Revolution im Generationentakt

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Die iranischen Demonstranten wissen, was ihnen droht, wenn sie die Proteste fortsetzen. Doch der Aufstand der Straße hat im Iran eine sehr lange Erfolgsgeschichte.

Die Weltpolitik ist immer wieder für Kapriolen gut: Der Iran wählt einen neuen Präsidenten und eine gute Woche später meldet sich ausgerechnet der Sohn des letzten iranischen Schahs zu Wort, sieht in den Protesten seine Chance gekommen und träumt von einer Rolle beim demokratischen Neubeginn des Landes. Als Reza Pahlavi am Montag bei einer Pressekonferenz in Washington von den getöteten Demonstranten spricht, schießen ihm Tränen in die Augen, er schluchzt. Einen „Schrei nach Freiheit und Demokratie“ hört der im US-Exil lebende Monarch ohne Thron durch Teherans Straßen tönen.

Und im Volkszorn sieht Pahlavi Parallelen zu den Massenkundgebungen, die 1979 zum Sturz seines Vaters führten. „Die fanatischen Tyrannen wissen, dass die Zukunft gegen sie gerichtet ist“, sagt er. Pahlavi verlangt, dass das Volk über eine neue Regierungsform abstimmen müsse. Und sollten ihn die Iraner rufen, daran lässt der Schahinschah, der „König der Könige“, keinen Zweifel, so stünde er gerne bereit. Doch der Ruf nach einer Rückkehr der Pahlavi-Dynastie ist bei den Protesten der vergangenen Tage im Iran nicht vernehmbar laut geworden. Der Pfauenthron wird wohl weiter im Museum bleiben – und Reza Pahlavi im Exil.

Mit der Tabak-Revolte 1891 fängt es an

Der Aufstand der Straße hat im Iran eine lange Geschichte – aber noch nie hat sie dem Schah genützt. Im Gegenteil: Die Macht der Straße ist die stärkste Waffe der Opposition. Angefangen mit der Tabak-Revolte 1891. Diese erste Massenbewegung Persiens zwingt den Schah, der Kolonialmacht Großbritannien das Tabakmonopol zu entreißen. Der wachsende Unmut über die politische Abhängigkeit Persiens von fremden Mächten und der wirtschaftliche Ausverkauf des Landes sind auch weiterhin die Brutstätten der Protestbewegung: Generalstreiks und Massendemonstrationen führen zur konstitutionellen Revolution, deren Forderungen in einer demokratischen Verfassung und einem frei gewählten Parlament gipfeln. Der Schah zögert; 1909 eskaliert die Situation, das Kriegsrecht wird ausgerufen, doch am Ende gewinnt die Straße. Der Schah muss abdanken, fliehen und seinem zwölfjährigen Sohn den Thron überlassen.

Mossadegh und USA – von Anfang an Feinde

Das Ringen um die Macht geht in den folgenden Jahrzehnten weiter, nicht ohne kräftiges Mitmischen von Russland und Großbritannien, das die iranischen Ölvorkommen für sich entdeckt. Mit Mohammad Mossadegh betritt 1949 jedoch ein Politiker die iranische Bühne, der die Macht der Straße ganz besonders für sich und gegen den Schah zu nutzen versteht. Und mit den USA tritt eine weitere Weltmacht auf den iranischen Plan – der Beginn einer wunderbaren Feindschaft. Doch noch ist Mossadegh im Vorteil.

Unterstützt von Streiks und Demonstrationen schafft es der „Löwe“ ins Amt des Premiers. Und auch in dieser Position vertraut Mossadegh auf die zivilen Regimenter in den Straßen, die seine Politik vor zuviel Einmischungen durch den Schah beschützen. Mossadegh ist ein „redlicher Populist“ der Sonderklasse. Sein Schlafzimmer liegt im Parlamentsgebäude. Im Pyjama, vom Eisenbett aus, kann der 70-Jährige regieren.

„Staatsmann in Pantoffeln“ oder „Politiker im Pyjama“ nennen ihn die Zeitungen. Seine Reden sind mitreißend, seine Gestik großartig, sagen Zeitgenossen. Ob er in Rage gerät oder in Ohnmacht fällt und in Weinkrämpfe ausbricht: „Dies arme persische Volk, das nichts hat, um seinen Hunger zu stillen, seine Nacktheit zu bedecken, besitzt einen Reichtum, auf den sich ein Drache gelegt hat, der sogar verbietet, diesen Reichtum zu schätzen.“ Mit solchen Parlamentsreden begeistert er das Volk. – Und macht sich die Amerikaner und Briten zum Feind.

Ein Kommentator fasst die Vorgänge so zusammen: „Sie nannten ihn schließlich verrückt, krank und von Sinnen, als er den Kampf um die Verstaatlichung des iranischen Öls trotz immensen wirtschaftlichen Drucks fortsetzte.“ Und ein leitender Direktor der Anglo Iranian Oil Company meinte: „Man kann mit einem Schuft verhandeln. Aber wie wollen Sie mit einem ehrlichen Fanatiker zurechtkommen?“

Der US-Geheimdienst antwortet mit der „Operation Ajax“: 1951 hat die Regierung Mossadegh die Verstaatlichung der Anglo-lranian Oil Company beschlossen. Im August 1953 wird sie in einer Volksabstimmung mit 99,4 Prozent der Stimmen bestätigt. Zwei Wochen später führt das von der CIA kontrollierte Offizierskorps einen Putsch durch. Die englischen Ölfirmen werden von einem US-Konsortium übernommen. Die USA holen den Schah Mohammad Reza Pahlavi ins Land zurück und zerstören die iranische Demokratie.

Barack Obamas (zu) späte Entschuldigung

Damit schließt sich der Kreis in die Gegenwart: US-Präsident Barack Obama hat in seiner Rede vor wenigen Wochen in Kairo als erster Präsident der Vereinigten Staaten zugegeben, dass sein Land mit dem Putsch gegen Ministerpräsident Mossadegh eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt und einen schweren Fehler begangen hat.

Für Udo Steinbach, den Direktor des Deutschen Orientinstituts, zieht die Iranische Revolution 1979 ihre Kraft nach wie vor „aus dem Umstand, dass die säkulare demokratisch gewählte Regierung von Mohammed Mossadegh durch die CIA 1953 gestürzt worden ist und die Probleme des Landes daher auf religiösem Weg gelöst werden sollten“.

Jetzt, wieder einmal in einem für den Iran so oft entscheidenden 9er-Jahr, scheint auch die religiöse Problemlösungskapazität am Limit. „Die Menschen wollten eigentlich keine Revolution anfangen – doch ihr Protest hat sich nun zu einer Massenbewegung ausgeweitet, die sich generell gegen den Status quo richtet“, sagt der Iran-Experte Afshin Molavi. Für ihn war der Anführer der iranischen Opposition Mir Hossein Mussawi, zunächst nur ein „Kompromisskandidat“. Mittlerweile habe dieser, so Molavi, „aber wirklich die Menschen in Iran hinter sich“. Bleibt zu hoffen, dass der Experte mit seiner Einschätzung mehr recht behält als mit dieser Analyse: Etwas Vergleichbares wie die aktuellen Proteste, so Molavi, habe man „auf den Straßen Irans noch nie gesehen“. Und was war dann 1891, 1909, 1949, 1979?

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