Ein abgekartetes Spiel

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Der dubiose Wahlausgang hat den Umgang der Staatengemeinschaft mit dem Iran nicht erleichtert, schreibt die "Frankfurter Rundschau".

Erst lieferte sich die Islamische Republik den härtesten und offensten Wahlkampf ihrer Geschichte, dann präsentierte das regimetreue Innenministerium am Morgen nach dem Urnengang mit Rekordbeteiligung ein Endergebnis, das zum Himmel stinkt. Bereits eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erklärte die staatliche Nachrichtenagentur Irna "Doktor Ahmadinedschad" zum Sieger. Kurz danach offenbarte der oberste Wahlleiter als ersten Zwischenstand eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Präsidenten. Dabei blieb es.

Durchaus möglich, dass Amtsinhaber Ahmadinedschad in der ersten Runde tatsächlich die meisten Stimmen hat auf sich vereinigen können. Doch nach dem Eindruck der gewaltigen Menschenkette, die Anhänger des konservativen Kandidaten Hussein Mussawi, des wichtigsten Herausforderers des Präsidenten, gebildet hatten, wollte das Regime offenbar auf keinen Fall eine Stichwahl riskieren. So trat es mit dem märchenhaften Ergebnis für seinen Vormann die Flucht nach vorne an. Seitdem entlädt sich die Empörung über diesen dreisten Coup in Straßenschlachten, wie sie die Islamische Republik seit mehr als zehn Jahren nicht mehr erlebt hat.

Jede Menge Unregelmäßigkeiten

Die Wahl war eine durchsichtige Inszenierung, eine Art Billigkopie der Wahlabende in großen Demokratien mit ihren frühen, präzisen Hochrechnungen. Nur fehlen im Iran für solch komplexe Prognosen alle Voraussetzungen. Es gibt keine repräsentativen Meinungsumfragen, es gibt keine Nachwahlbefragungen und es gibt keine entsprechenden Computerprogramme.

Was es allerdings gab, waren jede Menge Unregelmäßigkeiten. Beobachter der Opposition wurden am Zugang zu den Wahllokalen gehindert. SMS und Internet - die beiden wichtigsten Kommunikationsplattformen der Reformer - funktionierten nicht oder nur schlecht. Es wurden 13 Millionen mehr Stimmzettel gedruckt, als es Wahlberechtigte im Iran gibt. Und von den 45.000 Wahlurnen waren 14.000 "mobil". Sie waren eigentlich gedacht für Krankenhäuser und Altersheime, wurden diesmal aber eingesetzt in Hunderten von Kasernen der Revolutionären Garden, der Armee und der Basij-Milizen, um dort "Stimmen" einzusammeln.

[…]

Eine Neuwahl zu erzwingen, ist unwahrscheinlich

Der internationalen Staatengemeinschaft hat das dubiose Ergebnis den Umgang mit dem Iran nicht erleichtert. Dass die betrogenen Herausforderer und ihre Anhänger eine Neuwahl erzwingen können, ist eher unwahrscheinlich. So sind die moderaten Kräfte auf Jahre zurückgeworfen, nimmt die Macht der Hardliner stärker diktatorische Züge an. Dennoch könnte Ahmadinedschad auf Washington in Zukunft geschmeidiger reagieren, weil auch er weiß, dass Obama wegen seines weltweiten Prestiges in der Lage ist, wirklich schmerzhafte Sanktionen zu organisieren.

Das schärfste Instrument hat der UN-Sicherheitsrat bisher gegen Teheran noch nicht eingesetzt: einen Lieferstopp für Benzin. Der viertgrößte Ölexporteur der Welt kann nur zwei Drittel seines Spritbedarfs aus eigenen Raffinerien decken. Den Rest muss er im Ausland kaufen. Würde dieser Hahn zugedreht, wäre wohl das ganze Volk auf den Barrikaden.

Das Regime in Teheran musste eine Stichwahl fürchten. Sie hätte der Opposition weiteren Auftrieb gegeben. Also riefen die Hardliner den Amtsinhaber gleich zum Sieger aus.

* Frankfurter Rundschau, 15. Juni 2009

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