Liebe in Zeiten des Krieges

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Wie ein besorgter Bürger mit den Mitteln des Internet eine Solidaritätswelle zwischen Iranern und Israelis auslöst. Zeugnisse der Auflehnung gegen den Hass.

Es ist eine der hartnäckigsten Traditionen der Politik, dass die Bürger ausgerechnet bei jenen Ereignissen, welche sie am allermeisten betreffen das allergeringste Mitspracherecht haben: bei Kriegen. Da gibt es zwar politische Treffen und Ultimaten von Regierungen, es werden Sanktionen verhängt und Missionen entsandt. Aber die betroffenen Menschen fragt niemand mehr.

Ronny Edry, ein Grafiklehrer und junger Familienvater aus Tel Aviv wäre im Fall eines Krieges zwischen Israel und dem Iran ein solcher ohnmächtiger, ungefragter Bürger - und er hat beschlossen, diese Rolle nicht anzunehmen. Er hat seiner Angst vor einem Krieg über facebook Luft gemacht - in einer Videobotschaft für Frieden und gegen eine auf Gewalt zielende Politik. Dazu postete er ein Foto, auf dem er mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm zu sehen ist (Bildcollage oben links) - mit dem Titel "Iranians, we will never bomb your country, we love you.“ Der Erfolg war durchschlagend: Die Videobotschaft sahen sich inzwischen 670.000 Seher auf Youtube an, auf facebook hat "Israel loves Iran“ schon über 54.000 Freunde.

Mehr noch: Binnen 21 Tagen hat sich gegenüber der harten Weltpolitik eine virtuelle Parallellwelt entfaltet, in der israelische Bürger mit iranischen Bürgern kommunizieren - nicht darüber, was sie trennt, sondern über das, was sie eint. Im Folgenden sollen ihre persönlichen Geschichten gegen jene Ereignisse gesetzt werden, welche die politische Meldungslage prägen. Versuch eines Realitäten-Abtauschs.

Am 4. April berichtet Channel 10 über die möglichen Folgen eines Militärschlages: "Israelische Militärs rechnen im Fall eines Krieges mit dem Iran mit 300 Toten im eigenen Land, sollte der Konflikt drei Wochen dauern und an mehreren Fronten stattfinden. Bei Beratungen des israelischen Sicherheitskabinetts beschrieben Militärexperten ein "Worst-Case-Szenario“, bei dem Tausende Raketen aus dem Libanon, Syrien und dem Gazastreifen als Teil eines Gegenschlags des Iran auf Israel niedergehen würden.

facebook Israel:

"An das Iranische Volk. An alle Väter, Mütter, Kinder, Schwestern und Brüder. Seit Monaten hören wir Politiker über einen Krieg zwischen Israel und Iran reden. Ich kenne keinen Iraner. Niemand von Euch hat mir je weh getan. Für einen Krieg müssten wir uns doch aber vor einander fürchten und einander hassen. Aber ich fürchte mich nicht vor Euch. Ich bin sicher der Mann, der im Fernsehen für den Iran auftritt und Israel hasst, spricht nicht in Eurem Namen. Ich selbst bin kein offizieller Repräsentant meines Landes. Ich bin ein einfacher Bürger, ein Lehrer und Vater zweier kleiner Kinder. Ich spreche hier für meine Nachbarn, meine Schüler, meine Freunde und meine Familie und im Namen aller sage ich Euch: Wir wollen Euch nichts Böses. Im Gegenteil. Wir mögen euch. Wir sollten uns lieber treffen und bei einem Kaffee über Sport quatschen. An alle, die das Selbe bewegt: Schließt Euch an, um das iranische Volk zu erreichen.“

Ronny Edry, Tel Aviv

Am 17. März meldet die staatliche iranische Nachrichtenagentur Fars: "In der Drohkulisse um einen möglichen Angriff Israels auf Ziele im Iran hat der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani Israel fehlenden Mut unterstellt. "Wie bellende Hunde, die nicht angreifen, macht auch Israel viel Aufhebens um Iran, aber am Ende hat es nicht den Mut zum Angriff“, sagte Ali Larijani. Gleichzeitig vertrat Larijani die Auffassung, dass Israel auch "nicht den Fehler“ eines Angriffs gegen den Iran machen würde, da es dann "mit dem eigenen Schicksal spielt.“

facebook Iran:

