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Die west-ostlichen Wohltater

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Mit seiner Rundfahrt durch die unruhige Provinz Belutschistan in der letzten Juliwoche verfolgte der pakistanische Ministerpräsident Bhutto den doppelten Zweck, an-gliederungsfreudige Politiker in dem benachbarten Afghanistan zu entmutigen und lokale Stammesführer für sich zurückzuigewinnen Der afghanische Präsident Daud, der für sich in Anspruch nimmt, der Protektor der unzufriedenen Pathanen und Belutschis jenseits der Grenze zu sein, wirbt für die Gründung eines eigenen Staates unter dem Namen Pathunistan.

Das ist nun keineswegs neu. Weil aber dieser Staat quer durch halb Pakistan verlaufen würde und die Sowjetunion den Gedanken, wie berichtet wird, vorsichtig gutgeheißen hat, obwohl sie die Afghanen gleichzeitig eindringlich vor der militärischen Übermacht des Nachbarlandes warnte, überrascht es nicht, daß Butto ihn als eine Verschwörung gegen die Existenz seines Landes bezeichnet.

Die sowjetische Regierung fördert Afghanistan in jeder Weise, weil es der einzige Staat an der sowjetischen Südgrenze ist, der an China grenzt und mit dem Westen nicht verbündet ist Der Präsident Daud kam aus Moskau mit einem zehnjährigen, zinslosen Zahlungsaufschub für die geschuldeten hundert Millionen Dollar, einem Darlehen von einer halben Milliarde Dollar und einer Verdoppelung des Preises für das Erdgas zurück, das sein Land an die Sowjetunion liefert, während die Moskaureise Bhuttos wider jedes Erwarten auf Ende Oktober verschoben wurde.

Immerhin geben die Sowjets den Afghanen noch nicht die modernen Waffen, um die sie ersucht haben, und zwar mit der Begründung, die afghanische Armee verfüge noch nicht über die erforderliche Ausbildung für ihren Einsatz. Aber der in Kabul aufkommende Groll wurde schnell ausgelöscht, als die Regierung die Einzelheiten der gewährten Hilfe bekanntgab.

Daud ist sich des Nutzens der geographischen Lage eines Landes am Kreuziunigspunkt der Interessen der Großmächte durchaus bewußt und hat sich die entsprechende politische Technik des Ausspielens von Mächten zu eigen gemacht. Als Gegengewicht gegen die Sowjetunion betrachtet er Indien und den Iran. Mehr und mehr afghanische Offiziersschüler werden zur Ausbildung naoh Indien geschickt, wo sie zwar den Umgang mit sowjetischen Waffen erlernen, aber außerhalb der Reichweite sowjetischer Indoktrina-tion sind. Inder kommen in wachsender Zahl als Regierungsberater nach Kabul

Neuerdings macht nun der Iran Moskau als Wohltäter Afghanistans Konkurrenz. Sowohl die Sowjetunion als auch Teheran haben sich bereit erklärt, den Preis für nach Afghanistan geliefertes Erdöl auf dem Stand vor der Erhöhung im letzten Oktober einzufrieren. Dadurch entgeht das Land der Energiekrise mit allen ihren wlrtschaftsschädigenden Auswirkungen. Der Schah ist deshalb so sehr bereit, Kabul jede mögliche Hilfe zu gewähren, weil er mit Sorge das Wachstum des sowjetischen Einflusses im mittelasiatischen Bereich beobachtet und nach Mittel und Wegen sucht, ihn zu stoppen bzw. zurückzudrängen.

Teheran erwägt deshalb auch den Bau einer Transitstraße, die hauptsächlich dem afghanischen Außenhandel zugute kommen soll. Würde das Projekt in absehbarer Zeit realisiert, dann verfügte Kabul über eine Verkehrsverbindung, dde es weitgehend von der Sowjetunion und von dem pakistanischen Hafen Karatschi unabhängig macht. Der afghanische Handel wäre dann erheblich freier in seinem Zugang zum Welthandel.

Trotz der großen Unterstützung, die ihm während seines ersten Regierungsjahres seine reichen Nachbarn zuteil werden ließen, war Präsident Daud gezwungen, daheim hart zu kämpfen, um seine politische Grundlage zu verstärken und Vertrauen für seine Regierung zu gewinnen. Die Löhne wurden zwar seit dem Sturz der Monarchie erhöht, aber die Lebenshaltungskosten sind viel schneller gestiegen. Kleine Reformen, wie eine bescheidene Verteilung von Land und ein neues Investitionsgesetz, haben die Oberfläche des Lebens und die Situation des arbeitenden Volks kaum verändert. Die versprochene Verfassung läßt weiter auf sich warten. Die Afghanen scheuen den Umgang mit Ausländern, der ihnen schlecht ausgelegt werden könnte, und die Regierung fürchtet eine potentielle Opposition sowohl von rechts als von links. Die Auseinandersetzungen des Präsidenten mit dem jungen, sowjetisch ausgebildeten und gedanklich geschulten Offizieren, die den Staatsstreich inszenierten, ist noch längst nicht ausgestanden. Daud ließ vor zwei Monaten zweihundert von ihnen zusammen mit Mitgliedern der radikalen rechtsstehenden Muselmanischen Bruderschaft verhaften. Aber die angestrebte innenpolitische Beruhigung ist dadurch nicht erreicht worden.

Als hoffnungsvoll für die Zukunft lassen sich der Rundgang der öffentlichen Korruption und die Verbesserungen im Staatsdienst bezeichnen. Der 66jährige Daud gilt als starker Charakter und ungemein geschickter Politiker. Aber es fragt sich, ob er der richtige Mann ist, um das zurückgebliebene Afghanistan voranzubringen.

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