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UBER DEN SNOBISMUS

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Je mehr sich die sozialen Unterschiede verwischen, je geringer die Aussichten dafiir werden, daB sich noch eine gesellschaftliche Hierarchic bildet, und je schwieriger es wird, das voneinander zu unterscheiden, was man friiher ,,Oben” und ,,Unten” nannte, um so scharfer wird der Hunger nach sozialem Prestige. Obwohl es keine Oberschicht (auf franzdsisch ,,bonne compagnie”) mehr gibt, mochten immer mehr Leute ihr angehdren. Wir leben in einem Lande, in dem die Gleichmacherei bis zur Leidenschaft gesteigert ist, und trotzdem mochte jeder mehr gelten als der andere und sich unterscheidende Merkmale zulegen. Das fangt ganz bescheiden an: jeder will den groBten Fernsehapparat haben, infolgedessen werden nur noch Gerate gekauft. Jeder will nicht mehr — wie alle Welt — nach Capri reisen, infolgedessen haben Massentransporte nach den Kanarischen Inseln eingesetzt. Jeder strebt nach vornehmem Verkehr, obwohl er die vornehmen Leute haBt, die es iibrigens gar nicht gibt.

Steigt man hdher hinauf, so beginnt die Schlacht zwischen den Automarken, zwischen einem Teppich von Tiibris und Aubusson, zw’schen einem Gemalde von Utrillo und Salvador Dali. Man kann eine Bucharabriicke ebenso glucklich verleum- den wie einen Picasso und damit sichere Merkmale sozialer Zugehorigkeit ruinieren. Das Vergniig*en, auf den Mitmenschen herabzusehen und ihn beim Klettern nach Geltung um einige Stufen zu schlagen, ist bei uns eine nationale Passion geworden und hat viel mehr Anhanger als in Spanien der Stierkampf. Fast alle Attribute, die zu diesem Wettstreit gehoren, stammen aus sozialen Epochen, die hinter uns liegen. Alle Kostbarkeiten und Schonheiten sind dazu da, eine Tradition vorzuspiegeln, die es nicht gibt. GewiB, zuerst muB der Kiihlschrank groBer, die Zimmerlinde hoher und der Kleinwagen iiberwunden sein. Dann aber kommen die sogenannten alten Mobel und Gobelins daran. Refektoriumstische, Altarleuchter und Holzmadonnen weisen auf hohere Lebensart hin. Der Triumph unserer Epoche ist die kiinst- liche Patina.

Von diesem Hintergrund hebt sich der richtige Snob gunstig ab, denn er strebt nicht so sehr nach sozialem Prestige bei jeder- mann, er will vielmehr zu einer Gruppe oder Schicht gehoren, die ihm erstrebenswert erscheint, weil er ihre Qualitaten erkannt hat. Aber er will sich auch auf kunstliche Weise bestimmter Unterschiedsmerkmale bemachtigen, die man nicht erwerben kann, weil sie naturlich sind. Auch der Snob will sich unterscheiden, aber auf stille Art; er will sein Anderssein nicht plakatieren, sondern glaubhaft machen. Es kommt ihm darauf an, sich Merkmale anzueignen, die andere selbst haben. Er ist zwar unernst, aber harmlos: er bringt dadurch Nutzen, daB er auf guten Geschmack und freundliche Umgangsformen angewiesen ist, aber er fiihrt auch Nachteile mit sich, vor allem dadurch, daB er fur die menschliche Gesellschaft Vorbilder und Ideale aufstellt, die schon langst keine mehr sind. Sein Wesen vollig zu definieren, will selten gelingen, weil es durch Streben nach feinem Umgang durch falsche Exklusivitat nicht zu erschbpfen ist. Als Darwins Lehre. zum Gesprachsstoff wurde, .bezeichnete ,, man in England das Wesen des Snobs als den .Wiggle for High- Life”, was auf deutsch sehr tteffend als det „Kafflpf ums Dabei- sein” wiedergegeben worden ist.

