Irans Afghanistan-Dilemma

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Die lange Grenze zum Nachbarn Afghanistan macht Teheran Sorgen und bringt das Regime in die Zwickmühle: Kooperation mit den USA – ja oder nein?

Es ist noch kein Jahr her, dass der Iran im ersten offiziellen Treffen mit einem hohen Vertreter der USA seit drei Jahrzehnten Zusammenarbeit im krisengeschüttelten Afghanistan versprach. Seither aber hat sich in den radikalisierten Führungskreisen des Irans der Hass auf den „Großen Satan“ bis zur Paranoia gesteigert. Teherans Bereitschaft zur Kooperation sackte auf den Nullpunkt. Totale Distanz zu den „Mächten der Arroganz“, wie sie Revolutionsführer Khomeini gebot, gewinnt in Führungskreisen wieder neue Attraktivität.

Dass der „Islamischen Republik“ eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung ihres östlichen Nachbarn zukommt, ist längst unbestritten. Dabei haben der Iran und dessen Erzfeind USA gemeinsame Interessen und gemeinsame Aversionen: Beide wollen eine Regierung in Kabul, die Aufständische, insbesondere die radikalen Sunniten der Taliban und Al-Kaida, in Schach zu halten vermag, dem blühenden Rauschgifthandel Einhalt gebietet, den totalen Zusammenbruch des Staates und damit erneute Massenflucht in den Iran verhindert.

So hatten die Iraner den USA 2001 beim Sturz des Taliban-Regimes wertvolle Hilfe geleistet, hatten Kämpfer der mit den USA verbündeten afghanischen Nord-Allianz bewaffnet und trainiert. Doch als US-Präsident Bush dies offiziell nicht nur nicht anerkannte, sondern den Iran auch noch in seine „Achse des Übels“ einschloss, brach in Teheran alter Zorn über die „Weltarroganz“ neu auf.

Iran ist weit besserer Nachbar als Pakistan

Dennoch erwiesen sich die Iraner auch anschließend als weit bessere Nachbarn als das von Washington hofierte Pakistan. Teheran investiert Millionen in den Wiederaufbau von Infrastruktur und Industrie in den Westprovinzen, baut Straßen und Zugsverbindungen, unterstützt ein Autobahnprojekt durch West-Afghanistan nach Indien, errichtet Schulen und Hospitäler, gewährt humanitäre Hilfe, versucht die lange, poröse Grenze gegen Rauschgiftschmuggler abzuriegeln und hält sich von größeren Intrigen in Kabul fern.

Iran verbinden historische, religiöse und kulturelle Bande mit den Minderheiten West- und Zentral-Afghanistans, den (schiitischen) Hazara, den Tadschiken und Usbeken. Dank iranischen Beistandes geht es diesen Menschen heute ökonomisch weit besser als der Bevölkerung des Ostens. Teheran lässt auch beträchtliche Mengen an Bargeld in die Taschen von Stammesführern fließen, um sich in der Region Einfluss zu erkaufen. Zusätzlich hilft dabei das oft bemühte Argument: „Die Amerikaner bleiben zehn oder 20 Jahre hier – wir für immer.“

Die verschärften Spannungen mit den USA bringen die Iraner aber in ein schweres Dilemma. Eine Rückkehr der Taliban, die ihr „Geistlicher Führer“ Khamenei als „Affront gegen den Islam“ verdammt, wollen sie unter allen Umständen vermeiden. Ebenso wenig liegt die Stabilisierung einer fest mit dem Westen verbündeten Regierung in Kabul im Interesse des „Gottesstaates“, solange dieser sich nicht selbst mit den USA ausgesöhnt hat. Nicht zuletzt könnten die USA ihre Militärstützpunkte in Afghanistan für einen Präventivschlag gegen Irans Atomanlagen nützen. So bereiten sich die Iraner auf eine Konfrontation mit den Amerikanern im Osten vor. Dabei gewinnt die Todfeindschaft mit den Taliban untergeordnete Bedeutung.

Iran kann den USA in Afghanistan zusetzen

Teheran verfügt zweifellos über diverse Mittel, um den USA in Afghanistan schwer zuzusetzen. Der Kommandant der für Auslandseinsätze zuständigen „Quds-Einheit“ der Revolutionsgarden, General Suleimani, hatte schon im Irak höchst erfolgreich mit den von ihm ausgebildeten schiitischen Milizen zuerst gegen die USA und später in deren Interesse agiert. Auch politisch kann der Iran, die USA und deren Verbündete in Kabul massiv unter Druck setzen, indem er Gruppen der Hazara, Tadschiken und Usbeken, von denen viele die Nord-Allianz unterstützen, zum Widerstand gegen Karzai ermutigt.

Vorerst aber deutet nichts darauf hin, dass sich die Iraner zu einem derart radikalen Schritt entscheiden würden. „Teheran würde viel mehr verlieren als die USA, wenn Afghanistan wieder zu einem von der Al-Kaida verseuchten und den Taliban kontrollierten Rauschgiftstaat entartet“, meint Iran-Experte Marim Sadjapour. „Gemanagtes Chaos“ erscheint Teheran deshalb in Ermangelung einer klaren Strategie das Zauberwort. Die Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma löst heftige Debatten in der iranischen Führung aus, wo mittlerweile jene den Ton angeben, die jegliche Kooperation mit den USA ablehnen. Andererseits irritiert das Regime die Möglichkeit, Obama könnte mit seiner Strategie Erfolg haben, gemäßigte Taliban in einen Stabilisierungsprozess einzubinden. So drängen Kreise im Parlament auf maßvolle Zusammenarbeit mit den USA. Solange aber Irans interne Krise nicht gelöst ist, wird sich das Regime zu keiner klaren Strategie durchringen können. Denn es geht auch bei Afghanistan primär um die seit den Tagen der Revolution virulente Streitfrage des Umgangs mit dem „Großen Satan“.

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