"Der Irak-Krieg war ein Fehler"

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Als ehemaliger Direktor des US-Spionage-Dienstes "National Security Agency" und Experte für Russland und den Mittleren Osten weiß William E. Odom Dinge, von denen andere nur träumen. Im Furche-Interview spricht Odom, der bei den Alpbacher Technologiegesprächen zu Gast war, über die US-Geheimdienste, den Irak-Feldzug und Ex-Spion Putin.

Die Furche: Die Geheimdienstbehörde CIA (Central Intelligence Agency) und die Bundeskriminalpolizei FBI (Federal Bureau of Investigation) befinden sich derzeit in einer tiefen Krise: Erst kürzlich hat der US-Kongress beiden Fehler bei der Terrorabwehr vor dem 11. September vorgeworfen. Wo liegen die Schwachstellen?

William E. Odom: Ich habe schon vor dem 11. September 2001 gesagt, dass das FBI viele Fehler macht. Außerdem ist es für Spionage-Abwehr viel zu schwach. Spione werden Polizisten darin immer schlagen. Deshalb sieht die CIA auch auf das FBI herab - sie hasst es regelrecht, die beiden werden niemals kooperieren. Daher sollten wir dem FBI die Zuständigkeit für die Spionageabwehr wegnehmen, ein neues Netz parallel zur CIA aufbauen und diesem die Kontrolle über die Gegenspionage in Armee, Marine und Luftwaffe übertragen.

Die Furche: Die fast täglichen Anschläge im Irak haben unter den US-Soldaten mittlerweile mehr Opfer gefordert als der vorangegangene Krieg. Wie schätzen Sie als Militär-Stratege die Vorgehensweise der US-Regierung im Irak ein?

Odom: Ich glaube, der Irak-Krieg kann mittlerweile als strategischer Fehler bezeichnet werden. Es macht für die USA keinen Sinn, in einen Krieg zu ziehen, ohne die Unterstützung der arabischen Staaten - doch genau das haben wir getan. In Afghanistan waren wir eng eingebunden, wobei ich glaube, dass das eine sehr wichtige Militäraktion war - trotz des hohen Risikos: Schließlich hätte die pakistanische Regierung zusammenbrechen können. Doch dieser Militärschlag war nötig, um die Terrororganisation El-Kaida zu zerschlagen. Der Angriff auf den Irak war dagegen dazu nicht notwendig: Tatsächlich ermöglichte es Saddam Hussein der El-Kaida nur, sich frei im Irak zu bewegen. Deshalb bin ich nun in der unangenehmen Situation, darauf zu hoffen, dass ich mit meiner Warnung nicht Recht behalte. Niemand im Westen, vor allem nicht in den USA, aber auch nicht in Europa und Japan, sollte jetzt voll Schadenfreude sein - denn wenn, dann würden wir alle verlieren.

Die Furche: Tatsache ist, dass durch das unilaterale Vorgehen der USA das transatlantische Verhältnis stark abgekühlt ist. Was schlagen Sie vor, um die Beziehungen zu verbessern?

Odom: Wenn Sie mich fragen, ob ich die transatlantischen Beziehungen oder den Schlag gegen den Irak als wichtiger einschätze, so ist es zweifellos das transatlantische Verhältnis. Ich hätte den USA abgeraten, in den Irak einzumarschieren oder dort zu bleiben, wenn es diese wichtige Beziehung gefährden würde. Und ich bin sehr unglücklich über manche Dinge, die gesagt oder getan wurden - auf beiden Seiten des Atlantiks. Nun liegt es an den Staatsmännern und Beamten auf der zweiten Ebene, diese Situation zu meistern. Ich kenne die Gefühle mancher Armee-Offiziere, denn ich war selbst Offizier: Sie waren und sind ihren europäischen Waffenbrüdern gegenüber sehr positiv eingestellt. Sie befolgten nur das, was ihnen befohlen wurde; sie mussten es einfach tun. Deshalb sollten wir nun alles daran setzen, dass wir durch enge informelle Beziehungen - etwa zwischen Studentengruppen - einer Barriere vorbeugen, die schwerwiegende Folgen hätte.

Die Furche: Machen wir einen Sprung nach Russland: Im Kreml regiert zur Zeit mit Wladimir Putin ein ehemaliger Spion. Ist es ein Vor- oder Nachteil, wenn ein Staatschef beim Geheimdienst in die Lehre ging?

Odom: Ich glaube, es ist eine bessere Erfahrung, ein Schauspieler gewesen zu sein. Ronald Reagan hat einmal auf die Frage, wie es denn sei, als Schauspieler Präsident zu werden, Folgendes geantwortet: "Wie kann man überhaupt Präsident werden, ohne vorher Schauspieler gewesen zu sein?" Aber nun zu Putin: Russland ist weit davon entfernt, von einem einzelnen politischen Führer geheilt werden zu können. Das kommunistische Regime hat die Gesellschaft zerstört. Und nun ist Russland mit den Trümmern dieser moralischen, ökonomischen und politischen Verwüstung konfrontiert. Die größte Herausforderung ist sicher der Krieg in Tschetschenien: Europa hat in den vergangenen Jahren Moskau für seine völkermordende Politik viel heftiger kritisiert als die USA. Bush ist hier äußerst schweigsam. Dieser Krieg war aber bisher so zerstörerisch, dass es keine einfache Lösung mehr gibt. Eine ganze Generation von Jugendlichen ist dort ungebildet aufgewachsen - mit Gewehren in den Händen. Sie haben gelernt, Banditen und Räuber zu sein. Realistisch gesehen sind die Europäer und Amerikaner deshalb nicht sehr weise, wenn sie Russland weiterhin wie eine Weltmacht behandeln. Wenn Politiker in Russland konstruktiv sind, werden sie bald taktisch und spielen diverse Spielchen, denn die inneren Kräfte kann niemand mehr kontrollieren. Putin könnte etwa die Lieferungen von Nuklear-Material an den Iran stoppen, wenn er nur wollte. Schon allein deshalb ist es politisch nicht gesund, wenn die Führer eines Landes im Geheimdienstmilieu groß geworden sind.

Die Furche: Das Klischee von Geheimdienst-Mitarbeitern orientiert sich meist an Vorbildern à la James Bond oder John Grisham. Wie nahe ist diese Fiktion an der Realität?

Odom: Ich lese nicht viele dieser Bücher, also kann ich das schwer beurteilen. Ich habe nur James Bond gesehen, was über weite Strecken reine Phantasie ist. Es gibt natürlich spannende Bereiche in Geheimdiensten. Aber wenn man selbst darin arbeitet, findet man vieles langweilig. Leute, die dieses Milieu am besten verstehen, sind Journalisten. Sie verarbeiten wie wir Information, sie haben mit Vorgesetzten zu tun und sie sprechen mit Informanten. Wenn also der US-Geheimdienst über sein Irak-Dossier gestolpert ist, muss man die Frage stellen: War tatsächlich der Geheimdienst schuld, oder war es nicht vielmehr die Politik, die entschieden hat, was mit den Informationen passieren soll? Die Geheimdienstleute müssen leider immer für die Fehler einstehen. Helden werden sie nur sehr selten.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Geheimdienstchef, General und Stratege

Ob Sowjetunion oder Deutschland am Höhepunkt des Kalten Krieges: William E. Odom wusste, was hinter den Kulissen vor sich ging. Kein Wunder: Immerhin war der Drei-Sterne-General von 1985 bis 1988 als Direktor der National Security Agency (NSA) für die nationale Kommunikations-Sicherheit zuständig, unter anderem für die Entschlüsselung sicherheitsrelevanter Informationen. (Nicht zuletzt wegen ihrer langjährigen Geheimhaltung wird die NSA, die 1952 von Präsident Harry Truman gegründet wurde, von manchen noch immer "No Such Agency" genannt.) Darüber hinaus arbeitete Odom, der an der United States Military Academy studierte, 1970 an der Columbia University promovierte und bis heute an der Yale University unterrichtet, auch für das Weiße Haus: Unter Präsident Jimmy Carter (1977 bis 1981) war er Assistent des nationalen Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski - und als solcher für Strategie, Sowjet-Angelegenheiten, Atomwaffen, Telekommunikation und den Persischen Golf zuständig.Heute ist Odom Direktor für "National Security Studies" am Hudson Institute in Washington, einem Think Tank für politische Angelegenheiten. Neben Büchern über die ehemalige Sowjetunion ("The Collapse of the Soviet Military", 1998) widmete sich Odom zuletzt in "Fixing Intelligence. For a More Secure America" (2003) dem Zustand der US-Geheimdienste.

Zum transatlantischen Verhältnis siehe auch Dossier (S. 21 bis 24)

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