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Magsaysays unvollendetes Werk

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Der tragische Tod des Präsidenten der philippinischen Republik hat weit über die Grenzen des Inselreiches hinaus Trauer und Bestürzung ausgelöst, und nicht allein, weil da ein Mann von der Höhe seines Schaffens abberufen wurde, der durch sein persönliches Leben wie durch seine Leistungen im Dienste des Vaterlandes vorbildlich gewirkt hat. kamön Magsaysay verkörperte, wie nur wenige Staatsmänner unserer Zeit und wie kein zweiter im asiatischen Raum, eine gradlinige und absolut unbeirrbare Politik der Zusammenarbeit aller freien Nationen im Zeichen des friedlichen Fortschritts und zum gemeinsamen Schutz besonders gegen die kommunistische Gefahr. Nach seinem so unerwarteten Ende mußte man sich daher unmittelbar die bange Frage stellen, ob diese Gefahr sich nun, zumindest für die Philippinen oder auch andere Gebiete Asiens, nicht bedrohlich-erhöhen wird.

Magsaysay hatte anderen führenden Politikern der freien Welt den unschätzbaren Vorteil voraus, daß er eine nicht bloß oberflächliche Kenntnis der Gefolgschaft Moskaus und ihrer Methoden und Ziele besaß. Als Guerillakämpfer in einem nationalen Partisanenverband hatte er in der Zeit der japanischen Besetzung die kommunistische Freischärlerorganisation ,,Huk” — das Wort bezeichnet den malaiischen Ausdruck für „Volksarmee gegen die Japaner” — und ihre Mitglieder genau kennengelernt und wußte nun, was das Schicksal des philippinischen Volkes sein würde, wenn der nach Kriegsende begonnene Versuch der „Huks”, die Macht an sich zu reißen, gelänge. So sah er, nach der Un bbängigkeitSfi lärung Philippinen zum Verteidigungsminister ernannt, seine vordringlichste Aufgabe darin, den kommunistischen Aufstand niederzuwerfen; der Gegner erwies sich aber als außerordentlich zähe, und erst nach jahrelangen, bald da, bald dort aufflackernden Kämpfen, in deren Verlauf die Regierungstruppen durch die Schwierigkeit der Verbindung zwischen den einzelnen Inseln stark behindert wurden, konnte das Vorhaben der „Huks” als endgültig gescheitert gelten. Von der zeitweise über 100.000 Mann zählenden organisierten Streitmacht der Kommunisten blieben schließlich nur noch einige Häuflein gelegentlich auftretender Banditen übrig. Doch dieser Erfolg — und darin liegt ein besonderes Verdienst des damaligen Ministers und späteren Präsidenten — war nicht allein durch Waffengewalt und geschickte Truppenführung errungen worden, sondern vielleicht mehr noch durch die ersprießliche Tätigkeit des sogenannten Economic Development Corps, eines von ausgesuchtem Personal betreuten Dienstes der Armee, der eigens zu dem Zweck geschaffen worden war, Aufständischen, die sich wieder in die gesetzliche Ordnung einfügen’ wollten, durch Unterweisung in verschiedenen Erwerbszweigen und Landzuteilung samt den erforderlichen Betriebsmitteln die Grundlage einer friedlichen Existenz zu bieten.

Die guten Ergebnisse dieser Einführung ver- anlaßten Magsaysay, einen Plan zu entwerfen, der die Organisierung eines ähnlichen Apparats für die notleidende Bevölkerung im gesamten Staatsgebiet vorsah. Mit seiner Hilfe sollten die Verkehrswege und die Wasserversorgung verbessert, die landwirtschaftlichen Arbeitsmethoden modernisiert, die Grundgesetze der Hygiene bekannt gemacht werden; und eine seiner wesentlichsten Aufgaben sollte es sein, eine bessere Verteilung des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens durchzusetzen und damit den gedrückten Lebensstandard der Bauern und Kleinpächter sowohl wie die landwirtschaftliche Produktion überhaupt zu heben. Doch die Verwirklichung dieses Planes stieß auf Hindernisse, die der Präsident trotz seiner persönlichen Durchschlagskraft und seiner großen Beliebtheit bei der breiten Masse, und ungeachtet der ihm verfassungsmäßig zustehenden Machtfülle, in den kurzen drei Amtsjahren, die ihm beschieden waren, nui in beschränktem Maße überwinden konnte.

