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Gehalt und Lohn

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Die notwendige Folge der allgemeinen Lebenskostenerhöhung in den letzten zwei fahren war die Steigerung der Löhne und jehälter. Das starke Ansteigen insbesondere ler Lebensmittelpreise und anderer lebenswichtiger Waren führte dazu, daß die -ohne der Hilfsarbeiter und mancher Fadi- irbeiter sowie die Lehrlingsentschädigungen m Verhältnis zu den Gehältern von löheren kaufmännischen Angestellten, Jeamten und Bürokräften bedeutend ge- iteigert wurden. Je höher früher das Gehalt :ntsprechend der sozialen Stellung war, Jm so geringer war im allgemeinen die Erhöhung der Bezüge.

Es ist selbstverständlich, daß in Aus- lahmezeiten der einst finanziell besser Gestellte sich mehr einschränken und auf nanches verzichten muß, damit vor allem 3er körperlich Arbeitende sein Auslangen rindet. Das hat nun allerdings dazu gerührt, daß Arbeiter in vielen Berufszweigen nehr verdienen, als langjährige Angestellte nit Fachwissen und höherer Schulbildung, ils Beamte in öffentlichen Stellungen und in der Privatwirtschaft. Das hat dazu ge- Eührt, daß eine Nivellierung und Anglei- :hung der Löhne und Gehälter Platz griff, die nur in dieser Notzeit ihre Rechtfertigung findet. Immer überstieg der Anteil des Lohnes, den der Arbeiter für Nahrungsund Genußmittel ausgab, den Gehaltsanteil des geistigen Arbeiters ganz wesentlich. Wenn nun für alle der Hauptanteil der gesamten Lebenskosten in erster Linie auf die Lebensmittel entfällt, muß der geistige Arbeiter in diesen Zeiten seine sonstigen Ansprüche zurückstellen, die übrigens ohnehin zum Teil gar nicht erfüllbar sind.

Wir müssen uns aber bewußt bleiben, daß dieses Mißverhältnis, das heute durchaus berechtigt erscheint, mit der Normalisierung der wirtschaftlichen Lage wieder ausgeglichen werden muß, wenn auch

Widerstände von seiten derjenigen zu erwarten sind, deren Löhne verhältnismäßig mehr erhöht wurden und nun ungefähr im gleichen Verhältnis wieder gesenkt werden müssen.

Ist eine weitgehende Abstufung von Löhnen und Gehältern eine notwendige Folge unserer Wirtschafts- und Gesell schaftsordnung? Das ist die prinzipielle Frage, die sich uns im Zu sammenhang mit der augenblicklichen und der künftigen Entwicklung aufdrängt. Ist die Verschiedenheit der Bezüge notwendig und gerechtfertigt? Diejenigen, die augenblicklich davon profitieren, werden nur allzuleicht geneigt sein, dies zu verneinen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Nivellierung weitgehendst zu einer politischen Forderung zu erheben und auch durchzusetzen, aber selbst ein Staat, der alle Machtmittel in der Hand hatte, mußte sich im Laufe der Zeit dazu bekehren, Lohn und Gehalt in erster Linie von der Leistung abhängig zu machen. Genau so, wie eine scharfe Beschränkung des Privateigentums, vor allem von Grund und Boden, den Ertrag herabsetzt, genau so nehmen die nivellierten Gehälter und Löhne den Anreiz, eine höhere — und das heißt natürlich auch besser bezahlte — Stellung zu erringen.

Privatinitiative und Leistungssteigerung sind die Fundamente einer ersprießlichen Staats- und Wirtschaftsführung. Erhöhte Arbeit und erhöhte Leistung kann nicht erzwungen werden, weil sie vor allem eine entsprechende Lern- und Lehrzeit, Schul- und Fachbildung voraussetzt. Sie entsteht auch nur dann, wenn der Anreiz eines Aufstiegs auf der sozialen Leiter besteht und dieser wieder ist gleichbedeutend mit höherem Lohn oder Gehalt. Nicht einmal für den weniger geschulten Akkordarbeiter ist zur Leistungssteigerung allein die körperliche Kraft maßgebend, sondern auch die Intelligenz, die Wendigkeit, Geschicklichkeit, Eigenschaften, die teils angeboren, teils bis Zu einem hohen Grade erlernbar sind.

