Eine Verhandlungslösung FÜR DUMMIES?

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Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Wien könnten fatale Auswirkungen haben und sie nötigen Israel, über eigenständiges Handeln nachzudenken.

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Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Wien könnten fatale Auswirkungen haben und sie nötigen Israel, über eigenständiges Handeln nachzudenken.

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Durch die Atomverhandlungen mit dem iranischen Regime haben die UN-Vetomächte und Deutschland klar gemacht, dass sie sich über die massiven Bedenken Israels hinsichtlich eines Übereinkommens mit dem iranischen Regime schulterzuckend hinwegsetzen. Für den jüdischen Staat stellt das Streben der Ajatollahs und Revolutionswächter nach der Technologie der Massenvernichtung eine existenzielle Gefahr dar. Doch auch die arabischen Staaten in der Region fürchten die iranische Bombe. Viele von ihnen haben bereits klargestellt, dass die Akzeptanz einer nuklearen Option in den Händen der Teheraner Machthaber unweigerlich auf ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten hinauslaufen würde. Nichtsdestotrotz wurde die jahrelange iranische Taktik des Lügens, Täuschens und Zeitschindens bereits Ende November mit einer Vereinbarung belohnt, die dem iranischen Regime Milliardenzahlungen und eine Aufweichung der mühsam zustande gebrachten Sanktionspolitik beschert, ohne dass Teheran substantielle Zugeständnisse machen musste.

Nuklearprogramm akzeptiert

Vor dem Interimsabkommen von Genf, das am 20. Jänner in Kraft getreten ist, sprach die US-Administration davon, das iranische Regime werde lediglich drei bis vier Milliarden US-Dollar als Anerkennung für gewisse Zugeständnisse erhalten. Nach dem Abkommen sprach das Weiße Haus von sieben bis acht Milliarden. Mitte Dezember berichtete die linksliberale israelische Tageszeitung Haaretz, die US-Verhandler hätten die Wirkung der geplanten Teilaufhebung der Sanktionen vollkommen unterschätzt. Nun war bereits von 20 bis 25 Milliarden Dollar die Rede, mit denen die iranischen Machthaber für ihre minimalen Zugeständnisse belohnt werden sollen.

Mit dem Genfer Abkommen akzeptiert die Staatengemeinschaft erstmals das iranische Nuklearprogramm. Die UN-Vetomächte und Deutschland gestatten im Widerspruch zu den von ihnen selbst verabschiedeten Resolutionen des UN-Sicherheitsrates die Fortsetzung der Urananreicherung. Keine einzige der rund 20.000 Zentrifugen wird verschrottet und die Forschung an neuen Zentrifugen bleibt erlaubt. Die Vereinbarung erklärt den Schwerwasserreaktor in Arak, der neben der Urananreicherung einen zweiten Weg zur Bombe mittels Plutoniumproduktion bietet, zum fait accompli. Inspektionen werden ausschließlich in jenen Anlagen stattfinden, die vom Iran bereits als Teil des Nuklearprogramms deklariert wurden - also gerade nicht in jenen Anlagen, von denen der Verdacht besteht, dass in ihnen zentrale militärische Komponenten des Atomprogramms vorangetrieben wurden. Vom Militärkomplex in Parchin, von dem die Internationale Atomenergieorganisation vermutet, dass in ihm Experimente zur Entwicklung von nuklearen Sprengköpfen durchgeführt wurden, ist in dem Abkommen ebenso wenig die Rede wie vom ballistischen Raketenprogramm des Iran, das im Rahmen konventioneller Aufrüstung überhaupt keinen Sinn ergibt. Nach den Verhandlungen mit der IAEO in Teheran Anfang Februar stellte das Regime abermals klar, dass es keinen Zugang zu Parchin gewähren wird.

Vor diesem Hintergrund findet nun seit dem 18. Februar in Wien die nächste Gesprächsrunde statt. Während die iranischen Revolutionswächter und Teherans Verbündete von der Hisbollah in Syrien Tausende abschlachten, kann das Regime sich bei den Verhandlungen als verantwortungsvoller Partner präsentieren.

Ein verantwortungsvoller Partner?

