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Hochkonjunktur für Apokalypsen

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„ Weltuntergang 1999" ist der verheißungsvolle Titel des neuesten Werkes von Charles Berlitz. Zu Beginn der Sommerferien brachte eine Wiener Tageszeitung A uszüge aus dem Bestseller in spe. Die von der Tageszeitung wiedergegebenen Teile des Buchs werden dem Leser als„packender Report über drohendes Unheil: Sintflut, Beben und Kometen" angepriesen.

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„ Weltuntergang 1999" ist der verheißungsvolle Titel des neuesten Werkes von Charles Berlitz. Zu Beginn der Sommerferien brachte eine Wiener Tageszeitung A uszüge aus dem Bestseller in spe. Die von der Tageszeitung wiedergegebenen Teile des Buchs werden dem Leser als„packender Report über drohendes Unheil: Sintflut, Beben und Kometen" angepriesen.

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Bunt gemischt werden Nostrada­mus, die Apokalypse des Johannes und der Prophet Sacharja, um die Un­vermeidlichkeit eines unmittelbar be­vorstehenden Atomkriegs zu belegen. Eine mögliche Kollision mit Plane­toid Toto in den achtziger Jahren wird ebenso bemüht wie die miß­glückte Landung eines außerirdischen Riesenraumschiffs in Sibirien.

Das Ganze wird mit einer Prise Umweltverschmutzung, der berech­tigten Sorge wegen der Atomrüstung gewürzt und auf seriös getrimmt, um sich zuletzt durch den vorgeschlage­nen Ausweg - Exodus mittels Raum­schiffs - doch wieder als das zu entlar­ven, was es eigentlich ist: der Versuch mit der Angst und der Sensationslust der Menschen ein Geschäft zu ma­chen.

Wir dürften aber in einer günstigen Zeit für Weltuntergangsüberlegungen leben. Dies beweist der Umstand, daß auch ein anderes renommiertes Wie­ner Journal das Thema „Ende mit Schrecken?“ behandelte. Seriöser na­türlich: In den dem Malachias zuge­schriebenen Papst-Prophetien sind wir weit unten in der Liste angelangt: Nach Johannes Paul II. scheinen nur mehr zwei Namen auf.

Auch Nostradamus kommt zu Wort mit seiner für Oktober 1999 vor­hergesagten endzeitlichen Katastro­phe und der bayrische Hellseher und Brunnenbauer Alois Irlmaier, der Vi­sionen von einem bevorstehenden Atomkrieg in Europa gehabt hat.

Recht wenig konnte ich mit den an­gebotenen Schlußfolgerungen anfan­gen: Dem Leser wird „Mut zum Sein“ empfohlen, allerdings aus der Einsicht abgeleitet, „daß das Sein unendlich besser ist als das Nichtsein.“ Da bin ich als Wiener versucht, mir „No na“ zu denken. Da nehme ich schon lieber Erich Fromm zur Hand, wenn er über Haben und Sein nachdenkt!

Man könnte alles Einschlägige bei* seite legen und sich daran erinnern.

daß die Jahrtausendwende weniger als zwanzig Jahre vor uns liegt und daß - wie uns die Geschichte zeigt - eine solche Periode eben ein guter Nähr­boden für Weltuntergangsstimmung ist.

Die Reaktion eines Freundes aber hat mich stutzig gemacht. Er war nach der Lektüre eines der Artikel echt betroffen, besorgt, verunsichert. Soll man da noch daran denken, ein Kind in die Welt zu setzen, ein Haus zu bauen, längerfristige Pläne zu er­stellen?

Da ich mich seit vielen Jahren wis­senschaftlich mit Fragen der Zukunft beschäftige, nahm ich mir aufgrund der geäußerten Besorgnis vor, mich näher mit dem Fragenkreis auseinan­derzusetzen. Das im Juli erschienene Buch „Was morgen wahr sein kann“

bot eine Gelegenheit dazu. Es ist eine umfassende Sammlung von Zukunfts­aussagen: von religiösen Prophetien über Visionen, von Astrologie über unkonventionelle geologische Theori­en, von astronomischen Konstellatio­nen bis zur Delphi-Befragung von Zu­kunftsdeutern.

