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Zwischen Kampf und Kontemplation

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Wäre alles so, wie es sein sollte, wäre das Eigenschaftswort „engagiert“ schlicht überflüssig. Christ-Sein an sich -wäre man imstande oder auch nur willens, die Radikalität des Evangeliums tatsächlich zu leben - heißt ja Engagement;-Einsatz für den Bruder in seinem Namen, Relativierung des Ich zugun- , sten des Du, des Wir, Bereitschaft, das Kreuz und den Dienst auf sich zu nehmen und all das, was Engagement noch bedeuten kann. Und diese Möglichkeiten durchdenkend, erfühlend, Hirn und Herz in die Waagschale werfend - dann steht das eigene Christ-Sein-Wollen schon sehr in Frage, um wieviel mehr noch die Verwirklichung, das gelebte Annehmen all dieser Herausforderungen.

Mir wurde das während der vergangenen Wochen, die mich kreuz und quer durch Afrika führten, mit aller Deutlichkeit, um nicht zu sagen, aller Brutalität, klar. Meine Zweifel, daß ich je dazu fähig sein werde, mich offen und rückhaltlos auf all das einzulassen, was da weht zwischen „Kampf und Kontemplation“, wie der Prior von Taize, Frere Roger, es postuliert, wurden von Tag zu Tag stärker.

Was bedeutet für uns hier schon Engagement? Das reicht kaum weiter als die hebenswerte „gute Tat“ der Pfadfinder, das ist da und dort der bescheidene Versuch, einmal zuzuhören, statt dauernd von seinen eigenen Problemchen zu reden, einmal mehr zu verstehen, als verstanden werden zu wollen, da und dort mehr zu geben als zu nehmen.

Und was ist da schon viel dabei, wenn man manches milde oder zynische Lächeln übersieht, das man hie und da bemerkt, wenn man „immer noch“ rückständig genug ist, dem Gebet einen Platz in seinem Leben einzuräumen, Kirche als Gemeinschaft zu verstehen und ähnliches mehr.

Dort wo ich war allerdings, dort ist Christ-Sein noch Engagement, dort ist Christ-Sein noch Bekenntnis bis zum Einsatz des Lebens, dort ist Christ-Sein noch lebendiges Zeugnis, das täglich, stündlich neu gefordert und geleistet wird, dort hat Christ-Sein noch mit Opfer, mit Aufopferung zu tun.

In Guinea zum Beispiel mit seiner mohammedanischen Mehrheit wird zwar das Christentum nicht gerade verfolgt, aber man ist als Christ doch diskriminiert. Der katholische Erzbischof ist seit mehr als acht Jahren im Gefängnis und Gefängnisse sind dort gewiß weniger gemütlich als hier. 23 Priester betreuen rund 80.000 Katholiken über das ganze Riesenland verstreut. Der Mut, mit dem diese Menschen ihr Christentum leben, ist einerseits ansteckend und führt einem gleichzeitig das eigene Versagen, die eigene Kleingläubigkeit vor Augen.

Im südlichen Afrika, in der Republik, in Namibia, in Rhodesien, geraten die Christen - Katholiken, Anglika-ner und zum Teil auch Protestanten - im wahrsten Sinne des Wortes zwischen zwei Fronten. Für die Regierungen sind sie Feinde, weil sie -nicht immer schon, aber zunehmend in den letzten Jahren - wie die Löwen für die gerechte Sache der Schwarzen und Farbigen kämpfen, weil sie sich für die unveräußerlichen Rechte dieser Menschen einsetzen. Die Folge: Verbannung, Gefängnis, Folter, Tod.

Für die „Freiheitskämpfer“, jene brutalisierten und vom Kommunismus indok-trinierten Menschen, die noch immer nicht begriffen haben, daß sie nur als Kanonenfutter für andere Mächte herhalten müssen - für diese Leute sind die Christen wieder Feinde, weil sie fälschlicherweise als Steigbügelhalter weißen Machtanspruchs, als Symbol des Kapitalismus verteufelt werden.

Die Opfer allein in Rhodesien in den letzten Jahren: 40 Missionare samt ihren Mitarbeitern und Angehörigen wurden ermordet. Aber sie verkünden weiterhin das Wort Gottes, nein mehr noch, sie leben es, offen oder im Untergrund, je nach Möglichkeit. Sie sind zu einer Quelle der Kraft und des Mutes geworden für alle Verzweifelten.

Dort ist „das Salz der Erde noch nicht schal geworden ...“.

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