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Zuviel, zu rasch

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Schah Mohammed Resa Pachlawi spricht bereits wieder drohend von unvermeidlichenPre. „schwarze Gold“ untef der Wüste erlebt gegenwärtig eine unerwartete Abnahmeilaute und Preisbaisse. Haben sich die Rohölproduzenten übernommen?

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Schah Mohammed Resa Pachlawi spricht bereits wieder drohend von unvermeidlichenPre. „schwarze Gold“ untef der Wüste erlebt gegenwärtig eine unerwartete Abnahmeilaute und Preisbaisse. Haben sich die Rohölproduzenten übernommen?

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Das öllieferembargo, mit dem die Araberstaaten dm und nach dem Ramadan-Krieg vom Oktober 1973 ihre politischen Forderungen gegen die westlichen „Helfershelfer des Zionismus“ durchzusetzen versuchten, bewirkte einen nachhaltigen Schock. Ein Schock allerdings, der — wie sich jetzt immer deutlicher herauszustellen beginnt — in erster Linie seinen Urhebern zu schaffen macht. Das Lieferembargo ver-anlaßte in der seit dem Oktoberkrieg 1973 verflossenen Periode zwar viele westliche Regierungen zur Überprüfung ihrer Israel-Politik. Doch hat das die Machtposition Jerusalems im Nahostkonflikt nicht nur nicht entscheidend tangiert, sondern die im Gefolge der Embargopolitik aufgetretenen finanziellen Hoffnungen der Produzentenstaaten blieben auch weit hinter den Erwartungen zurück.

Heute steht fest, daß die Produktionszahlen in den arabischen öl-ländern, wie in Persien, nach dem Ramadan-Krieg nie mehr den „Vorkriegsstand“ erreichten. Im Gegenteil, sie blieben weit dahinter zurück. Die Industriestaaten wurden durch den ölschock dazu gebracht, ihre Versorgungspolitik nachhaltig zu überdenken und von der Ideologie des unbeschränkten ewigen Wachstums ebenso herunterzukommen wie von dem Glauben an die Bezahlbarkeit unbeschränkter Versorgungsreserven mit Rohstoffen. Allgemeinverständlich ausgedrückt heißt das, daß man im Westen seit knapp zwei Jahren nicht mehr der Ideologie des Schöpfens aus dem vollen, sondern der Tugend der Sparsamkeit auf dem Rohstoffsektor huldigt

Die ölproduzenten wurden infolgedessen zu Opfern ihrer eigenen Preispolitik. Sie, die in der Schwäche des hochindustrialisierten Westens ihre eigene Stärke sahen, müssen jetzt erleben, daß diese nur vermeintliche Schwäche in Wirklichkeit ihre eigene Schwäche ist. Die Abnehmer haben sich plötzlich wieder des alten freiwirtschaftlichen Grundsatzes erinnert, wonach Angebot und Nachfrage, in diesem Fall Nachfrage und Angebot, den Preis bestimmen. Und darin haben sich die ölstaaten kräftig verspekuliert. Scheichtümer sind zahlungsunfähig geworden oder suchen verzweifelt nach Krediten für die Vollendung ihrer ehrgeizigen Entwicklungsvorhaben. Auch Persien könnte dieser

„Wind of Change“ im Rohölgeschäft auf die Dauer zu schaffen machen. Der Schah hat sich offenkundig zuviel zu rasch vorgenommen. Erzwingt er nicht höhere Preise, was unwahrscheinlich ist, geraten viele der großangelegten Industrialisie-rungs- und Entwicklungsprojekte in seinem Reich ins Stocken. Das ist gleichbedeutend mit Gefahren für die innenpolitische Stabilität in Persien.

Man kann die gigantische Fehlspekulation der Rohölproduzenten auch in Zahlen ausdrücken. Dabei schneidet der Iran freilich noch am besten ab, dort beläuft sich die tägliche Produktion in Barrels gegenwärtig auf 5,9 Millionen bei einer Kapazität von 6,5 Millionen. In den arabischen Produzentenländern sieht die Bilanz allerdings wesentlich ungünstiger aus. Saudi-Arabien könnte

11,5 Millionen fördern, setzt aber nur 6,5 Millionen ab. Am Persergolf liegen die Zahlen bei 1,0 zu 2,4, 0,5 zu 0,7 und 2,1 zu 2,6 Millionen Tagesbarrels, wobei die erste Zahl die tatsächliche Verkaufsproduktion, die zweite die Höchstkapazität angibt. Am schlechtesten schneidet Libyen ab. Es könnte täglich 3,0 Millionen produzieren, verkauft gegenwärtig trotz seiner geographischen Vorteile aber nur 0,9 Millionen Barrels.

Den Schaden haben nicht nur die Produzenten, von denen die Preisschraube einfach überdreht wurde, sondern auch die Eigner der modernen Supertanker. Viele der Tankerriesen liegen still, und die Frachtraten sanken ins Bodenlose, so daß, wer überhaupt noch fährt, das vielfach mit Verlust tut. Die Wiedereröffnung des Suezkanals erweist sich für das aktuelle Rohöltransportgeschäft daher als völlig belanglos. Diese Entwicklung dürfte etwaigen politischen Pressionen der Rohöl-produzenten bei dem bevorstehenden europäischen Dialog mit den Nahostländern ebenso den Wind aus den Segeln nehmen, wie sie gegen allzu weitgehende Zugeständnisse der Europäer an die wirtschaftlichen und handelstechnischen Forderungen der Araberstaaten spricht. Den Nutzen könnten die europäischen Benzin- und Heizölverbraucher haben, wenn die von ihnen gewählten Regierungen ebenso besonnen reagieren wie die Bürger und wenn die großen ölgesellschaften die angesichts des Mißverhältnisses von Angebot und Nachfrage zu erwartenden Preisvorteile an die Verbraucher weitergeben.

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