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Fur Vorsicht ist es schon zu spat

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Das war die erste Phase nach dem Wahltag in der OVP: ein Einschwo-ren auf „Sachdiskussionen, nicht Kopferollen“. Die zweite war, daJ3 da und dort einer sagte, was er sich an sachlichen Neuerungen erwarte - zu-erst der OVP-Obmann von Wien, dann der Bundesparteiobmann, der Prasident des Bauernbundes, der Generalsekretar. Und jetzt beginnen die Angstlichen schon wieder zu zit-tern, daB ein falscher Ton hier und ein unbedachtes Wort dort MiBver-standnisse hervorrufen oder die Ei-nigkeit in der Partei beschadigen konnte.

Wahr ist jedoch, dafi es in der ge-genwartigen Situation keine Einig-keit in der Partei geben kann - das ist sozusagen ein Naturgebot. Es vertu-schen zu wollen, ware ganz und gar unglaubwiirdig. Und es ist auch nicht notwendig. Wenn man eine tiefe Ge-wissenserforschung und eine wirk-lich neue Weichenstellung vorneh-men will, muB alles heraus, was ir-gendwo in verdrangten Tiefen ru-mort. Das ist schmerzhaft und miih-sam, aber die unerlaBliche Voraus-setzung fur eine Besserung.

Sicher wird es gut sein, den Patien-ten nicht auf einem Operationstisch vor laufenden Fernsehkameras aus-einanderzunehmen. Klugheit und guter Geschmack diktieren jenen, die fur die Zukunft der Partei ungeteilte, Verantwortung zu tragen haben, ihre Grenzen.

Aber man rufe doch nicht gleich betulich nach zugemachten Turen, wenn da und dort ein Wort ausge-sprochen wird, ohne-vorher mit einem Dutzend Leuten abgesprochen worden zu sein. In der SPO hat es Meinungsverschiedenheiten iiber den Regierungskurs gegeben, die noch wenige Monate vor der Wahl in aller Offenheit zutagetraten.

Warum muB der OVP als „Unei-nigkeit“ schaden, was der SPO als „demokratische Diskussionsbereit-schaft“ angerechnet wird? Der Patient Volkspartei kann nur genesen, wenn iiber sein Leiden offen und ohne Selbstbetrug befunden wird. Er soil aber genesen, weil die Demokra-tie eine gesunde Volkspartei braucht.

Das ist ja wohl auch der Grund, warum Personen verschiedener Her-kunft und unterschiedlicher Stand-orte sich bereit erklart haben, in der vom Bundesparteivorstand der OVP ins Leben gerufenen Siebzehner-kommission an einem Reformkon-zept mitzuarbeiten, ohne selbst dem Parteiapparat anzugehoren.

Stutzte sich die OVP allein auf interne Parteireformer, ware man ge-wiB geneigt, von „Betriebsblindheit“ und „Nabelbeschau“ zu reden. Jetzt, da Reformberater von auBen beige-zogen werden, sollte man das der OVP nicht als „Ratlosigkeit“ und den Ratgebern auf Zeit nicht als „Hand-langerdienste“ auslegen.

Die OVP muB gesunden, weil die SPO sonst ubermachtig und ubermu-tig wird. Befande die SPO sich in einer ahnlichen Situation wie heute die Volkspartei, miiBte man sich als De-mokrat ebenso aufrichtig um deren Erneuerung bemiihen.

Und wenn iiber Gesundungsre-zepte in den nachsten Wochen und Monaten offen und wohl auch hart gesprochen werden wird, dann mo-gen die Besorgten sich mit der Ge-wiBheit trosten, daB angstliche Schonfarberei die OVP langst nicht mehr retten kann.

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