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Digital In Arbeit

„Kultur — nur im Mund...

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nalisten. Fiir sie wird — wenn sie sich in keinem Angestelltenverhalt-nis beflnden, sondern frei schaffend sind — die Umsatzsteuer in der Pra­xis zu einer vorgehaltenen zusatz-lichen Einikommensteuer, die — ab-gesehen von ihrer Systemwidrig­keit — angesichts der im allgemei-nen ausbezahlten mehr als beschei-denen Honorarrate auch 'sozial nicht vertretbar ist.

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nalisten. Fiir sie wird — wenn sie sich in keinem Angestelltenverhalt-nis beflnden, sondern frei schaffend sind — die Umsatzsteuer in der Pra­xis zu einer vorgehaltenen zusatz-lichen Einikommensteuer, die — ab-gesehen von ihrer Systemwidrig­keit — angesichts der im allgemei-nen ausbezahlten mehr als beschei-denen Honorarrate auch 'sozial nicht vertretbar ist.

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Freiberufliche Honorare sind — mit einigen leicht deflnier- und ab-grenzbaren Ausnahmen — ihrem Wesen nach nichts anderes als un-regelmaBig und ohne festes Dienst-verhaltnis ausbezahlte reine Lei-stungslohne, aber keine Warenpreise. So etwa wird der Artikel eines Journalisten erst zur Ware, sabald er bei der Redaktion oder Presse-agentur abgeliefert ist; fur den Schreiber selbst ist er reine Arbeits-lei stung, die ebensowenig umsatz-besteuert gehort wie der vom an-gestellten Journalisten albgelieferte Artikel. Diese vom Sachlichen her gegebene Somdersituation vieler Freischaffender konnte also vom Ge-setzgeber durchaus berucksichrjigt werden, ohne daB davon Beispdel-folgen zu^efurchten waren. Die gna-dige Gewahrung des begfinstigten Steuersatzes lost die Frage nicht, sondern' sletlt noch immer “eine un-zumutbare Harte dar.

Die Einfiihrung der Mehrwert­steuer ware daher eine ausgezeich-nete Gelegenheit, hier endlich Remedur zu schaffen. Sich hderffir einzusetzen, ware nicht nur Aufgabe der Interessenvertretunigen, sondern auch aider jener Parlamentsaibgeord-neten, die — ganz gleich von wel-cher Partei — das Wort Kultur so gerne im Munde ffihren und deren Forderung ungieren. Der Finanz-minister hingegen konnte diesen Wunschen um so eher nachkommen, als die dadurch verursachten Ein-nahmeverluste kaum der Rede wert sind.

Durch die Mehrwertsteuer wird die geistige Arbeit noch weniger wert, als dies bisher schon der Fall war; dieses trau-rige Fazit laBt sich jedenfalls aus dem vorliegenden Gesetz-entwurf ziehen.

Sozialprestige des Soldaten in der modernen Industriegesellschaft sind verschiedenster Art. Zunachsit einmal fehlen fast alle Voraussetzungen, die diesem Stand in der Zeit unserer GroBvater und Vater zu dem verhalt-nismaBig groBen gesellschaftlichen Ansehen verholfen haben. Dies war in erster Linie das besondere Nah-verhaltnis zum Monarchen, der meist den obersten Soldaten des Staates verkorperte.

Mit der Abwertumg des Staates, deren Versuchen, seine autoritare Ein-fluBnahme auf alle Lebensberedche zu untergrabein, rnufite auch die Ab-wertung des Soddatenstandes folgen. Fiir diesen Wandel sind auBerdem einige Charakteristika der sogenann-ten pluralistischen Gesellschaft ver-antwortlich. Unsere Gesellschaft ist eine sekuritare Gameinschaft. In einer auf Sicherhedt ausgerichteten Gesellschaft verlient der Soldaten-stand aber vielfach an Attraktion. Unser Lebensbereich ist von einer tiefen Friedenssehnsucht erftillt, die vor allem von der Jugend forciert wird.

