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Brandt kommt

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Jetzt ist die v$r noch geraumer Zeit auf diesem Subkontment fiir vdllig unmoglich gehaltene Situation eingetreten, daB in den Gettos von Mirpur, Mahammedpur und auch im Nordwesten des neuen Staates Mos­lems von Hindus vor Moslems be-schutzt werden mussen. Wenn der fiir den 25. Marz geplante Albzug der indischen Truppen Wirklichkeit wer­den sollte, stent zu befurchten, daB ein betrachtlicher Teil der mehr als eineinhalb Millionen Biharis, die erst wahrend der Aufteilung Bri-tisch-Indiens im Jahre 1947 aus ihrer als Hungerprovinz bekannten Hei-mat nach Ostbengalen eingewandert waren, einem verscharften Pogrom zum Opfer fallen werden. Die der-zeitige Aushungerungskaimpagne droht in eine ..Endlosung“ auszu-arten, falls die indische Schutzmacht nicht auf einer humaneren Regelung dieses Problems besteht.

Indien selbst will allerdings von einer Rilcksiedlung der Biharis nichts wissen, da man in Neu-Delhi noch zu sehr mit dem Abschieben der letzten drei von den ursprung-lich rund zehn Millionen Bengalen-fluchtlingen beschaftigt 1st. Und Pa-kistans Machthaber Zuflikar All Bhutto lehnte bislahg die Aufnahme der Glaubensbriider mit zynischen Worten ab. SchlieBlich kann er bei dem von der UNO propagierten Austausch der rund 500.000 in Paki­stan verstreuten und zumindest teil­weise der Intelligenz des Landes zuzurechnenden Bengalen gegen die Biharis nur verlieren, kame ein sol-cher doch einem „brain drain“ zu­gunsten der abgefallenen Ostprovinz gleich.

Doch auch in Dacca macht man sich angesichts der ungeheuren wirt-schaftlichen Probleme des gleich bei seiner Geburt zertrummerten Staa­tes nicht allzu viele Gedanlken iiber das Schicksal der verhaBten „Raza-kars“. Appelle und Waffeneinsamm-lungsaktionen durch den ungemein popuiaren Scheikh sind in Wirklich­keit nicht mehr als gutgemeinte Ge-sten, denen ein gewisser Hauch von Effekthascherei anhaftet. Die dar-niederliegende Wirtschaft genieBt in Bangla Desh Vorrang, und wenn auch der Sowjetfreund und Finanz-minister Tajuddin Ahmed prahlt, daB „unsere Wirtschaft bald auf eigenen Beinen stehen wird“, so kann man diesen Worten kaum mehr als den Charakter einer in Sudasien nicht unublichen GroBsprecherei zu-messen. Und daB gerade Indien, das nach Meinung eines der renommier-testen Asienkenner, Edwin Reisch-auer, „eben erst anfangt, In jene Welt hineinzuwachsen, in der wir leben“, als Vorlbild fur die Wirt-schaftsplanung genommen werden soil, lafit ein eher diisteres Zukunfts-bild entstehen. Dem nur inuhsam aus dem Siegestauimel herausfln-denden Nachlbarn, dessen Wirt-schaftswachstom nur maihsam glei-chen Schritt mit der Bevdlkerungs-explosion halten kann, wird von Experten eine ausgesprochen gliick-lose Wirtschaftspolitik bescheinigt. Die Skonamdschen Vorhalte umifas-sen von utopischen Planzielen, tota-ler Burokratisierung und auch Ver-politisierung des Wirtschaftslebens, gigantischen, aber unproduktiven Staatsbetrieben, teuren Importsub-stitutionen, antiprivatwirtschaft-

Die Teheraner Offentlichkeit be­schaftigt sich vorrangig mit dem be-vorstehenden dreitagigen Staats-besuch des deutschen Bundeskanz-lers Willy Brandt im Iran.

Die fruher traditionell engen zwi-schenstaatlichen Beziehungen zwi­schen Persien und der Bundesrepu­blik sind getriibt, seitdem die Bon­ner Sicherheitbehdrden beim letz­ten Staatbesuch des Schah-in-Schah, vor JKinf Jahren, umfang-reiche Demonstrationen linksgerich-teter Studentengruppen gegen den Gast nicht verhindem konnten und Geheimpolizisten aus Teheran auf rude Weise gegen die Damonstran-ten vorgegangen waren. Was Tehe­ran angeht, so sieht man in letzterem heute ein ungeschicktes Verhalten iibereifriger Schah-Schutzer, das die vergifltete Atmosphare nur noch mehr angeheizt habe. Der Schah ist jedoch nach wie vor der Ansicht, daB das liberale Auslanderrecht der Bun­desrepublik die schahfeindlichen Ak-tivitaten linksradikaler iranischer Studenten erheblich begunstigt halbe. Aus diesem Grund besteht bereits seit mehreren Jahren ein generelles Studlenverbot fur iranische Staats-stipendiaten in der Bundesrepublik. Teheran durfte in dieser Frage ge-wisse Zusicherungen des deutschen Regierungschefs uber eine kunftige engere Auslegung des Auslander-rechtes erwarten, ehe es dieses Ver-bot aufhebt.

Ihren Tiefstand hatten die ira-nisch-deutschen Beziehungen er-reicht, als Bundesprasident Heine-mann ungebuhrlich lange mit seiner Zusage fur die Teilnahme an der 2500-Jahr-Feier in PersepoMs zdgerte, diese Zusage SchlieBlich durch einen ungeschickten Brief seines Prasidialamtes an linksgerichtete Kritiker mit der „Staatsrason“ be-grundete und dem Iran bei dieser Gelegenheit nicht gerade schmeichel-haft klingende Zensuren erteilen lieB. In Teheran argwdhnt man bis heute, die Augenerkrankung Heine-manns, die seine Reise nach Perse-polis SchlieBlich ganz verhinderte, sei dem deutschen Staatsoberhaupt nur allzu gelegen gekommen.

In Teheran ist man durchaus be-reit, zuzugeben, daB die politischen Verhaltnisse noch nicht den Ideal-vorstellungen europaischer Demo-kraten entsprachen. Fremde Staats-oder Regierungschefs durften sich jedoch keinesfalls zu so undiplomati-scher Kritik an der Regierung eines befreundeten Landes hinreiBen las­sen. Der Schah sieht in dem Besuch des Priedensnotoelpreistragers Willy Brandt jedoch eine versohnliche Geste von igroBer Bedeutung fur das kunftige Verhaltnis zwischen beiden Landern. Er durfte in der kurzen zur Verfugung stehenden Zeit alles tun, um den Bundeskanzler von den Er-folgen seines politischen und okono-mischen Aufbauwerkes zu iiber-zeugen. Daneben durften die bilate-ralen Wirtschaftsbeziehungen im Mittelpunkt der Tehetaner Ge-sprache stehen. Der Iran wurde es begruBen, wenn die deutsche Indu­strie sich noch wesentlich starker ala bisher hier engagieren und am Auf-bauwerk des Schah beteiligen wiirde. Das setzt allerdings voraus, daB die Bundesregierung die entsprechenden Schritte deutscher Firmen kiinftig aktiv unterstiitzt.

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