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Perverse Front?

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Der nächste weltweite Inflationsstoß kommt so sicher wie der nächste Winter und wahrscheinlich nur wenig später. Uneinig sind sich die Propheten, ob und wann und in welchem Ausmaß den Preissteigerungen der als Rezession bekannte Kreislaufkollaps folgt. Wenn die OPEC tatsächlich demnächst die Rohölpreise um weitere 25 Prozent erhöht, und es besteht wenig Hoffnung, daß sie es nicht tut, ist der Inflationsschub nicht — und die nächste Weltwirtschaftskrise auch nur vielleicht aufzuhalten.

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Der nächste weltweite Inflationsstoß kommt so sicher wie der nächste Winter und wahrscheinlich nur wenig später. Uneinig sind sich die Propheten, ob und wann und in welchem Ausmaß den Preissteigerungen der als Rezession bekannte Kreislaufkollaps folgt. Wenn die OPEC tatsächlich demnächst die Rohölpreise um weitere 25 Prozent erhöht, und es besteht wenig Hoffnung, daß sie es nicht tut, ist der Inflationsschub nicht — und die nächste Weltwirtschaftskrise auch nur vielleicht aufzuhalten.

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Die treibenden Kräfte der bevorstehenden Preiserhöhung waren aber keineswegs die so gerne verteufelten „Ölscheichs“. Im Gegenteil, die meisten arabischen Erdölprodu-zenten mit Saudi-Arabien an der Spitze traten für maßvolle Preiserhöhungen eim, die den inflationsbe-dingten Geldwertverlust auffangen sollten. Die 25 Prozent, um die der ölpreis nun aber steigen soll, sind ein Kompromiß zwischen Minimal-und Maximalforderungen. Die höchsten Forderungen hatten Persien, Libyen und der Irak gestellt.

Libyens ölpreispolitik fügt sich nahtlos in die außenpolitischen Konzepte seines Staatschefs Ghadaffi. Wenn der höhere ölpreis nicht nur auf dem direkten Weg, über die Finanzierung einer weltweiten subversiven Tätigkeit, sondern auch indirekt, durch die Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft, zur Unterminierung des westlichen politischen Systems beiträgt, wird es ihm nur recht sein.

Aber auch im Falle des Irak deckt sich eine Rohöl-Hochpreispolitik nicht nur mit dem Geldbedarf des Landes, sondern auch mit den ihm unterstellten weltpolitischen Präferenzen. Der Irak gilt als sowjetischer Satellit, die Sowjetunion wird als notorischer Störenfried gesehen. Beides mag nur zum Teil stimmen — aber die irakische Politik entsprich jedenfalls dem, was man vom Irak erwartet.

Der Schah von Persien hingegen spielt sich gerne als Bastion des Westens gegen den Kommunismus auf, läßt in seinem Land Kommunisten und alles, was er dafür hält oder dazu, erklärt, mit äußerster Härte verfolgen, betreibt aber als Vorkämpfer und mächtigster Sprecher des Hochpreislagers eine faktisch kaum weniger als die libysche, auf Unterminierung des westlichen Systems hinwirkende Politik. Er steht damit in einer Front, die nur dann pervers anmutet, wenn man ihm die Absicht unterstellt, das westliche System zu stützen, den beiden anderen Ländern aber, es zu stören.

Man hört öfters, daß der Schah für seine Industrialisierungspläne große flüssige Investitionsmittel braucht, während die Herrscher der dünn besiedelten Wüstenstaaten die westliche Wirtschaft stabil erhalten wollen, weil sie hier ihre Ölerlöse anlegen. Fragt sich nur, ob eine weniger radikale als die nicht zuletzt unter persischem Druck gemachte Preispolitik die Industrialisierung wesentlich verlangsamen würde, da ja ein erheblicher Teil der Mehrerlöse durch Verteuerung der importierten Investitionsgüter wieder aufgezehrt wird. Der tatsächliche Effekt der Hochpreispolitik ist politisch.

Offensichtlich wollen die maßvollen Erdölländer (vor allem Saudi-Arabien) dm Weltwährungs- und Weltwirtschaftssystem mitspielen, während die als Kompromiß mit den „Preistreibern“ zustande kommende „gemäßigteHochpreispolitik“

(25 Prozent!) zum permanenten Unruhe- und Krisenfaktor, zum Stachel im Fleisch des Kapitalismus wird. Der Schah spielt hier mit.

Sicher ist er kein Freund des Kommunismus. Es wäre aber leichtfertig, ihn deswegen schon für einen Freund des Westens und vor allem der Demokratien zu halten. Seine Opfer sind oft als Kommunisten etikettierte Demokraten. Äußerungen, die unmittelbar nach dem „ölschock“ des Jahres 1973 von ihm zu hören waren, haben zusätzlich die emotionellen Wurzeln der antiwestlichen Ressentiments des Perserkaisers zweiter Generation bloßgelegt. Ausländische Interventionen in Persien, die Umstände, unter denen der Vater des Schah von den Briten abserviert wurde, Demütigungen durch westliche Politiker (so besuchte während der Konferenz von Teheran nur Stalin den Kaiser, zu Churchill und Roosevelt mußte er selber hinpilgern) haben hier sicher ebenso ihre Bedeutung wie der wohlbekannte psychologische Effekt besonderer Härte und Unnachgiebigkeit bei einem in der Jugend weichen und indifferenten Sohn eines harten Vaters. Vor allem aber ist der Schah ein typischer Vertreter der Dritten Welt, ein Mann der Haßliebe zum Westen, die sich so oft als Liebe zu den technisch-industriellen Errungenschaften und als Haß auf die Demokratie entpuppt.

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