Die alarmierenden Nachrichten

Mehrarbeitshaus

Der neueste Steuer-Zickzackkurs-verlust, an den niemand dachte: be-kanntlich kann nun der Kirchenbei-trag als Sonderausgabe bei der Ein-kommen- und Lohnsteuer beriick-sichtigt werden. Bei den Dienstneh-mern geschieht dies im Wege des „Jahresausgleiches“. DaB damit den Unternehmungen zusatzliche — un-bezahlte — Arbeit aufgehalst wurde, interessiert die Finanzbehorden frei-lich nicht, zumal sie1 fiir Leerlauf Verstandnis haben.

Nun aber wollen auch die Pensio-nisten fiir ihre Kirchenbeitrage Lohnsteuer zuriickhaben, fiir einen Ansturm von Jahresausgleichsantra-gen ist aber keine der Pensionsver-sicherungsanstalten eingerichtet. Wenn sie es mit uns So weitertrei-ben, landen wir alle, trotz Arbeits-zeitverkiirzung, noch im Mehr-arbeitshaus. B.

Seit Monaten wird jetzt intensiv fiber die Mehrwertsteuer geschrie-ben; dies geschieht aber ausschlieBlich aus der Perspektive der Wirtschaft. DaB — mitgefangen, mitgehangen — auch nichtwirtschaftliche Berufe in Osterreich von der Umsatzsteuer er-faBt werden, obwohl diese auf ganz andere Probleme als die ihren zu-geschnitten ist, wird mit keinar Zeile gewfirdigt.

Dabei sind wieder einmal jene freien Berufe betroffen, die ohnehin schon Stiefkinder der Wohlstands-gesellschaft sind. Das Unrecht an ihnen, das mit der Einfuhrung und Beibehaltung der deutschen Umsatz-steuer an Stelle der weitaus system-konformeren osterreichischen Waren-umsatzsteuer begonnen hat, wird jetzt abermals verscharft.

Dennoch erhob sich bisher keine Stimme. Auch DDr. Nenning, der sonst so redefreudige BoB der Jour-nalistengewerkschaft, hat das Pro­blem seiner freischaffenden Kolle-gen noch keiner Erwahtiung wert gefunden, ebensowenig die Kfinst-ler- und Schriftstellerverbande als Vertreter der weiteren Hauptlbetrof-fenen neben den Journalisten.

Die Mehrbelastung der freien Berufe durch die Mehrwertsteuer er-gibt sich aus zwei Faktoren: erstens fallt der bisherige Umsatzsteuer -freibetrag weg, weiters wird der bisherige Allphasen-Umsatzsteuersatz von 5,4 Prozent auf den „be-gunstigten“ Mehrwertsteuersatz von 8 Prozent angehoben.

In der Wirtschaft mag das eine echte Begunstigunig sein.

Ganz anders bei den freien Be-rufen. Was kann der freie Journa­list, Schriftsteller, Kunstler fur Vorsteuerbelastunigen afosetzen? Etwa die auf dem Schreibpapier, auf dem Benzin seines Fahrzeugs Oder auf dem elektrischen Strom sei­ner Wohnung (sofern diese Posten uberhaupt als Betriebsauegaben an-erkannt werden) lastende Umsatz-steuer?

Systemwidrigkeit

Die Mehrwertsteuer erhoht aber nicht nur die Belastung, sie macht auch die Systemwidrigkeit der Um-satzsteuerbelastung auf Honoraren, die schon bed der Allphasensteuer gegeben war, ..transparent“, ent-larvt das kraB materialistische und komimerzialistische Denken, das in der Identifizierunig von Honorar und Warenpreis steckt.

Die Umsatzsteuer ist dadurch cha-rakterisiert, daB sie erstens nicht auf der Person, sondern auf der Sache ruht, und daB sie zweitens uiber-walzbar ist. Weniigstens die Uber-walzibarkeit ist zum Beispiel beim Anwalt oder beim Zivilinigenieur noch gegeben, nicht aiber beim Kfinstler, Schriftsteller oder Jour-

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