Ich muß zugeben, daß mich diese Fülle von gezielt gesammelter Infor­

mation betroffen hat. Die Abschnitte über UFOs („unbekannte Flugobjek­te“) und mittels medialer Mitteilung vorhergesagte Evakuierung der Erde haben mir allerdings gleichzeitig be­wußt gemacht, wie vorsichtig man mit derlei Information umgehen muß.

Denn Weltuntergangsbetrachtun­gen üben einen ganz eigenartigen Reiz auf die verschiedenen Menschen typen aus:

„Der Weltuntergang tröstet die Gescheiterten mit dem Ende der Hoffnung aller und die Lüstlinge mit dem allgemeinen Katzenjammer. Im Weltuntergang finden die Lebensmü­den einen Abschluß, ohne etwas zu versäumen, und die Jammerlappen ein achtbares Motiv des Wehklagens. Der Weltuntergang verspricht den Langweiligsten noch ein Strohfeuer und den Sensationslustigsten noch er- gierte Aufpeitschung . . ., reizt die Ge­walttätigen zum Austoben ihrer Af­fekte und die Zerstörungswütigen zur vollendeten Befriedigung ihrer Nei­gung.“

Und: „Der Weltuntergang läßt die Ängstlichen vom Kanapee dem Schicksal mutig in den Rachen schau­en und die Vorsichtigsten die Zukunft stark ertragen. Und vor allem und für alle: Solange der Weltuntergang noch nicht da ist, ist er auch nicht lästig; ist er aber da, so geht doch alles Lästige mit unter. Was eignet sich sonst so an­genehm für gesellschaftliche Unter­haltung?“

Jeder, der sich mit solchen Frage­stellungen beschäftigt, wird das eine oder andere dieser von Bernhard PhiL bert beschriebenen Motive in sich ent­decken können. Ist also doch die beste Reaktion die, alles beiseite zu schie­ben, was mit Zukunftsdeutung zu tun hat?

Ich meine nicht, bin allerdings be­sorgt, daß das kunterbunte Mischen von Ernstzunehmendem und Sensati­onsheischendem die eigentliche Ge­fahr darstellt. Wie naheliegend ist es doch, mit einer Handbewegung alles vom Tisch zu wischen und mit dem Gedanken, jetzt würden auch noch die Sterndeuter und Handleser zum Vorhersagen von bevorstehenden Ka­tastrophen bemüht, zur Tagesord­nung des Weiterwurstelns zurückzu­kehren!

Nun wird aber jeder, der sich etwas eingehender mit der Situation der Ge­sellschaft in der heutigen Zeit ausein­

andersetzt zugeben, daß wir weltweit mit äußerst schwerwiegenden Proble­men und Krisenerscheinungen kon­frontiert sind. Es erscheint mir müßig darüber zu streiten, ob einzelne Pro­bleme in der Geschichte der Mensch­heit schon in ähnlicher Weise aufie- treten sind öder nicht.

Sicher gab es die „gute alte Zeit“, die wir heute gerne nostalgisch bemü­hen, nie. Gerade weil die alten Zeiten nicht auch gut waren, gab es ja so vieT le Entwicklungen, die wir im Rück­blick zurecht als Fortschritt bezeich­nen. Das darf uns aber nicht überse­hen lassen, daß die heutige Zeit, gera­de durch die in jüngster Vergangen­heit gezielt vorangetriebenen Ent­wicklungen, ihre besonderen Gefah­ren birgt.

Die besondere Bedrohung unserer Tage scheint mir darin zu liegen, daß wir allzu leichtfertig komplexe Ord­nungen zerstören, die unser Überle- be'n absichern. „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, ist das Motto un­seres Vorgehens.

Ich möchte das am Beispiel unseres leichtfertigen Umgangs mit dem Le­ben illustrieren: Fortschritte der Bio­chemie und der Genetik haben dazu geführt, daß unser Wissen über die Art, wie Leben gesteuert und weiter­gegeben wird, sich enorm vermehrt hat.

Damit stiegen auch die Eingriffs­möglichkeiten in die Ordnungen, die Träger des Lebens sind. So gelang es kürzlich den Forschern Illmensee und Hoppe, Zellkerne bei Mäuseembryos zu übertragen. Mit dieser Methode lassen sich vollkommene Kopien von Lebewesen produzieren. .

Diese vertiefte - immer noch ex­trem lückenhafte - Einsicht in das Wie der Steuerung von Leben steht im krassen Widerspruch zu unserer Hilf­losigkeit bei der Beantwortung der Frage nach dem Was des Lebens.

