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„Alles ist Gnade

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Gott der Heerscharen, in Dir xvoltnt die Fiille des Guten; senke in unsere Herzen die Liebe zu Deinem Namen und gib uns Wachstum im religibsen Leben; lafl das Gute erstarken und bewahre das Erstarkte mit huldvoller Vaterliebe.

(Kirchengebet am 6. Samtag nach Pfingsten)

Begegnet man diesem jahrhunderie- alfen Gebetstexf, der ohne Zweifel schon in der Reformationszeif alljahr- lich gesprochen wurde, dann kann man sich nur kopfschuftelnd fragen, wie jemals in- und auljerhalb der Kirche die Meinung aufkommen konnte, dab katholischer Glaube zur Werk- heiligkeit oder auch nur zu einer ab- geschwachfen Form dessen fiihren mochte, was einst der antike Irrlehrer Pelagius verkiindete: zum falschlichen und ubergrofjen Verfrauen auf die eigene sittliche und religiose Kraft, die das Heil des „gufen Menschen” bewirken konnte. Das Gebet dieses Sonntags ist lang, fast uberladen und uberfrachfet mif einer Fiille von Ge- danken, von denen jeder fiir sich Stoff zur Meditation bote. Aber man merkt fast eine bestimmfe Absicht in dieser Komposition: Es soil das aus- gesagt werden, was Theresia von Lisieux auf ihrem Sferbebett immer wieder verkiindete: „Alles ist Gnade.” Schon die Liebe zum Namen Gottes ist eine solche unverdiente Gnade, wenn sie eben mehr ist als das un- bestimmte, nebelhafte Gefiihl des „G6ftlicheh” und auf ein lebendiges, zwar einen unaussprechlichen, aber eben doch einen Namen tragendes Du gerichtet ist. Auch das Wachstum die-

ser Liebe ist nicht efwa Fruchf eigenen ..Trainings” oder eigener religioser Studien. Es ist Gnade gleich dem Arr- fang. Die Gebetswiederholung — ein sehr seltener Vorgang bei diesen sonst so klassisch kurzen, jeder Red- seligkeit abholden Orationen — hat den Zweck, diese vollige und aus- schliefjiiche Gnadenhaftigkeit noch einmal auszudrucken und besonders einzupragen. Vom Erstarken des Guten ist die Rede, das kraftlos und diirr bleiben mufjte, so schon auch die Vorsatze und Konzeptionen waren. Und selbst das schon Erstarkte, das schon Erreichte hat von sich.aus keine Kraft zum Besfehen, keine Dauerhaftig- keit aus sich. Es bedarf der frei und huldvoll gewahrfen Gnade, um be- wahrt zu bleiben und nicht wieder in sich zusammenzubrechen. Das Wort „Vaferiiebe* bedeutef noch eine letzte Steigerung. Es ist nicht nur die ein- malige konigliche Huld der Begnadung nofig, sondern die standige, dem Kinde nachgehende, sorgende und vorausschauende Vaterliebe. Es ist, als ob der Beter mit immer neuen Gewan- dern, immer neuen Gunsterweisen um- geben wurde, die ihm „gratis” (aus Gnade) gewdhrt werden, sofern er nur selbst weif; und bekennt, ganz und gar nackf und hilflos zu sein.

Man wird die bohrende, kirchen- geschichtliche Frage nicht los: Haben die suchenden Christen der Reformation, die um die Alleinwirkung der Gnade rangen, solche und ahnliche Gebefe der einen und allgemeineri Kirche gekanni, in der sie selbst als Priester aufgewachsen sind?

Viele Bucher hat er* geSthrieben, Vortrage im ausgewahlten Kreis von Theologen und Laien gehalten, aber was seine religiosen Volksversamm- lungen in alien Teilen der Welt an- belangt, so hatte er bestimmt die meisten und die begeistertsten Zu- horer von alien Predigern des Jahr- hunderts und damit wohl aller Zeiten zu verzeichnen. Die Grundgedanken Pater Lombardis sind einfach, naturlich … und was das wichtigste ist, im praktischen Leben realisierbar.

Das erste, grundlegende Gebot:

„G o 11 iiber alles!”

Sinnlos aber ist eine derartige Fest- stellung fur sich allein, denn Lombardi fiigt obigern Satz gleich hinzu:

„Meine Beziehungen zu Gott sind so, wie ich mit den Menschen lebe!”

„Christentum ist nicht Feind der Welt. Man sollte aber die Welt im Lichte des Christentums sehen und er- leben. “

Daher sollte das Leben (sowohl in der Meditation als auch in der Tat) ein standiger Dialog mit Gott sein. Daraus ergabe sich der Reflex des Christentums auf die menschliche Ge- meinschaft. Diese wurde dann zur briiderlichen Gemeinschaft, in welcher jeder einzelng seine besondere Auf- gabe habe.

Die erste Aufgabe der Anhanger der Bewegung ist die, standig an der Besse- rung des eigenen Ich zu arbeiten.

Weiter:

Die Idee verbreiten.

Die Idee verwirklichen.

Kerntruppen bilden.

Mit diesen Kerntruppen (weltweit) in Kontakt bleiben.

Aus den Ausfiihrungen folgert, daB jeder Mensch in Haus und Beruf, in jedern Wort und jeder Handlung, die Grundsatze des Christentums prak- tizieren soil. Je hoher die Position und der Wirkungskreis, um so grofier die Verantwortung und Verpflichtung. Wenn an jemanden der Ruf zur Ak- tivitat ergangen ist und der Betref- fende erkennt dies in seinem innersten Gewissen, so hat er kein Recht, sich dieser Forderung zu entziehen.

Daraus ergibt sich die gebieterische Folgerung, daB katholische Manner und Frauen in ihrem Berufsleben, vor allem im offentlichen Leben, sich un- beirrt einzusetzen haben, wo sie christliche Grundsatze anwenden kbn- nen; daB sie vor allem aber dort wirk- sam werden miissen, wo die Kirche nicht offiziell Stellung nehmen kann.

Jede Siinde bedarf der Suhne durch Gebet und Opfer; jede schlechte Tat erfordert die Kompensation durch die gute Tat des Opfers und der Liebe. Diesbeziiglich ist die gesamte Mensch- heit als eine Einheit anzusehen. Daher ist jeder von uns an jeder Mensch- heitskatastrophe mitverantwortlich.

Kurz zusammengefafit, konnte man den Leitgedanken in einem Satz f ormulieren:

• „Demut vor Gott, Mut vor den Menschen, Liebe zu Gott und den Menschen f”

Der schwerste und schwerst iiber- windbare Fehler des Durchschnitts- christen ist zumeist mangelnder Mut und spieBerische Bequemlichkeit. Der Fortschritt des irdischen Lebens steht keinesfalls im Gegensatz zu den christlichen Grundsatzen, der Fortschritt muB nur mit den moralischen Erfordernissen der Religion in Uber- einstimmung gebracht werden, ebenso wie der soziale Fortschritt in Har- monie der christlichen Forderungen geldst werden muB.

„Christus in alle Berufe und Funk- tionen hineintragen! In alien Fortschritt und in alle Lebenslagen!”

Dies ist das Mittel fur eine bessere Welt!

Die fiinf Kurstage, denen eine Audienz beim Heiligen Vater ein- gefugt worden war, gingen allzu schnell dahin. Wahrend des Zusam- menseins kam die vergnugliche Seite nicht zu kurz. Jeden Abend gab es Musik, Gesang und Eitizeldarbietun- gen von Kursteilnehmern, die Freude machten.

Kurse ahnlicher Art werden im Laufe des Jahres nicht nur in Italien, sondern auch im deutschen Sprach- gebiet abgehalten.

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