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Demolierung mit Eile

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Antwortlich gemacht worden waren? Gleichgultig, ab nun hervorragende Bauwerke, wie die Weilburg, sinn-loserweise in die Luft gesprengt wurden, ob man das herrliche Gar-tenviertel rund um die Strudelhof-stiege fiir Geld nur zu gem zu opfern bereit ist, unnutzerweise SchloB Weidlingau abzureiBen sich beeilt oder rund um den Stadtpark alte Gitter und am Donaukanal Otto Wagners Gelander abgerissen hat? ... Und der Katalog der Damolieruogen, Verschandelungen und Verwiistungen wachst und wachst. Und hinter allem scheint nicht nur Geschaftemacherei zu stehen, sondern auch der absolute Wille der Gemeinde Wien, just die einstigen Nobelviertel, wie das um die Prinz-Eugen-StraBe oder im 19. Bezirk, systematisch zu „prole-tarisieren“.

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Antwortlich gemacht worden waren? Gleichgultig, ab nun hervorragende Bauwerke, wie die Weilburg, sinn-loserweise in die Luft gesprengt wurden, ob man das herrliche Gar-tenviertel rund um die Strudelhof-stiege fiir Geld nur zu gem zu opfern bereit ist, unnutzerweise SchloB Weidlingau abzureiBen sich beeilt oder rund um den Stadtpark alte Gitter und am Donaukanal Otto Wagners Gelander abgerissen hat? ... Und der Katalog der Damolieruogen, Verschandelungen und Verwiistungen wachst und wachst. Und hinter allem scheint nicht nur Geschaftemacherei zu stehen, sondern auch der absolute Wille der Gemeinde Wien, just die einstigen Nobelviertel, wie das um die Prinz-Eugen-StraBe oder im 19. Bezirk, systematisch zu „prole-tarisieren“.

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Es ist langst eine Farce, daB man schon allwdchentlich iiber Demolie­rungen von fur Wien charakteristi-schen Bauten berichten kann. Und dennoch hat Wissenschaftsminister Dr. Herta Firnberg den Mut, 1973 zum Jahr des Denkmalschutzes zu praklamieren. Da werden sich also jetzt die Demolierer noch besonders beeilen mussen, mit ihrem Katalog falliger Bauwerke zu Rande zu kom-men. Denn daB sie's 1973 weitertrei-ben, konnte dann sogar der Frau Minister zu bunt werden. Weil's doch sicher ihrem Image schadet!

KARLHEINZ ROSCHITZ

Mit eigenen Augen

Denkmalschutz ist in Osterreich bald Thema Nummer 1 Rundfunk, Fernsehen, Tages- und Wochenzeitungen engagierei sich jetzt, wenn es um die Bettung osterreichischen Kultur besitzes geht. Ja sogar die Gemeinde Wien, der die jahrzehnte lange Verwiistung des Wiener Stadtbildes, teils durch planvolh Geschafte und Spekulationen, teils durch konzeptloses Archi tekturgewurstel, zur Last gelegt werden muB, macht sich unte: dem Hagel heftiger Angriffe von alien Seiten an Wiens Bau denkmalern und Althausern zu schaffen. Denkmalschutz, bis vor kurzem ein Thema, bei dem bestenfalls ein paar Idealisten auf die Barrikaden gegangen sind und Versicherungen und Ban-ken, Spekulanten aller Art, wiitend opponierten, ist endgiilti; auf die politische Ebene katapultiert worden. Ersannen docl findige Politikerkopfe die Rundfunk- und Fernsehsteuer, Kultur schilling genannt, der am 1. Marz in Kraft tritt. men, und wo man sich Zeit lassen kann, weil man auch bei der neuen Gesetzeslage ungestraft das Stadt-oder Ortsbild wird verwiisten kon­nen.

„Jahr des Denkmalschutzes“

Die Situation rist jedenfalls tat-sachlich grotesk geworden: 1964 un-terzeichnete Osterreich die „Haager Konvention“ zum Schutz der Denk-maler. Dieses Bekenntnis existiert freilich nur auf dem Papier, denn es sind bis heute keine Durchfuihrungs-bestimmungen gefolgt. Und kiirzlich lobte die UNESCO Osterreich fiir seinen wissenschaftlich vorbildlichen ersten Band des Schutzzonenatlas. Aber was niitzen solche Ergebnisse, wenn sie nicht in die Realitat, in die Praxis umgesetzt werden? Was niit­zen Bestimimungen, nach denen De-molierer wohl damonstrativ bestraft werden konnten, aber diese Bestim-mungen aus politischer Popuiari-tatshascherei nirgends angewendet werden? Wer hat schon einimal ge­hort, daB der Bur.germeister von Wien oder Baden, oder die Gewerk-schaft etwa fiir Demolierungen ver-

Die Schand'!

Ich warte auf den groBen Augenblick, in dem sich Reporter etwas von ihrer Abgebruhtheit schenken und statt dessen so et­was wie Mitleid und Anstand aufbringen. So, glaube ich, hatten sie der Mutter des Raubmdrders Sassak das Interview iiber ihre „Reaktion“ zur Verhaftung ihres Sohnes erlassen konnen. Kein Wunder, daB die arme Frau da-bei die ganze Zeit nichts anderes als „Die Schand', die Schand'!“ zu sagen wufite. Als ob es in solchem Augenblick noch auf Schand' und Ehre ankame! Mag aber sein, daB man in solchem Augenblick just durch unzureichende Aussage iiber das Furchtbare hinwegkom-men mdchte.

Weniger berechtigt erscheint mir die merkwurdige Einsilbig-keit, mit der sich die Offentlich­keit, die Presse, der Horfunk und das Fernsehen in Wien bisher iiber den ProzeB gegen zwei der Erbauer von Vergasungsanlagen im KZ Auschwitz ausgeschwiegen haben. Uberall anders — auch in Deutschland —, wurde den Mas-senmedien bei soldier Gelgenheit eine Menge zum Thema einfallen. Und nicht nur etwas iiber die Morder, sondern auch iiber die Opfer, unter denen sich in Auschwitz Menschen der kvinst-lerischen und intellektuellen Elite der osterreichischen Judenheit befunden haben.

Mir hat's deshalb auch nicht gefallen, daB der Bundeskanzler zu den antisemitischen Urlauten zweier Abgeordneter im Parla-ment nichts Stringenteres auBerte als Besorgnis, wie man im Ausland auf das Ganze reagieren konnte. Man glaubt formlich, auch ihn sagen zu hdren: „So eine Schand', solche Scherereien, die die einem immer machen ...“ Obwohl man gerade von ihm (ja, g e r a d e von ihm) etwas mehr zur Sache er-warten sollte. Etwa zu der Ver-bindung, die zwischen antisemiti­schen Urlauten und der Herstel-lung von Vergasungsanlagen durch osterreichische Ingenieure bestanden hat. Ware das iiber-trieben oder taktlos? Haben wir nicht seit den dreifiiger Jahren gelernt, daB gegen derlei Barbarei nur elementare und kraftige Reaktionen helfen konnen?

Die Abgeordneten zum Natio-nalrat werden gemeiniglich als re­presentative Auslese des Landes angesehen. Wie die Dinge liegen, ist es Sache dieser Auslese darzu-tun, was sie in diesem Land reprasentiert — wieviel Kultur, wieviel Humanitat und wieviel Bereitschaft, dafiir zu kampfen. Wir brauchen in jedem Fall Reprasentaniten, die auch ein Glas zuviel nicht fiir das zu furchten haben, das sie im Herzen tragen. James Baldwin, der Negerdichter, sagt hinzu: „Wer irgendeine Kategorie, eine Gruppe von Men­schen minderwertiger als die andern einstuft, tragt bereits Mord im Herzen.“

Assanierungsarbeiten in Nieder-osterreich einen Kulturschilling ein-heben wollte, stieB sie auf heftige Wider-stand des damaligen sozialisti sehen Abgeordneten Rosch, des hei tigen Innenministers. Nun hat; sic die SPO selbst zur Einfuhrung eine Wiener Kulturschillings entschlosse und hat sich in dieser Frage mit de OVP erstaunlich rasch geeinigt.

Freilich, trotz dieser Einhebung kann von einem Konzept fur die Assanierung kulturell wertvoller Zonen Wiens keine Rede sein. Viel­mehr sieht die Situation nach wie vor trist aus: Fast fiinf Millionen Schilling hat die Gemeinde Wien bisher jahrlich fur Demolierungen ausgegeben (dazu im Vergleich an die 13 Millionen fiir Empfange und Fest-lichkeiten), aber nicht einimal eine Million fur Stadt- und Ortsbild-pflege. Und nur 4,5 Millionen wurden fur die Erhaltung von Kunstwerken und Baudenkmalern aufgewendet (was ungefahr den Einnahmen aus der Hundesteuer entspricht).

Erst vor kurzem prangerte der politisch unabhangige „Arieitskreis fiir Denkmalschutz und Revitalisie-rung“ in einer Pressekonferenz die ,,Schizophrenic“ der Gemeinde' an, daB zum Beispiel die Abteilung fiir Stadtbildpflege mit ihren Vorarbeiten zu einem Zonenentwurf zur Alt-stadterhaltung lediglich die Grund-lagen fur Demolierungsaktionen lie-fert. Dient doch dieser Zonenentwurf alien Spekulanten, also Versicherun­gen, Banken, Realitatenburos, Archi-tekten als Nachschlagwerk, wo man sich mit den Abbrucharbeiten beei-len muB, um spater nicht mit dem neuen Gesetz in Konflikt zu kom-

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