6837833-1975_25_08.jpg
Digital In Arbeit

„Sie dürfen sich austoben“

19451960198020002020

Amir Abbas Hoveyda, schon beinahe permanenter iranischer Ministerpräsident und engster Vertrauter des Schah, bekleidet auch die Funktion des Generalsekretärs der Kastakhiz-Partei („Partei der nationalen Wiederauferstehung“) und leitet die verschiedensten Komitees. Der Ministerpräsident amtiert in einem der vier Schlösser, die den höchsten Punkt der Teheraner Palaststraße einnehmen.

19451960198020002020

Amir Abbas Hoveyda, schon beinahe permanenter iranischer Ministerpräsident und engster Vertrauter des Schah, bekleidet auch die Funktion des Generalsekretärs der Kastakhiz-Partei („Partei der nationalen Wiederauferstehung“) und leitet die verschiedensten Komitees. Der Ministerpräsident amtiert in einem der vier Schlösser, die den höchsten Punkt der Teheraner Palaststraße einnehmen.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Kürzlich hat der Schah die Prognose gestellt, daß der Iran innerhalb einer Generation zu den fünf wirtschaftlichen Großmächten gehören werde. Teilen Sie seinen Optimismus?

HOVEYDA: Unsere Entwicklungspolitik gibt uns Grund zu der Hoffnung, daß der Iran innerhalb von zwanzig Jahren, läßt man die Supermächte beiseite, tatsächlich zu den fünf bis sechs wirtschaftlichen Großmächten der Welt gehören wird. Wir haben ge-wissse Schwierigkeiten, die wir mit Vernunft überwinden und gewisse Einflußmögldchkeiten, die wir ebenfalla mit Vernunft anwenden werden. Unser Bruttosozialprodukt hat sich real um 34 Prozent pro Jahr erhöht, und für 1975 sind 43 Prozent gesichert.

FURCHE: Der Iran investiert viel — und manche Kritiker meinen, ein wenig zu hektisch — im Ausland. Gibt es da ein bestimmtes System?

HOVEYDA: Der Iran ist nicht daran interessiert, den Eiffelturm zu kaufen oder französische Feinschmeckerrestaurants. Vielmehr wollen wir auf einem Gebiet investieren, das uns auch in der modernen Technologie weiterhilft, wie das bei Krupp, Paname-rican, Babcock und Eurodiftan der Fall ist. Diese Politik will der Iran fortsetzen. Selbstverständlich soll das nur in Übereinstimmung mit den Regierungen der betreffenden Länder geschehen.

FURCHE: Aus welchen Gründen hat der Iran sein Mehrparteiensystem zugunsten der Einheitspartei aufgegeben?

HOVEYDA: Innerhalb des alten Systems — die Parteien waren über die nationalen Fragen sowieso einer Meinung — gehörten viele bedeutende Persönlichkeiten der Opposition an und konnten deswegen keine gehobenen Posten bekleiden. Nunmehr steht ihrer aktiven Teilnahme an der Entwicklung des Landes nichts mehr im Wege. Da in der Einheitspartei die verschiedensten Tendenzen vertreten sind, bleibt genug Spielraum für einen fruchtbaren Dialog.

FURCHE: Man hört, daß es 40.000 politische Gefangene im Iran geben soll. Entspricht das den Tatsachen, Herr Ministerpräsident?

HOVEYDA: Mein Gott, man müßte schon unzählige Gefängnisse halben, um 40.000 Gefangene unterbringen zu können. Es handelt sich um eine Legende, die nicht stirbt. Sicherlich wird der Iran keine subversive Armee dm Lande erlauben. Sicherlich verteilt die iranische Polizei keine Rosen, aber sie hält die Ordnung aufrecht. Wenn ein Staatsbürger gegen die Verfassung verstößt, gefährdet er sich eben selbst. Wie Sie ja wissen, streben wir danach, das Land zu entwickeln und können uns dabei keine permissive Gesellschaft leisten.

FURCHE: Für viele Jugendliche ist das Wort „SAWAK“ ein Schreckensbegriff. Welche Bewandtnis hat es damit?

HOVEYDA: Man spricht in der Presse von vielen Dingen, von CIA, von SSODC, dieser französischen Organisation, man spricht auch von SAWAK. SAWAK ist ein Sicherheitsdienst wie alle anderen, und er 'hat eine ganz bestimmte Aufgabe innerhalb des Rahmens der iranischen Gesetze. Dadurch wird auch verhindert, daß es im Iran Baader-Meinhof-Banden gibt.

FURCHE: Warum kauft der Iran so viele Waffen?

HOVEYDA: Wie Sie wissen, leben wir in einer nicht sehr stabilen Region. Daher muß der Iran, durch für ihn günstige Bündnisse ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen, seine unabhängige nationale Politik und den Frieden durch das notwendige Verteidigungspotential und eine Position der Stärke wahren. Sehen Sie, eine Nation kann keine Unfallversicherung abschließen, wie jemand, der sich ein Haus, ein Auto oder sonst etwas kauft. Da bleibt eben nur die ausreichende Verteidigung, die einen potentiellen Gegner zum Nachdenken zwingt und ihn von vornherein abschreckt. Vergessen Sie eines nicht: der Persische Golf ist unsere Lebensader und nicht nur unsere, sondern bis zu einem gewissen Grad auch die Ihre. Durch ihn werden täglich fünf Millionen Tonnen öl, persisches und arabisches, nach Europa und Japan verschifft. Niemandem kann mit einem Krieg gedient sein, weder mit einem militärischen, noch einem wirtschaftlichen. Wir werden die Sicherheit am Persischen Golf gewährleisten und sind auch zu einem Bündnis mit den Ländern, die an diesem Golf liegen, entschlossen. Im Augenblick ist die Präsenz der Supermächte dort nicht notwendig.

FURCHE: Welche Rückwirkung für diese Region sehen Sie im sinkenden Prestige der Vereinigten Staaten durch die Watergate-Affäre, die Vietnam-Tragödie und Henry Kissingers bisher mißglückten Versuch einer Vermittlertätigkeit im Nahen Osten?

HOVEYDA: Diese Fragen sollten Sie eigentlich Herrn Kissinger stellen, nicht mir. Aber ich glaube, daß die Vereinigten Staaten immer um eine Übereinkiunft zwischen Israel und den arabischen Staaten bemüht waren. Wir hoffen auf Mittel und Wege, die es uns ermöglichen, eine Ubereinkunft zu fördern und so einen neuen Krieg zu vermeiden. Pflicht und Aulgabe jeder Nation bleibt es, sich zu verteidigen. Und die Vereinigten Staaten sind eine Supermacht, die dazu prädestiniert ist, bei der Erhaltung des Weltfriedens eine wichtige Rolle zu spielen.

Mit dem iranischen Ministerpräsidenten HOVEYDA sprach FURCHE-Mitartteiter Alfred Joachim Fischer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung