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Der linke Brief

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In Teheraner Regierungskrisen ist man außerordentlich erbittert über einen auch in der hiesigen Presse kommentierten Brief des Bonner Bundespräsidialamtes an linksgerichtete Organisationen und Persönlichkeiten der Bundesrepublik, in dem Bundespräsident Heinemann seinen Entschluß rechtfertigte, an Persiens 2500-Jahr-Feier teilzunehmen. Der Brief lief praktisch auf einen Rüffel für Persiens Innenpolitik hinaus. Der Schah hatte es ohnehin als Affront empfunden, daß das deutsche Staatsoberhaupt die Annahme der iranischen Einladung „ungebührlich lange hinausgezögert“ habe. Jetzt sehe seine Regierung sich in der Vermutung bestätigt, daß Heinemann aus Rücksicht auf linksgerichtete Kritiker gezögert habe.

In der iranischen Hauptstadt sieht man mindestens in der Veröffentlichung des ungeschickten Schreibens einen unfreundlichen Akt, der das seinerzeit schon durch die Anti- Schah-Demonstrationen im Bundesgebiet und in West-Berlin getrübte freundschaftliche iranisch-deutsche Verhältnis erneut belastet und findet es äußerst ungewöhnlich, daß das Staatsoberhaupt eines fremden Landes, mit dem der Iran diplomatische Beziehungen unterhält, öffentlich durchblicken lasse, daß es bei seinem bevorstehenden Besuch Einfluß auf die innenpolitischen Entscheidungen des Gastlandes zu nehmen versuchen wolle.

Der Inhalt des Briefes, der für den Kaiser „eine einzige Beleidigung darstelle“, lasse, so einflußreiche Teheraner, darauf schließen, daß der Bundespräsidedent mit der von wenig Sachkenntnis getragenen lin ken Kritik an Persien zumindest sympathisiere. Man vermeidet hier zwar entsprechende Andeutungen, aber aus Gesprächen mit führenden Politikern gewinnt man den Eindruck, daß die Regierung Heinemann am liebsten wieder ausladen würde. Was Teheran von einem solchen Schritt abhält, ist weniger Rücksichtnahme auf die erst seit kurzem wieder mühsam gebesserten Beziehungen zu Bonn als der Wunsch, der glanzvollen 2500-Jahr-Feier des Kyros-Reiches eine ungetrübte Atmosphäre zu erhalten. Im Außenministerium läßt man aber durchblicken, daß der Iran mit der etwaigen Anerkennung der DDR vielleicht doch mehr erreichen könne als mit der bisher geübten Rücksichtnahme auf die Bonner Interessen.

Die „weiße Revolution“

Auf persischer Seite benutzt man den Anlaß zur Verteidigung der Politik des Schah. Die radikale Linke der Bundesrepublik, so argumentiert man hier, stütze sich bei ihrer Kritik an den politischen und sozialen Zuständen in Persien ausschließlich auf die parteiische Darstellung oppositioneller iranischer Studentengruppen. Sie unterlasse geflissentlich jeden Versuch, sich an Ort und Stelle sachlich zu informieren. Schah Resa Pahlawi und seine Regierung wollten gar nicht bestreiten, daß in ihrem Land noch vieles im argen liege und man seine augenblickliche politische und soziale Struktur nicht an Europa messen könne. Gerade das täten aber offenbar die Kritiker. Wirklicher Vergleichsmaßstab für die iranischen Verhältnisse könnten nur die orientalischen Nachbarländer sein. Von linker Kritik an dem Blutregime im Irak oder an den Diktaturen in Ägypten, Syrien oder Libyen höre man jedoch wenig. Zugegebenermaßen trage der Schah die Alleinverantwortung für die Entwicklung des Iran. Das täten jedoch auch die Alleinherrscher in den zitierten Nachbarländern. Trotzdem ; sei etwa der Nildiktator Abdel Nasser jahrelang das verhätschelte Schoßkind der europäischen Linken gewesen. Wenn zwei dasselbe täten, sei es in den Augen der jungen Linken offenbar nicht dasselbe. Man sei gegen den Schah, weil er eine Krone trage.

Teheran rät dem Bonner Präsidenten und den linksintellektuellen Kritikern, die Entwicklung Persiens in den letzten 20 Jahren doch einmal mit derjenigen der Nachbarstaaten zu vergleichen. Gemessen an ihnen sei der Iran heute das mit Abstand außenpolitisch angesehenste, politisch, wirtschaftlich, sozial und militärisch entwickeltste und gefestigste Land der Region.

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