"Vor einigen Jahren lagen die Militäranlagen im Iran noch weit außerhalb der Stadt jetzt sind sie mitten in den Städten. Sie weigern sich die Lage zu verändern, weil sie wissen, dass im Falle eines Angriffs eine Menge unbewaffneter Zivilisten getroffen würden. Das wäre schlecht für den Angreifer. Viele Leute außerhalb des Iran wissen nicht, was hier vor sich geht. Sie denken das Volk wäre genau so wie die Regierung. Das stimmt nicht. Wir sind für sie nur menschliche Schutzschilde.“

Anonymus

Am 27 März berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg: "US-Außenministerin Hillary Clinton hat den Iran gewarnt, dass die Zeit für eine diplomatische Lösung im Atomstreit nicht unbegrenzt sei. Es werde bald klar sein, ob die iranische Führung zu ernsten, glaubwürdigen Diskussionen über ihr Nuklearprogramm bereit sei, sagte Clinton laut der Agentur Bloomberg am Samstag während eines Besuches in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Sie bezog sich dabei offensichtlich auf geplante neue Gespräche der fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates und Deutschlands mit iranischen Vertretern. Sie sollen am 13. und 14. April in Istanbul stattfinden.“

facebook Iran:

"Hallo. Ich bin aus dem Iran und würde Eure Aktion gerne unterstützen Aber ich habe Angst. Hier kommt man ins Gefängnis, wenn man mit Israelis Kontakt hat. Ich hasse den Krieg und ich mag das israelische Volk.“

Anonymus

Am 25. März sagt US-Präsident Barack Obama in Seoul über die Bemühungen den Konflikt mit dem Iran zu entschärfen, dass es noch Zeit gebe, um die "Pattsituation durch Diplomatie“ zu lösen. Das Zeitfenster für eine solche Lösung würde sich aber bald schließen. Fünf Tage später verschärften die USA ihre Sanktionen gegen den Iran. Vorgesehen sind Strafen für Banken, die Geschäfte mit der iranischen Zentralbank, die den iranischen Ölhandel abwickelt.

facebook Iran:

"Ich bin Iranerin. Vor sieben Jahren habe ich beim Studium in Minsk einen Israeli kennengelernt. Er war die Liebe meines Lebens. Aber nach vier Jahren Kampf mussten wir einsehen, dass es für uns zusammen keinen Platz gibt, weder in Israel noch im Iran. So habe ich ihn verloren wegen dieser dummen Politik. Hier sitze ich und weine noch immer. Der Schmerz wird in meinem Herzen bleiben. “

Anonymus

Am 30. März fordert der israelische Vizeregierungschef Moshe Yaalon den Westen auf, im Zweifel strategische Ölreserven anzuzapfen, um den Einfuhrboykott iranischen Öls im Atomstreit durchsetzen zu können. Der Westen gehe nicht entschlossen genug gegen das iranische Atomprogramm vor, weil er Angst vor hohen Ölpreisen habe, sagte Yaalon dem deutschen Nachrichtenmagazin "Focus“. "Es darf kein Tropfen Öl vom Iran gekauft werden.“

facebook Israel:

"Unsere Politiker sollen übereinander sagen, was sie wollen. wichtig ist, dass wir miteinander reden. Das wird die Mauern des Hasses erschüttern. Hier bin ich, mein Name ist Shay Fleishon, ich bin eine Israeli und ich mag das iranische Volk. “

Shay Fleishon, Tel Aviv

Kairo, 27. März. Der langjährige Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), Mohammed ElBaradei, warnt Israel eindringlich vor einem Krieg gegen den Iran. "Jeder, der den Iran angreift, ist völlig verrückt“, sagt der Friedensnobelpreisträger in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Das würde die gesamte Region zerfetzen.“

facebook USA:

"Eure Kampagne zeigt, was Präsident Eisenhower meinte, als er sagte: "Langfristig tun die einzelnen Völker mehr für den Frieden als ihre Regierungen. Sie werden den Frieden einmal so sehr wünschen, dass die Regierungen beiseite treten und ihnen diesen Frieden einfach gewähren müssen.“

Lenny Doon, Ohio

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