich.

Als das Röhrenembargo der NATO gegen die UdSSR 1966 nach dreijähriger Dauer aufgehoben wurde, mußte die Bundesrepublik als getreuer Befolger feststellen, daß inzwischen andere - vor allem Japan und Schweden - ihre Marktanteüe übernommen haben. Man hat daraus nichts gelernt: Auch nach dem jüngsten Sibirien-Pipeline-Embargo konnte man sich fragen, wer eigentlich härter bestraft war - die Sowjetunion oder die westlichen Firmen.

Und schließlich Südafrika selbst: Dieses Land hat bereits langjährige Embargo-Erfahrung. Das 1977 von den Vereinten Nationen verhängte Embargo gegen den Waffenhandel führte lediglich zum Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie, die den Bedarf des Landes heute weitgehend selbst decken kann. Auch in anderen embargo-anfälligen Bereichen hat man natürlich längst Verteidigungslinien aufgebaut, sodaß ein ausländischer Boykott nur wenig ausrichten kann.

Auch der Boykott der Goldmünze „Krüger-Rand” wird niemandem wehtun. Im ersten Halbjahr 1985 haben die Südafrikaner 685.000 Feinunzen Gold in Form von Krüger-Rand ausgeprägt und damit 192 Millionen Dollar verdient. Gleichzeitig wurden 320 Tonnen Feingold in Barrenform im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar verkauft—die Krüger-Rands sind also nur ein kleines Zubrot für den südafrikanischen Goldhandel. Können weniger davon verkauft werden, wird eben mehr Barrengold nach Zürich geliefert. Die Schweizer Bundesregierung wird hier keine Beschränkungen verfügen, weil man dem Finanzplatz London keinen Vorteil zuspielen will. So positiv es daher sein mag, daß die Empörung über die Vorgänge in Südafrika weltweit und mit gewissen Ausnahmen einhellig ist — die wirtschaftlichen Maßnahmen, die angedroht wurden, sind kaum geeignet, das südafrikanische Regime zum Einlenken zu veranlassen.

Der Autor ist Referent der volkswirtschaftlichen Abteilung der österreichischen Nationalbank.

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