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Washington und der Golfkrieg

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Der Iran ist größer und strategisch für die USA wichtiger als der Irak. Amerikanische Mittelostpolitik wird längerfristig dieser Gegebenheit Rechnung tragen müssen.

Die Golfregion war in diesem Jahrhundert immer ein Interessengebiet des Westens. Bis in die sechziger Jahre war Großbritannien unmittelbar präsent. Danach folgt ein gewisses Vakuum von zwei Jahrzehnten, gefüllt durch den Schah.

Durch die iranische Revolution und die Invasion in Afghanistan wurde diese Konstellation erschüttert, und die USA fühlten sich zu direkterer Intervention veranlaßt. Der Ausbruch des Kriegs Irak-Iran im September 1980 war ein zusätzliches Moment, weil er US-Verbündete wie Saudi-Arabien bedrohte und die Legitimation für die Lieferung von Waffen und die Installierung von militärischen Einrichtungen abgab.

Solange es sich jedoch im wesentlichen um einen Landkrieg handelte, zögerten die Golf staaten, sich zu sehr an die USA anzulehnen. Mit der Verlagerung der militärischen Operationen in den Golf selbst, mit den Angriffen auf gegnerische Schiffe und die Schifffahrt überhaupt, nahm das Interesse der arabischen Golfstaaten an einer amerikanischen Präsenz zu.

Unmittelbarer Ausgangspunkt der jüngsten Krise sind innere Schwierigkeiten in Kuweit. Der Krieg hat die Spannungen zwischen den herrschenden Sunniten und den Sehnten im Lande erhöht und die Stabilität des Regimes gefährdet. Kuweit hat daher ein besonderes Interesse den Krieg zu beenden beziehungsweise sich selbst zu schützen. Dazu war die Allianz mit dem Irak nicht ausreichend. Kuweit appellierte daher an beide Supermächte.

Ein weiteres Moment war „Irangate“. Die Aufdeckung geheimer amerikanischer Waffenlieferungen an den Iran verärgerte die arabischen Staaten. Es entstand daher ein amerikanisches Interesse an einer gewissen Kompensation. Darüber hinaus sind anti-iranische Drohgebärden (besonders seit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran) in den USA populär und innenpolitisch nützlich. Schließlich bestand vom amerikanischen Standpunkt aus die Gefahr, daß sich verärgerte Araber stärker der Sowjetunion, die tatsächlich einige Fortschritte in der Golf re-gion gemacht hat, zuwenden würden. Die Ausschaltung und Zurückdrängung der Sowjetunion bleibt weiterhin ein vordringliches Ziel der Reagan-Administration.

Das heißt aber nicht, daß die USA den Sieg einer Seite im Golfkrieg wollen. Sicher hatten sie pro-irakische Sympathien zu Beginn der Kampfhandlungen, als wahrscheinlich eine Erschütterung — wenn nicht der Fall — des anti-amerikanischen Khomeini-Regimes erhofft wurde, noch dazu angesichts der Geiselaffäre.

Das kann aber keinesfalls bedeuten, wie es die iranische Propaganda darstellt, daß der Irak den Krieg sozusagen auf Bestellung des Pentagons begonnen hat. Iranisch-irakische Rivalitäten und Spannungen haben eine viel zu lange Geschichte und viel zu vielfältige Gründe, die gegen eine so simple Erklärung sprechen. Es ist hier aber nicht der Ort, auf diese Zusammenhänge einzugehen.

Eine Niederlage des Iran könnte nämlich nicht nur zur — erwünschten — Regimeänderung, sondern zu einer Desintegration des Staates selbst führen. Wie die meisten anderen Länder der Region ist auch der Iran ethnisch und konfessionell keineswegs homogen.

Eine Desintegration würde wiederum die Gefahr äußerer (besonders sowjetischer) Intervention erhöhen. Ein von der Sowjetunion noch nicht aufgekündigter Vertrag aus dem Jahre 1921 erlaubt die Installierung sowjetischer Truppen auf iranischem Territorium im Falle der Anwesenheit fremder Truppen im Iran.

Zweifellos hat die irakische Seite im Unterschied zum Iran offen um amerikanische Sympathie und Unterstützung geworben.

Das geht über Allianzen mit regionalen Verbündeten der USA wie Saudi-Arabien und Ägypten bis zu Annäherungen an amerikanische Positionen im israelischarabischen Konflikt und irakischen Auftritten vor jüdisch-zionistischen Versammlungen in den USA.

Der Grund hierfür liegt darin, daß trotz einer irakischen technologischen Überlegenheit (besonders in der Luft) entscheidende militärische Erfolge ausgeblieben sind und die Fortsetzung des Krieges für den Irak mehr Schwierigkeiten als für den Iran bringt. Daher das Interesse des Irak an einer Involvierung von regionalen und größeren Mächten, die zu einer Beendigung des Kriegs beitragen soll.

Irak hat wahrscheinlich den öl-tankerkrieg mit dieser Absicht begonnen. Eine Internationalisie-rung des Konflikts brächte schon allein wegen der relativen Isolierung des Iran Vorteile für Bagdad. .

Aber selbst wenn eine internationale Intervention (selbst mit sowjetischer Beteiligung) den Krieg im Golf (zu Wasser) beenden könnte, würde das höchstwahrscheinlich die Fortsetzung des Landkriegs bedeuten. Die Auseinandersetzung würde solange andauern, wie die Regimes, die ihn führen. Erst eine politische Lösung, die auf dem Verhandlungsweg zu erreichen wäre, könnte die Notwendigkeit militärischer Drohgebärden aufheben.

Der Krieg Irak-Iran ist die Folge alter Rivalität und neuer Spannungen. Er ist in der Region selbst entstanden und kann auf Dauer nur in und durch die Region selbst beendet werden. Die gegenwärtige verstärkte amerikanische Präsenz ergibt sich sowohl aus dem Konflikt selbst (als Folge der Politik und der Bedürfnisse des Irak) als auch aus globalen-irani-schen Interessen der USA.

Die Rolle der USA in der Golfregion kann sich aber durchaus wandeln. Je nach Kriegsverlauf, internationaler und interner Konstellation wird sich diese Rolle verändern.

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