Der Sturz vom Pfauenthron

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Der Iran, damals militärische Supermacht im Mittleren Osten, sollte mit Hilfe der Petro-Milliarden bis zum Jahr 2000 den Lebensstandard des Westens erreichen: Das war die Vision von Schah Mohammed Reza Pahlevi. Doch 1979 kam die Wende im Land. Ein Bericht über Aufstieg und Fall des "Königs der Könige" - der Autor lebte damals in Teheran.

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Der Iran, damals militärische Supermacht im Mittleren Osten, sollte mit Hilfe der Petro-Milliarden bis zum Jahr 2000 den Lebensstandard des Westens erreichen: Das war die Vision von Schah Mohammed Reza Pahlevi. Doch 1979 kam die Wende im Land. Ein Bericht über Aufstieg und Fall des "Königs der Könige" - der Autor lebte damals in Teheran.

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Teheran, 16. Jänner 1979: Ein kalter Wind fegt an diesem Tag über die flachen Dächer Teherans. Zwei Boeing 707 stehen startbereit vor dem kaiserlichen Pavillon des Mehrabad Airports. Die letzten Getreuen des Schahs haben sich dort versammelt, um von ihm Abschied zu nehmen. Ein Abschied für immer. Denn an diesem Tag beginnt für den Schah eine lange und bittere Odyssee.

Mit dem Sturz des Schahs erfüllte sich eine Prophezeiung, die Astrologen schon bei der Krönung des Kaiserpaares im Jahr 1967 unter das Volk brachten: "Die Zukunft des Schahs steht unter einem bösen Stern." Tatsächlich verunglückte der islamische Geistliche, der die Krönung leiten sollte, plötzlich tödlich. Viele Iraner sahen darin ein schlimmes Vorzeichen. Auch diverse Horoskope versprachen nichts Gutes: Dem "Kaiser aus 1.001 Nacht" wurde Sturz, tragisches Ende, Tod durch ein Attentat, auf jeden Fall Unheil prophezeit.

Für Insider waren die Symptome des Zerfalls der Pahlevi-Herrschaft schon längst sichtbar geworden. Ironischerweise begann der Anfang vom Ende 1971, als der Schah am Höhepunkt seiner Macht stand. Im Oktober dieses Jahres lud er Staatsoberhäupter aus aller Welt zur 2.500-Jahrfeier des persischen Kaiserreiches ein. Neun Könige, drei Prinzen, 13 Präsidenten, zehn Scheichs und zwei Sultane folgten der Einladung zum "Fest der Feste". Der ungeheure Aufwand, der die Gäste in Persepolis (Residenz der persischen Könige aus dem 6. Jh. v. Chr., heute Ruinenstätte; Anm.) erwartete, verschlug selbst den Reichsten von ihnen den Atem.

Berge von Kaviar Neben Bergen von Kaviar - den der Schah selbst niemals anrührte - wurden teuerste Spezialitäten aus Paris eingeflogen. Die Arrangements wurden vom Innsbrucker Hotelmanager Teifl, der schon früher das berühmte Ghion-Hotel in Addis Abeba geleitet hatte, getroffen. Zum letzten Mal kreuzte sich mein Weg mit Direktor Teifl in Beirut während des Bürgerkrieges 1975/76. In seinem Spitzenhotel brach ein Brand aus, bei dem er ums Leben kam.

Während die ausländischen Medien unterschiedlich über die gigantische Prachtentfaltung bei den Persepolis-Feiern, die mehr als 300 Millionen Dollar gekostet haben sollen, berichteten, erlebte das iranische Volk die Monster-Parade in historischen Uniformen nur am Fernsehschirm. Eine Wiederholung des farbenprächtigen Aufmarsches war in Teheran geplant, fand jedoch niemals statt. Khomeini und die Mullahs nahmen das Persepolis-Fest zum Anlaß für ätzende Attacken auf den Schah, die beim Volk, das sich von den Festlichkeiten ausgeschlossen fühlte, auf fruchtbaren Boden fielen.

Besonders heftig reagierten die Fundamentalisten, aber auch konservative Araber, auf die angeblich engen Beziehungen des Schahs zu Israel. Bereits der Perserkönig Kyros II. der Große (559 - 530 v. Chr.), der bei den Persepolis-Feiern besonders gerühmt wurde und als dessen Erbe sich der Schah betrachtete, befreite nach der Eroberung Babylons im Jahr 539 v. Chr. die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft. Viele von ihnen ließen sich im persischen Reich nieder. Ab 1927 durften sie sich auf Grund eines Dekretes von Schah Reza (dem Vater des letzten Schahs) auch außerhalb der Ghettos niederlassen. 1950 sollen im Iran zirka 100.000 Juden gelebt haben. 1948 flohen irakische Juden über den Iran nach Israel, und zwar mit Hilfe des israelischen Geheimdienstes Mossad, der von Teheran aus operierte. 1949 wurde Israel von der Türkei, 1950 auch vom Iran anerkannt. Daß Persien Erdöl nach Israel lieferte, erregte die gesamte arabische Welt. Neben der CIA unterstützte auch der israelische Geheimdienst Mossad den Aufbau der Geheimpolizei SAVAK, die als "Auge und Ohr" des Schahs galt. Ihr erster Chef war General Bakhtiar, der später gegen den Schah konspirierte und 1971 "starb".

