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Entscheidung zwischen Smith und dem Chaos

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In Rhodesien ist alles im Fluß und sämtliche Gruppen sind an einer Lösung des Problems interessiert, aber es gibt leider kein Rezept, das alle akzeptieren.

Man kann gegen Ministerpräsident Smith den Vorwurf erheben, er sei zu starr, er habe im vergangenen Jahrzehnt viel versäumt, jetzt räche sich der Hochmut des Weißen, des Briten. Aber man kann nicht umhin, sein Verhandlungsziel zu billigen: Sicherheit für die weißen Rhodesier und geordnete Verhältnisse, auch während und nach der Machtübergabe.

Diesem Ziel suchte Smith auf der vorjährigen Genfer Konferenz mit der Forderung, in einer Ubergangsregierung müßten die Ressorts für Justiz und für innere und äußere Sicherheit in den Händen weißer Minister verbleiben, näherzukommen. Eine wirksame Garantie für eine spätere Zeit konnte auch Smith nicht ersinnen. Aber vielleicht rechnete er im stillen damit, daß bereits in der Übergangszeit Rivalitäten und Feindschaft zwischen den schwarzen Führern ausbrechen würden. Mit Hilfe von Polizei und Armee wäre die Situation dann wohl gerettet worden und man hätte diese Instrumente nicht aus der Hand gegeben.

Hätten seine vier Kontrahenten Nkomo, Mugabe, Muzorewa und Si- thole seinem „Fahrplan” damals zugestimmt, so hätten sie heute Anteil an der Macht. Da sie durch ihre Ungeduld den Abbruch der Konferenz herbeiführten, sind sie vom Ziel ihrer Wünsche immer noch so weit entfernt wie vorher - und haben sich außerdem inzwischen wieder heillos zerstritten.

Lange Zeit galt Nkomo, der Führer der ZAPU, innerhalb der Patriotischen Front als cfer gemäßigtste Gesprächspartner des weißen Regierungschefs. Er hat sich zu einem Radikalen gewandelt. Nkomo gilt nunmehr als Mann der Sowjets. Er besuchte im März Moskau und erhofft sich ausreichende Hilfe vom Kreml. Als sich herausstellte, daß sein Mitstreiter Mugabe ihn ausstechen wolle, unternahm er alles, um seine bewaffnete Mannschaft zu vermehren und zu stärken. Hunderte Rekruten wurden über Botswana nach Sambia in ein Ausbildungslager gebracht, wo sie nun seiner Befehle harren und die Grenzgebiete Rhodesiens unsicher machen.

Anders hat sich Mugabe orientiert Als Führer der ZANU Mitkämpfer ^Nkomos in 4er Patriptischęn Front, wandelte er sieh zu dessen gefährlichstem Rivalen. Seine Terroristenbasis befindet sich in Mocambique. Ein früher unternommener Versuch, seine bewaffneten Formationen mit denen Nkomos zu verschmelzen, war gescheitert. Es hatte gleich zu Anfang Streit gegeben und 300 Gefallene überzeugten die beiden Bandenchefs von den Vorzügen des getrennten Marschierens. Zum vereinten Schlagen wird es indessen wohl nie kommen; eher dazu, aufeinander loszuschlagen. Als Nkomo von Moskau zurückkam, suchte Mugabe nach einem eigenen Rückhalt Er fuhr nach Peking. Von dort aus verkündete er, der Sowjetimperialismus sei noch gefährlicher und hinterhältiger als der westliche. Er hofft nunmehr, mit chinesischer Hilfe den Schalthebeln der Macht näherzukommen.

Im Gegensatz zu jenen beiden gibt sich Muzorewa, früher eher radikal, jetzt gemäßigt und verhandlungsbereit. Er ist der Führer des Vereinigten Afrikanischen Nationalrates. Zwischen dieser Organisation und der Patriotischen Front gibt es erbittertes Gezänk.

Sithole schließlich ist auf die Linie Muzorewas eingeschwenkt. Selber einem Flügel der Patriotischen Front verhaftet, beschuldigt er die ändern Führer dieser Organisation, womöglich schon vor der Erringung der Unabhängigkeit einen Bürgerkrieg an- zetteln zu wollen.

Muzorewa ist Bischof, Sithole Pastor. Fragt man aber nach den Beweggründen, die einen Afrikaner bestimmen können, seine Position zu wechseln, so reicht der Hinweis auf das christliche Substrat nicht aus. Die Seele der Schwarzen ist unergründlich. Ihre Emotionen und Reaktionen sind für Weiße oft unerklärlich und unverständlich.

Wie groß der Anhang des einen und des ändern in der Bevölkerung ist, kann niemand sagen. Angesichts der verwirrten Situation versteht man die Ratlosigkeit der Verantwortlichen in London. Es gehört jedenfalls eine große Portion Naivität dazu, anzunehmen, durch allgemeine Wahlen sei dem Lande zu helfen.

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