Egal, ob der Sprecher des iranischen Pseudoparlaments Ali Laridjani Israel als "Krebsgeschwür" attackiert, der Oberste Geistliche Führer Ali Khamenei den Holocaust auf seiner Website bis zum heutigen Tag als "Mythos" bezeichnet, die Hinrichtungszahlen im Iran in die Höhe schnellen oder Außenminister Mohammad Javad Zarif, der sich in seiner Autobiografie offenherzig zu der Mission bekennt, die internationale Ordnung nach den Vorstellungen Ajatollah Khomeinis zu ändern, das Grab des Hisbollah-Chefterroristen Imad Mugniyeh besucht - im Westen ist kaum Kritik zu hören, denn schließlich will man das gute Klima bei den Atomgesprächen nicht stören.

Die jetzigen Verhandlungen drohen auf eine dauerhafte Akzeptanz des iranischen Nuklearprogramms hinauszulaufen, anstatt es zu beenden. Jedes Abkommen, das keine komplette und überprüfbare Beseitigung der Infrastruktur des iranischen Atomprogramms beinhaltet, würde fatale Folgen haben. Genau um solch ein Abkommen geht es aber der iranischen Seite. Sie will durch weitere Verhandlungen Zeit gewinnen, so viel Lockerung der Sanktionen wie möglich erreichen, so wenig Zugeständnisse wie gerade eben nötig machen und sich in jedem Fall die nukleare Option offen halten.

Im unbedingten Willen zu einem faulen Kompromiss mit dem iranischen Regime drückt sich eine ebenso naive wie geschäftstüchtige Sehnsucht aus, über die sich die Lobbyisten des europäischen Iran-Handels ausgesprochen erfreut zeigen. Die OMV, die schon während der Präsidentschaft Mahmoud Ahmadinejads einen 22-Milliaren-Euro-Deal mit dem iranischen Regime abschließen wollte, der nach massiver Kritik aber auf Eis gelegt werden musste, scharrt ebenso in den Startlöchern wie die deutsche Industrie. Die Österreichische Wirtschaftskammer, die auch während der Präsidentschaft Ahmadinejads redlich bemüht war, österreichischen Firmen zu erklären, wie sie trotz aller Sanktionen hervorragende Geschäfte mit dem Antisemiten-Regime in Teheran machen können und im November eine große Delegation in den Iran geschickt hat, startet nun eine neue Offensive: Am 27. Februar veranstaltet die WKO eigens ein Tagesseminar in Wien, um Unternehmen zu jenen Geschäften zu animieren, die für die Machthaber im Iran dringend notwendig sind, um ihre Projekte fortsetzen und sich weiter an der Macht halten zu können.

Für das Streben des iranischen Regimes nach der nuklearen Option sind Hassan Rohani und sein Außenminister Zarif als freundliche Gesichter des Terrors genau die richtigen Männer zur richtigen Zeit. Für den Westen und auch für Deutschland und Österreich, die seit drei Jahrzehnten besonders enge ökonomische und politische Beziehungen zur Diktatur der Ajatollahs pflegen, sind sie eine bequeme Ausrede, um keine ernsthaften Schritte gegen das iranische Regime setzen zu müssen. Für Israel bedeutet ein drohender fauler Kompromiss zum iranischen Atomprogramm die abermalige Bestätigung, dass sich der jüdische Staat darauf vorbereiten muss, gegebenenfalls eigenständig gegen die iranische nukleare Aufrüstung vorzugehen.

Die Falle der Charme-Offensive

Wenn die europäische Politik das nicht will, sollte sie nicht auf die Teheraner Charmeoffensive hereinfallen und weiterhin eine scharfe und konsequente Sanktionspolitik betreiben, anstatt das Regime für seine bis heute beständig wiederholten Vernichtungsdrohungen gegen Israel und die Unterdrückung der iranischen Bevölkerung mit einem Geldsegen zu belohnen. Anstatt das Regime durch Besuche im Iran zu hofieren und durch Einladungen in die EU zu legitimieren, muss der Druck auf Teheran deutlich erhöht und die demokratischsäkulare Opposition im Iran und im Exil unterstützt werden. Und anstatt sich auf faule Kompromisse einzulassen, müssen den Ajatollahs und Revolutionswächtern hinsichtlich des Atom- und Raketenprogramms klare Grenzen aufgezeigt werden.

Der Autor ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Mitherausgeber von "Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur &ihrer europäischen Förderer"

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