"Was haben Zweitfrauen und Atomenergie gemeinsam? - Sie sind unser legitimes Recht." Dieser im Iran kursierende sms-Witz zeigt, dass zumindest iranische Männer dem mehr und mehr mit einer Ölkrise einhergehenden Atomstreit immer noch humorvolle Seiten abgewinnen. Hierzulande ist vielen angesichts der steigenden Benzinpreise und/oder der wachsenden nuklearen Bedrohung das Lachen indes völlig vergangen.
Als nicht aufs Auto angewiesener und daher Tankstellen-Anzeigen weitgehend ignorierender Pendler bilde ich mir im Gegensatz dazu ein, diesen Konflikt noch halbwegs sachlich und mit weniger Schaum vor dem Mund betrachten zu können. Und da fällt mir auf:
Im Gegensatz zum koreanischen Diktator Kim Jong Il, mit dem die Amerikaner ihren letzten Atombomben-Strauß ausgefochten haben, besitzen die Iraner nicht nur das Erste-Klasse-Druckmittel Erdöl, um ihren Forderungen weltweites Gehör zu verschaffen; die Ayatollahs rund um und mit Khamenei und Präsident Ahmadinedschad haben auch das Potenzial sich über den muslimischen Raum hinaus als Alternative zum us-dominierten Welt-, Wirtschafts-und Wertesystem anzubieten.
"Gerechtigkeit" ist das am meisten verwendete Wort im kürzlich abgeschickten Brief des iranischen Präsidenten an sein amerikanisches Visavis. Und was Jesus-Zitate betrifft steht Ahmadinedschad seinem in dieser Hinsicht auch nicht gerade zurückhaltenden Kollegen Bush keineswegs nach. Wären da nicht die Holocaust-Leugnungen, die offenen Kriegsdrohungen an Israel und gewisse Vorbehalte gegen das Mullah-Regime in Teheran, Ahmadinedschad hätte das Zeug zu einem iranischen Chávez hoch drei samt den dazugehörigen Hoffnungen aller us-kritischen Geister zu werden. Und das fürchten die Amerikaner ganz sicher noch mehr als die Bombe.
wolfgang.machreich@furche.at
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