"Das interessiert die Russen nicht"

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Militärexperte Lutz Unterseher zur Einkreisungspolitik der Amerikaner und die Gegenwehr der Russen.

Die Furche: Herr Unterseher, letzte Woche hat Russland die weltweit stärkste konventionelle Bombe erfolgreich gestestet - ein weiterer Schritt hin zu einem neuen Kalten Krieg?

Lutz Unterseher: Nicht die enorme Sprengwirkung ist an dieser Bombe interessant, sondern die damit verbundene politisch-symbolische Geste: Dem Westen und insbesondere den Vereinigten Staaten wird damit erneut signalisiert, dass die Russen nicht mehr mit sich spaßen lassen. Man muss diese Aktion ebenfalls als eine Antwort auf die Einkreisungspolitik der USA verstehen …

Die Furche: … die sich gegen Russland richtet …

Unterseher: … und gegen China. Sie sehen rund um diese beiden Staaten eine Zunahme von militärischen Basen, denken Sie nur an die US-Präsenz in Zentralasien, die ja nicht nur Russland, sondern auch China trifft. Russland reagiert mit weiterer Aufrüstung auf diese Politik der amerikanischen Umzingelung.

Die Furche: Präsident Putin kann damit zudem innenpolitisch punkten.

Unterseher: Dieses nationalistische Gehabe sollte bei den anstehenden Wahlen in Russland für Putin und seine Partei sicher kein Schaden sein. Und mit seinen jüngsten Regierungsrochaden im Kreml meldet Putin - obwohl er ja nicht mehr als Kandidat antreten darf - einen Führungsanspruch über die Zeit der Wahlen hinaus an.

Die Furche: Zurück zur US-Einkreisungspolitik - die geplanten Anlagen in Tschechien und Polen gehören ebenfalls zu dieser Strategie?

Unterseher: Es geht ja nicht nur um Tschechien und Polen; dazu gehört auch die Modernisierung der US-Weltraumbeobachtungsanlagen in England, dazu gehören die im Bau befindlichen US-Militärbasen in Bulgarien und Rumänien, nicht zu vergessen die amerikanische Präsenz im Kaukasus, also Georgien und Aserbaidschan, hinzu kommt das Bündnis mit Taiwan, die US-Truppen in Südkorea und mehr amerikanische Militäreinheiten auf den Philippinen … und diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Die Furche: Für diese US-Präsenz gibt es die unterschiedlichsten Argumente: Krieg gegen den Terror, Abwehr von Interkontinentalraketen, historisch bedingte Bündnisse …

Unterseher: Das interessiert die Russen nicht, die sehen, dass sich um sie herum mehr und mehr amerikanisches Militär aufbaut und das wird als problematisch, weil als Einschränkung des eigenen Spielraums angesehen.

Die Furche: Jetzt hat Russland angedroht, Raketen auf die Stellungen in Tschechien und Polen zu richten, sollten diese tatsächlich gebaut werden. Ist das bloß Säbelrasseln?

Unterseher: Auf keinen Fall, selbstverständlich wird Russland Raketen auf diese Stellungen in Europa richten. Diese sind zwar offiziell gegen Raketen aus dem Iran gerichtet und können das russische Arsenal, das über den Nordpol nach Amerika zielt, kaum bis gar nicht beeinträchtigen.

Die Furche: Wozu dann die Aufregung auf russischer Seite?

Unterseher: Entscheidend sind die Radaranlagen in Tschechien und in Großbritannien, denn damit kann man die Bahnen der Aufklärungssatelliten von Russland und China sehr gut vermessen. Und in einer künftigen Krise hat das US-Militär einen entscheidenden Vorteil, kann es doch die Satellitenkapazität der beiden anderen Mächte ausschalten und sie damit blind machen.

Die Furche: Bei den Anlagen in Tschechien geht es also definitiv nicht vorrangig um eine potenzielle Gefahr aus dem Iran?

Unterseher: Es gibt keine iranischen Interkontinentalraketen in den nächsten zehn bis 15 Jahren. Für die Amerikaner wichtig ist die mit diesen Anlagen verbundene Aufklärungskapazität, die multifunktional ist und sich auch zur Datenerfassung von Satelliten einsetzen lässt. Das ist ein weiterer Schritt der USA zur Militarisierung des Weltalls.

Die Furche: Auch das eine neue Form des neuen Kalten Kriegs?

Unterseher: Das Etikett ist sicher zutreffend. Denn die anderen Beschreibungen z.B. Terrorbekämpfung dienen doch alle nur der Ablenkung - das ist alles Quatsch, das ist Begleitmusik, um die Rüstungsausgaben zu rechtfertigen. Doch nur fünf bis acht Prozent der Ausgaben im amerikanischen Verteidigungsbudget können mit Terrorbekämpfung in Zusammenhang gebracht werden. Man investiert nach wie vor fast ausschließlich in die großen alten Waffensysteme und in die weltweite Präsenz - und das ist das Alte am neuen Kalten Krieg.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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