Das Wort „Snob” hat keinen klaren Ursprung. Der englische Schriftsteller Thackeray hat es in seinem „Book of Snobs” (1860) in die Literatur eingefiihrt, in einem Augenblick also, als die Demokratie sich in Europa zu entfalten begann. Marcel Proust hat den Snobismus gleichsam zu entsiihnen versucht und ihm in sehr geistvoller Weise einen positiven Sinn zugesprochen. Er hat — etwa an der Figur des Monsieur Bergotte — dargestellt, daB Snobismus und Intelligenz durchaus vereinbar seien. Zudem hat der grofie Schriftsteller selbst durch seine Lebensfiihrung zahlreiche Schulbeispiele fiir das geliefert, was man sowohl im gehobenen wie auch im vulgaren Sinne auch heute noch Snobismus nennt. Oscar Wilde hat diese Eigenschaft bis zur Selbst- vernichtung gesteigert. Er war geistvoll und grofiartig genug, diesem Kreis zu einer Zeit, in der das Wort Gesellschaft noch etwas bedeutete, Lehren zu erteilen und die gute Lebensart, die sich zu verlieren drohte. wachzuhalten. Aber die Gesellschaft adoptierte ihn gleichwohl nicht und versagte ihm vollstandig und erbarmungslos ihren Schutz, als er gegen das Gesetz verstieb. Auf tragischerer Ebene wiederholte sich an ihm das Schicksal Brummels, der ebenfalls zu den „Standbildern” des Snobismus gezahlt werden kann, Brummels Herrschaft iiber Mode und Ma- nieren im London der Napoleonischen Ara war fast unbeschrankt, er beherrschte auch den Kronprinzen, aber er gehorte nicht zu dessen Schicht. Sobaid er die Grenzen zwischen Sein und Dabei- sein aus dem Auge verier, achtete ihn dieselbe Gesellschaft, die er soeben nicht dirigiert hatte.

Das Wort mag eine Abkiirzung von „Sine nobilitate” (ohne Adel) sein, aber diese Erklarung besagt heute wenig iiber das Wesen der Sache, weil der Adel durchaus nicht mehr gleich-

bedeutend mit jener Schicht ist, zu der der Snob gehoren mbchte und auch gehort, sobaid sein Verhalten mehr geworden ist als bloBe Nachahmung. Es wird freilich in den meisten Fallen zu- treffen, daB der Durchschnittssnob zum Adel hinstrebt, weil er hier die Reste einer gesellschaftlichen Gliederung vorzufinden glaubt. Bei dem Hochadel und den Fiirsten mag er am leichtesten auf seine Kosten kommen. Aber zum Ungliick fur ihn gibt es bei uns so viele Vertreter dieser beneidenswerten Schicht, daB sie keinen Seltenheitswert haben. Deutschland besitzt heute noch mehr Prinzen als Italien, und das will wahrlich etwas heiBen. Ihre hervorstechendste Eigenschaft besteht darin, „verwandt” zu sein, und die Freude daran, daB sie alle Vettern und Cousinen sind, ist eine der wenigen Genugtuungen, die die Zeit ihnen bietet. Denn sie ahnen wohl, daB ihre Beliebtheit in den illustrierten Blattern ein wenig suspekt ist und daB die Blatter lieber Filmdamen und Weltraumschiffer bringen wurden, wenn diese auch nur annahernd so zahlreich waren wie die grofien und kleinen Kronen. Der Adel konnte trotz seiner Massen- haftigkeit dem Snobismus in Deutschland noch viel Nahrung geben, wenn er nicht selbst dem Snobismus verfallen ware. Er traut der natiirlichen Selektion langst nicht mehr und hat das

Gefiihl, „verschieden” zu sein, eingebuBt. Es ist daher nicht verwunderlich, daB er diese Verschiedenheit durch Kunstgriffe wieder aufzurichten versucht, die alle aus dem Arsenal des Snobismus stammen. Nancy Mitford hat einen sehr amiisanten Katalog von Redensarten aufgestellt, mit deren Hilfe sich die „upper class” in England von der iibrigen Menschheit zu unterscheiden versucht.