Wenn wir uns aber nun den höheren Berufen zuwenden und uns die Spezialisierung vor Augen halten, die die neueste Zeit in allen Teilen der Wirtschaft, des Handels und Staatsapparates mit sich brachte, so wird uns klar, wie lange der einzelne braucht, um für eine höhere Stellung vorbereitet zu werden, die er voll und ganz ausfüllen soll. Diese Lehr-, Lern- und Ausbildungszeit muß später in einem höheren Gehalt ihren Ausdruck finden.

ganz unabhängig davon, wer die Mittel dafür aufbringt. Der Drang nach höherer Bildung, der Wunsch, sich Fachwissen anzueignen, ist nicht bloß ein ideeller, sondern paart sich mit der Hoffnung, dereinst auch eine wirtschaftliche Besserstellung zu erreichen. Es handelt sich — volkswirtschaftlich gesehen — um investiertes Kapital, das Zinsen tragen muß; trägt es diese Zinsen nicht, dann wird auch das Kapital in Zukunft nicht mehr aufgebracht werden.

Es ist gleichgültig, ob die Mittel zur Erreichung des Zieles von den Eltern und Pflegebefohlenen, wie es in der Regel bei uns der Fall ist, oder, wie es auch sein könnte, vom Staate aufgebracht werden, wenn nur die verantwortlichen Stellen dafür Sorge tragen, daß nur Geeigneten der Weg zu höheren Stellen im öffentlichen Dienst geebnet wird. In der Privatwirtwirtschaft regelt sich, wenn nicht auf die Freizügigkeit der Löhne und Gehälter von irgendeiner Seite ein Druck ausgeübt wird, ihre Festsetzung durch die vollbrachte Leistung. Wenn diese aber — kulturpolitisch und wirtschaftlich gesehen — nicht auch ihre entsprechende Vergütung erfährt, würde unsere gesamte soziale Struktur nicht aufrechtzuerhalten sein.

Die Vorbereitungszeit bis zur Erlangung der für irgendeinen Beruf notwendigen Reife beträgt unter Umständen viele Jahre und kann sich dauernd noch immer steigern. Der damit verbundenen Leistungssteigerung hat sich das Gehalt anzupassen Für Spitzenleistungen ist auch stets ein weit über dem „Durchschnitt“ liegendes Gehalt gerechtfertigt. Die „Kollektivverträge“ mit vorgeschriebenen Mindestgehältern bergen die Gefahr in sich, daß auch der Mehrleistende in der Regel ihnen unterworfen wird und seine Arbeit daher nicht so erbringt, als er dazu in der Lage wäre. In Zeiten wirtschaftlicher Tiefstände nützt aber auch die Festsetzung eines bis zur Tiefe des Existenzminimums herab- reichenden Mindestlohnes nichts, weil dann nötigenfalls Entlassungen eintreten oder der Betrieb stillgelegt wird.

Die Frage des sinngemäß abgestellten Lohnes und Gehaltes ist demnach gar nicht vom individuellen Standpunkt des Lohn- und Gehaltsempfängers zu betrachten, sie bildet vielmehr einen Kernpunkt unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsform. Jede Leistung, die auf Grund des Wissens, der Erfahrung und der Arbeit erbracht wird, muß „individuell“ bezahlt werden. Nur dann ist auch für die „Gesamtheit“, den Betrieb, den Wirtschaftszweig, den Staat gewährleistet, daß auch diese die ihr gestellten Ziele erreichen. Es wäre zweckdienlich, wenn gerade in dieser Zeit sich alle hiefür verantwortlichen Stellen diese Notwendigkeit eindringlich vor Augen hielten.

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