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So entstand ein Monster

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Heute ist der Krieg gegen Amerika eine Priorität des Islam, sagt der tunesische Islamistenführer Rashid Ghanouchi. Noch in den achtziger Jahren wurden Moslems von den USA unterstützt.

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Heute ist der Krieg gegen Amerika eine Priorität des Islam, sagt der tunesische Islamistenführer Rashid Ghanouchi. Noch in den achtziger Jahren wurden Moslems von den USA unterstützt.

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Damals war die Zeit des Kalten Krieges. In ihrem Willen, das „Reich des Bösen“, die Sowjetunion, zu destabilisieren. Die Mud- schahedin kämpften gegen die Invasion der Roten Armee in Afghanistan, sie konnten vom Geheimdienst CIA als Rebellen bestens genützt werden.

In Wirklichkeit haben die USA ein Monster geschaffen. Heute noch muß man den Preis dafür bezahlen, und der ist sehr hoch. Man sagt, daß für den Rückkauf von Stinger-Rake- ten auf dem Schwarzen Markt (die man seinerzeit den afghanischen Rebellen gegen die Rote Armee zur Verfügung gestellt hatte) 55 Millionen Dollar aus dem CIA-Budget 1993 veranschlagt wurden. Heute hat die CIA Angst, daß islamische Terroristen diese Missiles gegen westliche Zivilisten einsetzen könn ten. Das erklärt auch die vielen Ostreisen von CIA-Agenten mit Koffern voller Geld. Experten behaupten, daß man damit das Stillschweigen der ehemaligen Proteges erkaufen will - denn die Amerikaner haben viel zu verbergen und die Islamisten verfügen über große Dossiers über die Amerikaner in dieser Sache.

Die Geschichte begann 1979, als die CIA gerade eine große Depression erlebte. In diesem Augenblick, als auf Druck des Kongresses viele Agenten entlassen wurden, kam der antikommunistische Kampf gerade recht. Man begann mit einer kleinen Operation, die sich aber sehr rasch ausweitete: man wollte das nationalistische Feuer in den moslemischen Sowjetrepubliken Zentralasiens anfachen. Unter persönlichem Schutz von Zbigniew Brzezinski vom Nationalen Sicherheitsrat in der Ära Jimmy Carters wurden kleine Gruppen islamischer Nationalisten in Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan aufgebaut. Die Initiatoren dachten, die Moslems könnten ein größeres Desaster als die anderen Nationalitäten in der Sowjetunion anrichten.

Der Einmarsch der Sowjets in Afghanistan am 27. Dezember 1979 war für die Amerikaner ein Glücksfall. Die geheimen Operationen zusammen mit dem pakistanischen Geheimdienst und den Hilfskanälen wurden in der Reagan-Bush-Administration augenblicklich verstärkt. Durch ein CIA-Büro in Frank- furt/Main wurden Kontakte mit afghanischen Emigranten aufgenom men, von denen man annahm, daß sie bestens motiviert waren, als Agenten via Pakistan infiltriert zu werden.

UNDANKBARE ISLAMISTEN

Mit großem Enthusiasmus hat Washington die moslemischen Rebellen von Marokko bis Indonesien unterstützt und die Fundamentalisten zum Dschihad gegen das Reich des Bösen ermutigt. In Brooklyn in New York wurde 1982 sogar ein Zentrum zur Rekrutierung von Agenten eröffnet. Zuletzt gab es 17 solcher Zentren in den USA. In Brooklyn arbeitete der Ägypter Mustafa Shalabi, der später dem Scheich Abdel Rahman zu seiner Einreise in die USA verhalf; Rahman soll das Attentat auf das World Trade Center in New York inspiriert haben.

In Kooperation mit Islamabad glaubte Washington alles, was Pakistanis über die Rebellen in Afghanistan berichteten. Das ist auch der Grund, warum die Amerikaner aus sieben Gruppen des afghanischen Widerstands die am meisten antiwestliche, jene von Gulbuddin Hekmatyar, auswählten. Man verfolgte eine Doppelstrategie: zuerst die Sowjets schlagen, dann einen sunnitischen Fundamentalismus ermutigen, um den schiitischen Integralis- mus zu neutralisieren. Aber man hat auf das falsche Pferd gesetzt: 1987 schloß Hekmatyar mit Teheran eine Vereinbarung und benützte seine Beziehungen zu den USA, um seine Leute in Amerika einzuschleusen.

Nach seiner Festnahme nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Februar 1994 wurde Scheich Rahman über die Undankbarkeit der Islamisten gegenüber Washington, das doch die Mudschahedin in Afghanistan unterstützt habe, gefragt. Sein lachende Antwort: „Mit oder ohne die Milliarden der CIA, ohne Allah kann man nichts machen. 45 Jahre wollten die Amerikaner die Sowjetunion zerstören, ohne Allah konnte das nicht geschehen. Allah ist der größte.“ Rahman, der Ägypter, Ghanouchi aus Tunesien und der Sudanese al-Turabi (er tourt zur Zeit durch Europa) kämpfen mit ihren Komplizen heute gegen ihre früheren Helfer. Experten glauben, daß die moslemischen Fundamentalisten heute mehrere hundert Agenten in den USA haben, die bereit sind, jederzeit loszuschlagen. Die Autoren der Afghanistan-Politik Washingtons meinen jedoch, daß die Auswirkungen nur Auswüchse einer Politik sind, die an sich gut und gerecht war.

Man stachelt nicht ungestraft religiöse Leidenschaft an. Es könnte sein, daß der Westen, der den Zündler gespielt hat, unter den Folgen bald noch mehr leiden muß.

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