6763845-1968_26_06.jpg
Digital In Arbeit

Beispiel für Fürstenmord

Werbung
Werbung
Werbung

Morde an Menschen um die Spitzen der gesellschaftlichen Pyramiden herum hat es immer gegeben. Unzählige Könige, Präsidenten, Fürsten, Staatsmänner, Generäle sind Attentaten zum Opfer gefallen. Aber kaum je ist der politische Mord von verantwortlichen Organisationen so gepriesen und gefördert worden wie in unserer Zeit, der Zeit der UNO. Das klingt so seltsam, daß es zu beweisen ist.

Es gab eine Periode, in welcher der organisierte politische Mord die ganze Welt des Islams erschütterte und erschreckte. Von 1090 bas 1270 sandten der „Alte vom Berge“ und seine Nachfolger im Terror geschulte, mit Haschisch aufgestachelte „Assas- sinen“ — von da stammt der so populär gewordene Ausdruck und Begriff — in alle Länder von Rabat bis Bagdad, von Istanbul bis zum Kongo, um gegnerisch eingestellte Staats männer, Generäle, sogar Kalifen umzubringen und andere durch Terror gefügig zu machen. Im Bergschloß von Alamut gab es eine Mörderschule; wehe dem Abgesandten, der sich in der Ausübung des gelernten Handwerks durch menschliche Gefühle hemmen ließ!

Die organisierte Barbarei

Sieben Jahrhunderte später, in denen die Länder der Erde zu viele Katastrophen erlebt hatten, schlossen sie sich zur Gründung einer Organisation zusammen, das jedem Mit gliedstaat den „Wert des Menschen“ ans Herz legte und ihn zu einem „Leben in Frieden“ als gute Nachbarn“: unter „Vermeidung jeder bewaffneten Gewalt“ verpflichtete — in einer schönen Satzung, auf dem Papier. Was ist daraus in bloß zwanzig Jahren geworden?

So schwer es fällt, es sich einzuge stehen, so nützt doch keine Täuschung. Sie propagiert, organisiert, gelegentlich finanziert den politischen Mord, einzeln oder in Gruppen. Sie findet es recht, und drückt es in zahllosen Resolutionen aus, daß Mörderbanden, nicht mehr nur in einem Bergschloß, sondern in Dutzenden von Fachschulen, in Ägypten, Algerien, Kongo, Kuba, Rotchina, Syrien und einer ganzen Anzahl anderer Länder ausgebildet werden und in mißliebige Länder, von Israel angefangen bis Indonesien, Neuguinea und Malaysien in die portugiesischen Gebiete, Rhodesien und Südwestafrika, einbrechen, um dort ein Terrorregime zur Abschreckung auszuüben. Und als Portugal Truppen mobilisierte, um seine weißen und schwarzen Siedler dagegen zu schützen, lebend eingegraben oder in Sägewerke geworfen zu werden, dagegen, daß man Kindern die Augen ausstach und die Hände abhackte, ehe man sie in den Dschungel zu den Schlangen und Raubtieren trieb — da faßte die UNO eine formelle Resolution, welche Portugal diese Abwehr verbot. Als Israel die Bandennester und Assassinenschulen zu zerstören suchte, faßte sie eine Resolu tion, welche diese „Aggression“ verurteilte.

Um noch näher zur Verantwortung für den Mord an Robert Kennedy zu kommen — als ein Häuptling in Rhodesien bestialisch ermordet wurde und der Mörder nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren — wie es keinem der umgebrachten Minister im Kongo oder der ermordeten Araber in Sansibar zuteil wurde — hingerichtet wurde, hatte die UNO eine empörte Resolution gefaßt, in welcher sie die sofortige Freilassung des Mörders, ebenso wie die anderer überführter Mörder, die in Pretoria abgeurteilt wurden, verlangte; wohlgemerkt, nicht etwa die Auslieferung an ein nach ihrer Ansicht zuständiges Gericht, sondern ausdrücklich die Freilassung und Rückführung an den Ort ihrer Verbrechen. Diese Propaganda verbreitete sich so weit über die Länder, daß sogar ein Blatt wie die Schweizer „Weltwoohe“ einem Artikel Raum gab, der die Hinrichtung des Häuptlingsmörders „reinen Barbarismus“, eine „fürchterliche Art der Gerechtigkeit“ nannte.

Gepflegter Terrorismus

Wie muß sich solches auf Hirne wie die des Kennedy-Mörders auswirken? An die Stelle des Befehls tritt die Propaganda. Wenn etwas von Autoritäten, denen man vertraut, gebilligt wird, muß es doch recht sein. Ein verdrehter Begriff von Gut und Böse betäubt das Him und lähmt das Herz. Der Mörder wird zu einem Werkzeug, so wie die Waffe zum Werkzeug in seiner Hand. Als Kennedy sich erlaubt hatte, darauf hinzuweisen, daß man auch dem kleinen Israel Waffen geben müsse, wenn dessen große Nachbarn bewaffnet würden, um einen neuen Krieg zu vermeiden, beging er eine Majestätsbeleidigung gegen die unsichtbaren „Alten vom Berge“ zwischen Atlantik und Persischem Golf. Er war daher zu vernichten; dazu brauchte es gar keinen ausdrücklichen Befehl. Propaganda und vergiftetes Rechtsgefühl treten an dessen Stelle. Gefühl für einen Vater von zehn Kindern? Aber die als Helden gepriesenen Banden, die in Israel Bomben legen, um harmlose Bauern, die auch sechs oder acht Kinder; haben, zu zerreißen, haben es auch nicht. Macht'es einen Unterschied in der Wertung aus, ob nur ein kleines Volk von ein paar Millionen mit den Familien der Opfer trauert oder Hunderte von Millionen mit den Familien Kennedys oder der Witwe Kings?

Wenn Robert Kennedy aus seinen Fenstern im schwarzen Wohnturm neben dem Gebäude der UNO auf diese hinüberblickte und, wie man jetzt erfährt, mitunter von bösen Ahnungen befallen wurde, kam es ihm gewiß nicht in den Sinn, daß da drüben ein Keim zu seiner Ermordung gelegt, gehegt und gepflegt würde. Aber nicht einer der Delegierten hatte den Fernblick oder den Mut, seine Kollegen vor den Gefahren ihrer Resolutionen zu warnen, die durch die schönsten Phrasen der Teilnahme nicht aufgewogen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung