6884220-1979_21_04.jpg
Digital In Arbeit

... und ein 1 anger Atem

Werbung
Werbung
Werbung

Vielleicht war die schmerzliche Niederlage am 6. Mai ein heilsamer Schock fur die Volkspartei, wirksa-mer als irgendein laues Ergebnis. Vielleicht setzt sich jetzt auf breite-ster Basis die notwendige Einsicht durch, daB die positiven Ansatze zur Parteireform, wie sie nach-den Nie-derlagen 1971 und 1975 gefunden wurden, konsequent weitergefuhrt werden mussen, soli die OVP bun-desweit wieder mehrheitsfahig werden.

Gemeint ist die konkrete Anwen-dung der Grundsatze des Salzburger Programms, gemeint ist die Organi-sationsreform, gemeint ist die 1976 von Taus initiierte Ideologiediskus-sion.

Die gefundene und eingeschlagene Linie muB viele Jahre durchgehalten werden, ein dauernder Zick-Zack-Kurs vermindert Aussagekraft und Glaubwiirdigkeit. Fur die Volkspartei, die in den Landern und Gemein-den und in der Sozialpartnerschaft zumindest mittelbar Verantwortung tragt, wird ein totaler Konfronta-tionskurs schwerlich gangbar sein. Konstruktive Opposition mit Alternatives Kontrolle und Zusammen-arbeit konnten jene Schlagworte sein, mit denen die Linie zu beschrei-ben ware.

Die Schlagkraft einer Argumentation steht und fallt damit, ob sie durchgehalten wird. Wenn jedoch Teil- und Landesorganisationen krampfhaft nach eigenen Inhalten suchen, anstatt die zentralen Partei-themen mit zielgruppenspezifischen Anreicherungen zu verbreiten, wird die Botschaft den Wahler nur in sehr diirftiger Form erreichen.

Die Volkspartei hat bundesweit eklatante Imagedefizite etwa bei den Pendlern, Alten, Jungen, bei Leuten, die durchschnittlich bzw. unter-durchschnittlich verdienen, bei kin-derreichen Familien oder berufstati-gen Frauen. Sie ist nach wie vor stark bei Wirtschaftstreibenden und Bau-ern. Nur: Vier von fiinf Wahlern sind Pensionisten oder Angehorige des Arbeitnehmerbereichs.

Eine Verbreiterung der Basis der Volkspartei tut daher not. Ausgangs-punkt hiefiir kann das Salzburger Programm und seine Konkretisie-rung sein. Jedes halbherzige Be-kenntnis dazu ist zu wenig. Vor allem in den Teilorganisationen und in je-nen Bereichen, in denen die Volkspartei Verantwortung tragt und Bei-spiele setzen kann, mussen aus die-sem Programm Konsequenzen fiir die praktische Politik gezogen werden.

Nicht mit Lizitations-Politik und nicht durch standiges Reagieren auf SPO-Vorschlage, sondern mit einer glaubwiirdigen grundsatzlichen Al-ternatiwision und mit einer offensi-ven Politik, die brisante Themen mit eigenen Vorschlagen selbst aufs Ta-pet bringt (etwa Arbeitszeitverkiir-zung, Vermogensbildung oder Ener-giepolitik), konnen wertvolle Punkte gesammelt werden.

Die Volkspartei muB klarmachen, daB mit ihren Grundsatzen die Auf-gaben des Rests des 20. Jahrhunderts angesichts von Rohstoffverknap-pung, Biirokratisierung, Zentralisie-rung, Umweltverschmutzung, zu-nehmenden offenthchen Defiziten, abnehmender Mitmenschlichkeit usw. besser und menschlicher bewal-tigt werden konnen.

In einem Interview mit der „Zeit“ hat kiirzlich der bekannte deutsche CDU-Abgeordnete Norbert Bliim erklart: „Ich glaube, daB die eigentliche Zukunftsentscheidung zwischen der Welt des nivellierenden Fortschritts -das ist vielleicht die Welt der gliickli-chen Idioten - und einer Welt bunter Vielfalt liegt, mit einem Maximum an Wahlmoglichkeiten. Das zweite ziehe ich vor, weil ich sicher bin, daB es viel mehr individuelle Wiinsche und In-teressen gibt, als sich alle Planfeti-schisten vorstellen konnen.“

Das Subsidiaritatsprinzip, die Be-kenntnisse zu Familie, Foderalismus und Eigeninitiative als Kernwerte der Volkspartei mussen eigentlich ein gutes Riistzeug fiir eine zu-kunftsweisende Gesellschaftspolitik abgeben. Ideologiediskussion kann daher nicht die esoterische Abgren-zung von einem pappkameradenartig aufgebauten Sozialismusbild, sondern nur Aufzeigen der Zukunftsbe-waltigung bedeuten.

Ein weiterer Rechtsdruck miiBte die Basis der Volkspartei neuerlich ver-engen. Die Volkspartei darf daher kein Kernschichtenprogramm anbie-ten. Sie darf mutige Ruckschlage nicht scheuen, wie sie schlieBlich nach 1945 - damals vor allem durch die Aussohnung mit dem nationalen Lager - mit ein Geheimnis des dama-ligen Erfolges waren. Heute sind Briickenschlage anderer Art not-wendig:

• zu jenen Menschen, die ihr Leben selbstandig gestalten wollen;

• zu jenen, die sich als Liberale fuhlen;

• zu jenen, die iiber ein materialisti-sches Fortschrittskonzept hinaus Sinnfragen des Lebens stellen;

• zu jenen, die die Solidaritat der Gemeinschaft brauchen.

Bei der starken geistigen Basis des Salzburger Programms und der not-wendigen Integrationskraft der Mitte besteht weder Gefahr der Standort-losigkeit noch die eines Abdriftens nach links oder rechts. Die starke Mitte garantiert vielmehr eine Politik nach dem MaB des Menschen.

Es ist meine feste Uberzeugung: Die Volkspartei hat Zukunft und kann attraktive, ja notwendige Hauptgestaltungskraft fur die gesell-schaftliche Zukunft sein, wenn sie nicht Angst vor ihrer eigenen Zukunft hat. Wenn sie nicht nur von Parteireform redet, sondern sie konsequent weiterfuhrt. Ohne Irritation und mit langem Atem.

(Der Autor ist Pressesprecher der OVP Steiermark. Er vertritt in die-sent Beitrag seine personliche Mei-nung.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung