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Ein Schlssel zur sowjetischen Seele

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Die Revolution entläßt ihre Kinder. Von Wolfgang Leonhard. Verlag Kicpenhauer k Witsch, Köln-Berlin. 558 Seiten

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Die Revolution entläßt ihre Kinder. Von Wolfgang Leonhard. Verlag Kicpenhauer k Witsch, Köln-Berlin. 558 Seiten

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Man hat uns immer wieder Sowjetrußland geschildert, doch das blieb eigentlich stets im Exotischen stecken; warum die Menschen dort so seltsam, so anders reagieren als wir es tun, blieb trotz allem ein Geheimnis. Der Wert dieses Buches, das genau studiert zu werden verdient, liegt darin, daß man Wer der Fabrikation einer sowjetischen Seele beiwohnt, und zwar nicht eines simplen Bürgers, sondern eines Parteifunktionärs, einem der zum Salz der Erde gehört. Wir sehen zu, wie die Typen geschmiedet werden, mit denen Europa zu verhandeln hat und von denen es teilweise beherrscht wird.

Der Verfasser, der 1948 aus der Ostzone nach Jugoslawien flüchtete, ist anscheinend heute noch Kommunist, jedoch ein Feind des Stalinismus. Er war 1935 als Dreizehnjähriger mit seiner Mutter von Berlin über Schweden nach Rußland emigriert und ist dort in einem privilegierten Kinderheim erzogen worden. Obwohl er Zeuge der fürchterlichen „Säuberung“ von 1936 bis 1938 war, -der zufolge auch seihe Mutter nach Sibirien verschickt wurde, machte ihn dieses in seinem Marxismus und Stalinismus keineswegs irre. Er studiert, wird bei Kriegsbeginn als Deutscher nach Asien verschickt, besucht Parteischulen, kommt nach Moskau an den deutschen Sender und fliegt bei Kriegsende mit Ulbricht und anderen nach Berlin, um eine neue Verwaltung zu organisieren.

Religion spielt in seinem Leben keine Rolle; einmal nur erwähnt er, daß er in Rußland nie einen Menschen getroffen habe, der nicht selbstverständlich Atheist gewesen wäre. Auch die Liebe wird bei ihm nur zwei-, dreimal in Nebensätzchen gestreift. Aber auch die Liebe zum leidenden Nebenmenschen, die ja doch eine Triebfeder des ganzen Kommunismus sein müßte, spielt kaum eine Rolle. Ohne besondere Gewissensbisse ißt der Verfasser die bessere Nahrung, während die Nichtprivilegierten darben, gar nicht viel anders wie ein „Kapitalist“. Das ist ja das Paradoxe des Kommunismus: um des Menschenglücks willen werden die Menschen unglücklich gemacht, um ihres Wohlbehagens willen werden sie ausgebeutet — kurz, die Menschen werden überall zu Mitteln erniedrigt, wo sie doch offiziell der heilige Zweck sein sollen! Liebe und auch Kunst spielen keine Rolle, weil die im Marxismus keine bestimmende Rolle spielen. Auch die Natur wird kaum je erwähnt, sie ist eine nicht gut zu vermeidende Begleiterscheinung. Was bleibt? Ein glühender Glaube an die Doktrin, an die zur Kirche gewordene Partei, an die zum Menschheitsgipfel gewordene Führung, an die zum Menschheitsziel gewordene Weltrevolution. Ein intensives Durchdenken aller Geschichte, aller Probleme der Agitation, der Massenführung, des politischen Kampfes. Ein stetes Vorkauen aller Fragen und Probleme für die Massen in gräßlicher Simplifizierung. Und bei alledem ein angenehmes,engeres Vereinsgefühl der Höheren, der Führenden, der „Kader“: „Wann mir ins Wasser springen, springen S' alli nachi!“ Wie der Verfasser allmählich lernt, den Mund zu halten, ist überzeugend geschildert.

Das ganze ist eine Theokratie, aber ohne Theos: angebetet wird der Mensch, der zugleich kujoniert wird. Dabei sind diese Leute (in ihrer Wirkung, ihrer Klugheit ja nicht zu unterschätzen!) im Grunde doch nur Philister von überaus mieser Intelligenz; Kleinbürger, aber bloß in der anderen Richtung; spezialisierte Schachspieler —• aber leider mit lebendigen Menschen auf Schlachtfeldern oder Kornfeldern. Am besten sind sie noch, wenn sie dumm sind (also „Gefühlskommunisten“), weil sie dann wenigstens ein gutes Herz haben. Sie glauben immer noch, der Zweck heilige die Mittel, während diese den Zweck doch schon längst zu einem Konzentrationslager geschändet haben. Stalins Sympathie für Hitler war echt.