Die Inseln des philippinischen Archipels sine mit natürlichem Reichtum gesegnet. Mehr all die Hälfte ihres Areals ist für landwirtschaftliche Zwecke hervorragend geeignet; mehr all ein Drittel ist von Wäldern bedeckt, denen un übersehbare Mengen wertvollster Hart- oder Farbhölzer entnommen werden können; es gibt ausgedehnte, zum Teil noch kaum berührte Lager von Gold, Silber, Kohle, Erdöl, Zink, Kupfer, Eisen und anderen Mineralien. Dazu kommen zwei weitere wichtige Umstände: die philippinische Nationalbank verzeichnet beträchtliche Eingänge amerikanischer Dollars unter dem Titel Wirtschaftshilfe, Besatzungsschädenersatz, Pensionszahlungen und anderem; ein Freihandelsübereinkommen sichert dem philippinischen Exporteur ungehinderten Zutritt zu dem ungeheuren Absatzgebiet der Vereinigten Staaten. Trotzdem ist es um den Wohlstand dieser Republik keineswegs rosig bestellt. Die Industrie ist ungenügend entwickelt, was die Einfuhr vieler Güter bedingt, die im Lande selbst erzeugt werden könnten, und selbst für den Lebensmittelbedarf langt die eigene Produktion nicht annähernd aus. Das einzige Mittel, das sich daraus ergebende chronische und beunruhigend hohe Passivum der Handelsbilanz zu verringern, fand man in der Drosselung der Einfuhren, ohne Rücksicht darauf, daß damit die Entwicklung der eigenen Wirtschaft nicht gefördert, wohl aber die Kaufkraft vor allem der arbeitnehmenden Schichten geschwächt und Schiebungen aller Art ein weites Tor geöffnet wurde. An die Wurzel des Uebels, die Magsaysay sehr klar erkannte — die Zusammenballung des Grundbesitzes in den Händen Weniger und die krasse Armut der neun Zehntel der Bevölkerung, die sich als Dorfbewohner mit zuwenig eigenem oder zu teuer gepachtetem Land aus der Not nicht befreien können —, an dieses Kernproblem war eben nicht heranzukommen;’ dafür sorgten finanzstarke und von sozialen Erwägungen unbelastete Interessengruppen schon früher unter der amerikanischen Verwaltung und seit der Begründung der philippinischen Eigenstaatlichkeit ist das nicht wesentlich anders geworden. Ob es dem verstorbenen Präsidenten — hätte er länger gelebt — doch noch gelungen wäre, das begonnene Werk der Bodenreform zum geplanten Ende zu führen, ist heute eine müßige Spekulation; von höchst aktueller Bedeutung aber ist die Frage, ob es seinen Nachfolgern gelingen wird, ehe alle Bemühungen in dieser Richtung durch den Lauf der Ereignisse überholt sind.

Keine tausend Kilometer in der Luftlinie trennen die Philippinen vom chinesischen Festland. Diese Ziffer, im Verein mit zwei anderen, den 600 Millionen der nach Raum drängenden Chinesen und den 21 Millionen der Filipinos, deren heimatliche Erde leicht das Dreifache’ihrer heutigen Bewohnerschaft ernähren könnte, genügt, um den Ernst der Situation zu unterstreichen. Die zur Zeit auch kaum denkbare Möglichkeit einer chinesischen bewaffneten Aggression gegen die Philippinen braucht dabei gar nicht in Betracht gezogen zu werden. Gefährlicher als rotchinesische Düsenbomber kann der Freiheit des philippinischen Volkes die rotchinesische Propaganda werden, die darauf abzielt, in Manila eine „friedliebende, volksdemokratische” Regierung ans Ruder zu bringen; eine Regierung, dazu bestimmt, was freilich nicht laut gesagt wird, die philippinischen Bodenschätze im Auftrag Pekings zu verwalten und das Land als Aufiiahmsgebiet für den rotchinesischen Bevölkerungsüberschuß einzurichten.

Gegenwärtig ist der Erfolg dieser Propaganda kaum zu verspüren, aber niemand kann sagen, was die Zukunft bringen wird, wenn die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse so bedrückend bleiben wie sie sind. Kein Volk darf als unbedingt immun gegen den kommunistischen Bazillus betrachtet werden, auch wenn es so liebenswerte Eigenschaften besitzt wie die Filipinos. Auch für diese gilt, was schon vor Jahren ein guter Kenner der Lage, der seinerzeitige philippinische Außenminister Carlos Romulo, als Vorbedingung einer erfolgreichen Abwehr des Kommunismus bezeichnet hat: ein Volk muß nicht nur wissen, wo der Feind steht, ‘ der zu bekämpfen ist. es muß auch etwas haben, wofür es kämpft. Und sehr viele Filipinos haben das heute nicht.

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