Wer im Lexikon unter dem Stich­wort i,Leben" nachschlagt, erkennt die Ratlosigkeit: Das Schweizer Lexi­kon gesteht offen ein, keine Definiti­on geben zu können. Bei Herder ver­wendet man eine Tautologie: „Be­reich des Lebendigen“. Auch der

Brockhaus („Seinsform des Lebendi­gen“) bringt kein „Aha“-Erlebnis.

Damit doktern wir an etwas herum, was wir in seinem Wesen nicht erfas­sen, und produzieren dabei unweiger­lich Zusammenbrüche der bisher be­stehenden Ordnung des Lebens.

Auch wer diese Ordnung nicht als von Gott in sinnvoller Weise grundge­legt ansieht, kann aus der Mensch­heitsgeschichte ihre Überlebensträch­tigkeit über Jahrtausende erkennen. Diese Einsicht sollte ausreichen, alle Versuche, in die Ordnung des Lebens einzugreifen, strikt hintanzuhalten.

Und ähnlich ist unser Zugang in anderen Bereichen: Wir greifen mit der Atomspaltung in die Strukturen ein, die Träger von Energie und Mate­rie sind, ohne über das Wesen von Energie und Materie Erschöpfendes aussagen zu können.

Oder: Wir verändern gezielt und massiv die Formen des menschlichen Zusammenlebens, der Aufzucht und Erziehung von Kindern, der Bezie­

hung zwischen den Geschlechtern, ohne daß die Veränderer wissen, was es im letzten ausmacht, Mensch zu sein.

Je großräumiger und weitreichen­der dieser Ordnungsabbau wird, um­so stärker wird die Bedrohung für das Überleben der Menschheit werden.

Damit soll nicht einem ängstlichen Bewahren von allem und jedem das Wort geredet- werden. Wo Klarheit über die Struktur und Einigkeit über das anzusteuernde Ziel herrscht, kön­nen und sollen Änderungen ange­bracht werden. Nicht jeder beliebige Machtmißbrauch, jede ungerechte Ressourcenverteilung darf sich auf das Prinzip des Bewahrens von Ord­nung berufen.

Wohl aber sind im Interesse unseres Überlebens jene Ordnungen zu be­wahren. die Träger der Existenz sind: Leben, Materie, Energie, Person...

Wer diese Ordnungen leichtfertig verletzt, beraubt die Menschheit eines bewährten Fangnetzes, das Jahrtau­sende funktioniert hat. Fehlentwick­lungen, die es immer geben wird, fie­len durch den Rost, ohne das flexible Überleben des Ganzen zu gefährden.

Dieses Netz leichtfertig zu zerstö­ren, sind wir heute dabei. Und hier gilt es, auf die weltweit verheerenden Konsequenzen hinzuweisen. Wir ver­fügen über technische Möglichkeiten, die uns instand setzen, das Überle­ben des Menschen in der bisherigen Form grundsätzlich zu gefährden.

Hierin sehe ich die dramatische Ge­fahr unserer Tage. Sie hat endzeit­lichen Charakter, weil sie die Existenz der gesamten Schöpfung gefährdet. Diese Bedrohung wird verdunkelt, wenn man unabwendbare Katastro­phen nur als Nervenkitzel an die Wand malt.

Was als unausweichliches Schicksal erlebt wird, erzeugt Resignation und Fatalismus. Die sich abzeichnenden

Katastrophen lassen sich aber durch Besinnung und Umkehr verhindern. Dafür lassen sich sehr wohl Menschen gewinnen - eben für ein friedfertige­res, demütiges, einfaches, die Größe Gottes und seiner Schöpfung aner­kennendes Leben.

Der Aufruf zur Umkehr war immer das zentrale Anliegen aller christli­chen Prophetie. Ich frage mich oft, warum in einer so ernsten Zeit die christliche Verkündigung nicht mehr aus dem prophetischen Buch der Ge­heimen Offenbarung schöpft, um We­ge und Auswege aus dem sich ab­zeichnenden Chaos zu weisen und die rechte Hoffnung zu machen. Nicht nur Physiker sehen in ihren Bildern die Verheerungen eines Atomkrieges. Soll man das Letzte Buch der Bibel den Sekten zur Deutung überlassen?

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