Ah, aus diesem Buch kann man lernen! Zum Beispiel, wie eine „Selbstkritik“ zustande kommt, und was für eine bestialische Sache das eigentlich ist. Oder auch, warum unsere sonnenklarsten Argumente auf den Parteifunktionär nicht den geringsten Eindruck machen. Sagt man ihm zum Beispiel, daß der russische Arbeiter zehnmal länger für ein neues Paar Schuhe arbeiten muß als der amerikanische, so entgegnet er kühl: „Das ist ja bekannt, daß der Lebensstandard absterbender Kulturen der höchste ist, und der der neuen, beginnenden anfangs ein tieferer!“ Kurz, er weiß alle Antworten, mögen diese auch das größte Blech sein. Er versteht unter „Freiheit“ etwas völlig anderes als wir (nämlich einen abgenötigten Verlegenheitsbegriff des Marxismus) und kann darum mit bestem Gewissen erklären, daß nur in Sowjetrußland echte Freiheit herrsche... Aber noch nie hat eine Revolution ein so dürftiges, ein so häßliches Bild von Menschen hinausprojiziert!

Dieses neue „Mankind in the making“, diesen neuen Prozeß der Menschwerdung sachlich geschildert zu haben, ist das nicht geringe Verdienst des Verfassers. Die Lektüre des Buches müßte für alle westlichen Staatsmänner und Politiker als obligatorisch erklärt werden.

Bekenntnis zur katholischen Kirche. Herausgegeben von Karl Hardt. Echter-Verlag, Würzburg. 194 Seiten.

Vier evangelische Theologen von überdurchschnittlicher Bildungshöhe schildern uns, wie sie den Weg zur Kirche Christi gefunden haben, und wollen damit vor ihren früheren Glaubensbrüdern den letzten Schritt ihrer Konversion rechtfertigen. Ob der Weg zur Kirche Christi über den geschichtlichen Christus der Bibel oder über den sakramentalen Christus der Liturgie oder über den „ganzen Christus“ des Corpus mysticum oder über das betende Gottsuchen „durch Christus, unsern Herrn“, zum

Ziel führt, Immer Ist die Konversion „ein aufmerksames Hinhorchen auf die ewigen Wahrheiten und dann ein vernünftiger Gehorsam gegen den Ruf Gottes“. Der gebildete katholische Leser — das Buch ist keine leichte Lektüre — wird das Gnadenwirken Gottes bewundernd und dankbar nachfühlen, ahnen lernen, wie schwer es' für unsere getrennten Glaubensbrüder sein muß, über alle anerzogenen Vorurteile und vorausgesehenen Konsequenzen einer Konversion hinweg zur Heimkehr aus der unsicheren Fremde in die Geborgenheit des Vaterhauses sich zu entschließen, und verstehen, daß von „unserer Seite“ diese Heimkehr vor allem unterstützt werden muß durch das Vorleben eine wirklich in Christus geformten Christen und durch die fortwährende He.rrenbitte: „Zu uns komme Dein Reich.“ Trostvoll und beschämend zugleich wird es mancher katholische Leser empfinden, wenn er sich erst vom Konvertiten muß sagen lassen: „Während die katholische Kirche viele irdische Ordnungen sterben und christliche Nebengebilde im Wirbel der Meinungsanarchie dahinwelken sah, wurde ihr die Gnade des Ueberdauerns der Epochen zuteil, ohne zu altern, die Gnade der Einheit, ohne zu uniformieren, die Gnade der Aussonderung, ohne sich aus der Welt zurückzuziehen, die Gnade der Vollendung, ohne ihre Entfaltung zu beenden, kurz die Gnade der Fülle, ohne sich in frevelhafter Selbstberauschung preiszugeben ... Wenn uns heute noch einmal eine neue, im Transzendenten verankerte Lebensform geschenkt werden sollte, ich wüßte keine andere Einrichtung, die die Vielfalt der auseinandergelaufenen Dinge zu vereinen und zum Ewigen hin zu verklären vermöchte als die Kirche in ihrer katholischen Gestalt.“

Meßerklärung nach dem Rundschreiben ..Mediator Dei“. Von Prof. Dr. Alois Beck. Im Selbstverlag (zu beziehen durch Missionsbuchhandlung St. Gabriel, Mödling bei Wien). 131 Seiten, mehrere Tafeln. 6. und 7. Auflage.

Prof. Beck, der Wiener Männerseelsorger, wendet sich in seiner Meßerklärung vornehmlich an die Männer. Daß diese sich angesprochen fühlen, beweist allein schon die Tatsache der 7. Auflage. Das Buch ist aus einem Vortragszyklus entstanden und der Verfasser hat diesen Rahmen absichtlich beibehalten. Was das Werk dadurch an Uebersichtlich-keit verliert, gewinnt es an Lebendigkeit. Es will ja kein Nachschlagewerk sein, sondern ein Führer zum Verständnis des heiligen Opfers. Es will die Männer, das einfache Volk, zur aktiven Mitfeier der Messe führen. Der Verfasser setzt ebensowenig besondere Kenntnisse des Lesers wie bestimmte Gottesdienstformen voraus und wird daher überall seinen Zweck erreichen.

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