SAID: Iranischer Golem

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Nach dem vereitelten Attentat auf den iranischen Präsidenten kursiert in Teheran ein Witz: "Bitte keine Witze über den Märtyrer Ahmadinedschad."

mahmud ahmadinedschad ist ein kind der islamischen revolution. dieses kind ist nun ein soldat der revolution geworden. seine kriegerischen fähigkeiten hat er in der libanesischen terrorszene unter beweis gestellt. dort war er der pate des terrors, der im hintergrund die fäden zog - organisatorisch und logistisch. dann ist er oberbürgermeister von teheran geworden und infolge dessen recht populär. er ging zu fuß in die häuser der armen, aß und trank mit ihnen und wollte partout "einer der barfüßigen" sein. sein persisch und sein erscheinungsbild erinnern an die hilfskellner in den teheraner teehäusern - und er pflegt dieses bild perfekt.

die islamische revolution hat einen golem geboren; und der ist nun nationalist - eine ironie der geschichte. seine drohgebärden schüren den iranischen nationalismus und nähren sich davon. diese offensive erlaubt er sich, weil er meint, die usa könnten sich im augenblick keine militärische konfrontation mit dem iran suchen - der irak-krieg kostet die usa täglich 1.000.000.000 dollar.

und womit droht er israel? in einer zeit, in der mehrere arabische länder israel anerkannt oder de facto anerkannt haben; in einer zeit, in der die palästinensischen autoritäten mit ihren israelischen amtskollegen auf mehreren ebenen kooperieren, ist seine drohgebärde eher lächerlich und vor allem aber deja-vu.

viele beobachter behaupten, daß die iranischen mittelstreckenraketen schahab-3 - mit einer reichweite bis zu 2000 kilometern - jeden beliebigen teil israels treffen könnten. damit brüstet sich ahmadinedschad mit vergnügen, aber hinter vorgehaltener hand. wäre der iran allerdings imstande, israel anzugreifen, hätte israel längst zugeschlagen - präventiv natürlich. eine praxis, die wir aus der vergangenheit kennen.

doch nichts spricht dafür, daß die islamische republik israel direkt angreift. und vieles spricht dafür, daß der präsident seine kontakte zu der terrorszene aktiviert, sie mit waffen und geld unterstützt und gegen israel hetzt.

apropos atomare gefahr!

auf welchem orientalischem basar hat herr präsident die urananreicherungsanlage gekauft?

die wahrheit ist prosaischer. die selben industrienationen, die klammheimlich die waffen verkauft haben - mit einer immensen gewinnspanne - wollen jetzt lauthals "die iraner wieder zur vernunft bringen", wie es der französische außenminister formuliert hat. ein postkolonialer duktus, der in teheran den nationalismus noch mehr schürt.

es wird des weiteren gemunkelt, daß der iran die straße von hormus am persischen golf blockieren und damit den internationalen ölexport behindern könnte. dies käme einem harakiri gleich - für die geschwächte iranische wirtschaft wäre das tödlich. ahmadinedschad schreit laut von krieg, um nichts über die wirtschaftliche lage zu sagen - 40 prozent jugendarbeitslosigkeit ist nur ein beispiel. die einzige überlebenschance, die der präsident hat - es klingt grotesk -, ist eine wirtschaftliche kooperation mit der usa; denn der iran braucht dringend investoren. macht er vielleicht mit seinem geschrei auf sich aufmerksam?

ist ahmadinedschad nun lunte oder pulver? hat dieser popanz noch die unterstützung der konservativen im lande? viele äußerungen der mullahs signalisieren eine distanzierung von ihrem präsidenten. die intriganten alten männer sitzen auf der lauer und hoffen, daß die lunte endlich feuer fängt - ein attentat hat ahmadinedschad bereits überlebt. die amtliche iranische nachrichtenagentur beeilte sich, der welt mitzuteilen, daß das attentat nicht dem präsidenten, sondern einem leibwächter galt. und schon kursiert in teheran folgender witz: "bitte keine witze über den märtyrer ahmadinedschad!"

in der tat wird diese figur von einer großen mehrheit der iraner nicht ernstgenommen - auch außerhalb des landes. wie er allerdings zu diesem "wahlsieg" gekommen ist, dürfte den kennern der iranischen politik nicht fremd sein - von manipulation verstanden die mullahs immer etwas.

die hauptgefahr dieses präsidenten ist in erster linie gegen die eigene bevölkerung gerichtet. die zahl der hinrichtungen hat seit der machtübernahme zugenommen - 92 fälle. besonders gern und scharf geht er gegen die presse und verlage vor. offensichtlich will er "die lasche zeit" seines vorgängers vergessen machen. es ist zu erwarten, dass er bald auch gegen die frauen eine große kampagne startet.

Der Autor ist Lyriker, 1947 in Teheran geboren, lebt seit 1965 in Deutschland.

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