Während die Stimmung im Iran Ende der siebziger Jahre immer stärker gegen das Regime ausschlug, glaubte der Schah in seinem goldenen Käfig, umgeben von unterwürfigen Ratgebern und Ministern, immer noch an seine Mission der Modernisierung des Landes, die dem Volk denselben Wohlstand wie im Westen bringen sollte. Er übersah, daß die immer häufiger organisierten Massen-Demonstrationen gegen seine Herrschaft auch mit Gewalt nicht unterdrückt werden konnten. Besonders nach dem Massaker am Jalehplatz, bei dem der Gouverneur von Teheran, General Oveissi, in die Massen schießen ließ (er wurde seither der "Schlächter von Teheran" genannt), nahmen die Ausschreitungen an Härte und Intensität zu.

Wie immer, wenn schwerwiegende Entscheidungen an ihn herangetragen wurden, zauderte der Schah auch in diesen dramatischen Monaten. Denn im Gegensatz zu seiner Zwillingsschwester Aschraf, die sieben Minuten vor ihm zur Welt gekommen war und wegen ihrer Tatkraft und Energie "Schwarzer Panther" genannt wurde, galt der Schah als introvertiert, ruhig und politisch schwach.

Damit war er genau das Gegenteil seines Vaters, der 1878 als Kind eines armen persischen Offiziers geboren wurde. Mit 15 kam Reza Khan zur neu aufgestellten Kosakengarde des damaligen Herrschers. In Teheran wurde kolportiert, daß er als einfacher Soldat vor der deutschen Botschaft Wache geschoben habe. 1921 putschte Reza Khan gegen die Kadscharen-Dynastie, wurde 1923 Premierminister und krönte sich schließlich am 24. April 1926 selbst zum Schah, genauso wie sein Sohn 41 Jahre später. Schah Rezas Vorbild war der starke Mann der Türkei, Kemal Atatürk. Die Modernisierung des 1934 in Iran (Land der Arier) umgetauften Landes stieß schon damals bei den Mullahs auf heftigen Widerstand. Mohammed Reza, sein ältester Sohn, wurde am 26. Oktober 1919 geboren. Der österreichische Nationalfeiertag mußte deshalb in Teheran immer etwas später gefeiert werden, denn der 26. Oktober war "Kaisers Geburtstag".

Viele Pläne des Schahs, der sein Land bis zum Jahr 2000 an den Standard der westlichen Wohlstandsländer heranführen wollte, blieben mangels ausreichender Vorbereitung, aber auch wegen des Widerstandes islamischer Fundamentalisten in den Anfängen stecken. So die Landreform, die den Pächtern und landlosen Bauern zu eigenem Grund und Boden verhelfen sollte, aber von Großgrundbesitzern und auch von vielen Mullahs torpediert wurde.

In allen Moscheen wurde der Haß gegen das Pahlevi-Regime gepredigt. Der Schah wurde als Werkzeug der USA und des Zionismus gebrandmarkt, der dem "Großen Satan aus dem Westen" Tür und Tor geöffnet habe. Selbst Anfang der siebziger Jahre, als der Schah infolge des Ölbooms den Höhepunkt seiner Macht erreicht hatte (der in Europa als "Ölschock" empfunden wurde), schlug Ausländern, die etwa die heiligen Städte Mashhad oder Qom besuchten, der Haß der aufgehetzten Bevölkerung entgegen. "Schert Euch zum Teufel", rief man uns zu, als wir ein Erfrischungsgetränk kaufen wollten.

"Teuflischer Westen" Der Ölboom füllte zwar die Kassen der Schah-Familie, erreichte jedoch die Masse des Volkes nur tropfenweise. Während das Zentrum von Teheran, früher eine gesichtslose Ansammlung von Häusern, durch Parks und neue Straßenzüge umgestaltet wurde und im Norden der Hauptstadt prachtvolle Villen der Neureichen aus dem Boden schossen, änderte sich das Leben in der "Down-Town", wo die Armen wohnten, nur wenig. Inzwischen weiß man allerdings auch dort, daß es der Masse der Bevölkerung während der Herrschaft des Schahs besser ging als heute.

Die Mullahs aber hetzten intensiv gegen den "teuflischen Einfluß des Westens" - gegen Alkoholgenuß (viele Perser liebten Wodka), gegen Prostitution (in Teheran gab es ein eigenes Bordellviertel, doch auch in Nachtclubs zeigten sich immer häufiger leicht bekleidete Damen), vor allem aber gegen die Emanzipation der Frauen, die von der Schahbanu, Kaiserin Farah Diba, so vehement gefördert wurde. Auch die "dekadente Kunst", wie sie bei den Festivals in Schiras präsentiert wurde und die Aktivitäten des "Literacy Corps", das eine Alphabetisierungs-Kampagne bis ins letzte Dorf trug und den Einfluß der Mullahs im Erziehungswesen zurückdrängte, war ihnen ein Dorn im Auge. Als Khomeini den Schah persönlich beschimpfte, wanderte er 1963 für einige Zeit hinter Gitter. Enge Berater des Schah forderten seine Exekution. Der Schah entschied sich jedoch für die Verbannung des Religionsführers. Exiljahre in der Türkei und im benachbarten Irak folgten. Im Oktober 1978 reiste Khomeini nach Frankreich, wo ihn der Schah weit vom Schuß wähnte. Doch das Gegenteil trat ein. Der Ayatollah trat mit westlichen Medien in Verbindung, insbesonders die BBC machte sich zum Sprachrohr Khomeinis. Seine Reden wurden in den Iran geschmuggelt.

Mohammed Reza stand bis zum Tode seines Vaters (er starb am 26. Juli 1944 in Südafrika, wohin ihn die Briten verbannt hatten) immer im Schatten seines starken, energischen, oft brutalen und despotischen Vaters. Aschraf, die Zwillingsschwester, hatte diese Eigenschaften geerbt. Viele glaubten, daß sie in den entscheidenden Monaten des Jahres 1978 entschlossener gehandelt hätte, als ihr Bruder, dem der sichere Instinkt und die nötige Kraft fehlte. Angeschlagen durch seine Krebserkrankung, tief enttäuscht über das Debakel seiner wohlgemeinten Reformen und die Verbündeten in den USA, die ihn skrupellos fallen ließen, ging der Schah ins Exil.

Khomeinis Rückkehr Am 1. Februar 1979, der im heutigen Iran als historischer Tag gefeiert wird, kehrte Ayatollah Khomeini nach Teheran zurück. Einige schahtreue Offiziere hatten die Entführung der Air-France-Maschine geplant, andere wollten sie abschießen oder in die Luft sprengen, doch der Schah stimmte keinem dieser Pläne zu. Waren noch im Jänner 1979 die Ölfelder und Häfen in den Händen der kaisertreuen Kriegsmarine, so änderte sich nun die Situation schlagartig. Selbst die Luftwaffe griff nun die Kaisergarde an. Binnen weniger Tage waren alle Schlüsselpositionen in den Händen der Khomeini-Anhänger.

Das Blutgericht, das nun begann, ist noch heute der Weltöffentlichkeit in grausamer Erinnerung. Tausende Schah-Anhänger wurden nach brutalen Folterungen wie Schlachtvieh hingerichtet. Alle diese Hiobsbotschaften erreichten den Schah in Marrakech, wohin er nach einem mehrtägigen Stopover in Assuan geflogen war. Marokkos König Hassan II., der als weltliches und geistliches Oberhaupt nicht mit den gleichen Problemen konfrontiert war wie der Schah, drängte seine Gäste diskret zur Abreise. Auch die USA zeigten ihm die kalte Schulter und empfahlen Paraguay oder Südafrika als Exilländer. Auch Österreich wurde als Exil in Erwägung gezogen. Die Krupp-Familie bot ein Schloß in der Nähe von Salzburg an. Bundeskanzler Kreisky sagte zwar nicht nein, befürchtete jedoch diplomatische Schwierigkeiten. Denn Teheran forderte die Auslieferung des "Mörders" ...

Schließlich war es Anwar el Sadat, der dem Schah das letzte Asyl anbot. In Kairo wurde er mehrmals operiert, doch am 27. Juli 1980, 10 Uhr vormittags, kam das Ende. Radio Teheran triumphierte: "Der größte Blutsauger des Jahrhunderts ist tot!" In der Rifai-Moschee von Kairo fand der Schah seine letzte Ruhestätte. Nur selten steht ein Tourist vor dem Grabmal aus grünem Marmor, aber auch Farah und andere Familienmitglieder sieht man nur am Todestag in der Moschee. Knapp 15 Monate nach dem Tod des Schahs starb Anwar el Sadat im Kugelhagel islamischer Fundamentalisten.

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