Auf etwas primitivere Art unternimmt dies der deutsche Adel, der seine geschichtlichen Umstande in sein UnterbewuBtsein aufgenommen hat und dadurch den osterreichischen Hochadel als sein naturliches Vorbild betrachtet. Den schleppenden osterreichischen Akzent anklingen zu lassen und jerie verdorbenen Fremdworter zu gebrauchen, die dem osterreichischen Adel dutch den langen Umgang mit einer weitgehend fremdsprach- lichen Armee naturlich sind, ist das hochste Bestreben des deutschen Adels. Er wird immer von den kleinstaatlichen Ver- haltnissen fruherer Zeiten gepragt bleiben.

And=:rssein ist die Parole von Gruppen und Schichten, denen keine natiirliche gesellschaftliche Gliederung mehr zur Ver- fiigung steht. Der schlesische Adel sagt ,,nervos” anstatt „ner- vos”, in anderen Gegenden wird das Wort „Trompeter” auf der ersten Silbe betont, grofies Ansehen bringt der Gebrauch des Wortes „agassant” (von agacer = argern); auch empfiehlt es sich, das Wort „Ingenieur”, das nach deutschem Sprach- gebrauch inkonsequenterweise halb deutsch, halb franzosisch ausgesprochen wird, zu gebrauchen. Nur Burgerliche sagen: ,,Ich danke Ihnen”, es muB richtig heiBen: „Ich bedanke mich auch schon”, und was dergleichen Faxen mehr sind. Auch der Gebrauch der Anrede ,,Du” ist ein unterscheidendes Merkmal. In England stellt sich die Frage freilich nicht, in Frankreich war das ,,Du” noch vor zwanzig Jahren sehr selten, in Italien duzt sich alle Welt („Wie geht es dir, Herr Botschafter?” sagt der Attache), im alten Osterreich duzte man sich unter seines- gleichen. Der ungluckselige Graf Berchtold, der den Namen eines Besuchers nicht richtig verstanden hatte, fragte ihn: ,,Bist du ein Fiirst, bist du ein Graf, oder wie heiBen Sie?”

Auch der Gebrauch von Vornamen spielt eine grofie Rolle und setzt viel Fingerspitzengefiihl voraus. da man ja sowohl einen guten Freund, als auch einen Lakaien mit „Paul” anredet. Jedes MiBverstandnis fallt in dem Augenblick weg, wo man einen erwachsenen Menschen mit dem Kosenamen aus seiner Kinderzeit bezeichnet. Es gibt 100 Kijo schwere Grafen, die als Sauglinge, was sie ja schliefilich auch einmal waren, „Schnecki” gerufen wurden und diese Bezeichnung heute, wo sie triibe und glatz- kbpfig sind, immer noch tragen. „Hast du schon gehort, Tutti, daB der arme Schnecki Hohenwart seinen zweiten Schlaganfall gehabt hat?” Trotzdem kann es geschehen, daB er sich noch einmal erholt und Tutti, deren Teilnahme geweckt ist, mit briichiger Stimme anruft: „Hier ist Schnecki Hohenwart!” Auch macht es sich sehr gut. von Personen, die gerade Mode sind,

Der echte Snob ist damit recht vorsichtig, denn wenn er ein wirklich echtes Exemplar seiner Sorte ist, so bringt er sich nie in eine Situation, in der er uberfiihrt werden konnte. Er sagt also vom Herzog von Windsor: „Eigentlich komisch, daB ich den guten Davie, der doch soviel herumkommt, nie kennengelernt habe.” Oder: „Die arme Elsa schiefit einen Bock nach dem ar.deren… jetzt wieder diese Geschichte mit der Callas! Ich bin direkt froh, daB wir uns nie begegnet sind. Sie werden es nicht glauben, aber es ist so!” Man kann ungestraft von den meisten Leuten als „arm” sprechen; es ist eine franzbsische Angewohnheit, die sich wahrscheinlich nicht aufs Vermogen bezieht. „Peggys arme GroBmama will ihr beim Umzug helfen.” Oder: „Die arme Friederike Griechenland hat diesmal ihre Tochter mitgenommen.”

Der Snobismus der Leute, die eigentlich Gegenstand des Snobismus sein muBten, kann als autark bezeichnet werden, weil er keines AnstoBes von auBen bedarf, sondern sich aus sich selbst am Leben erhalt. Er ist daran zu erkennen, dab auch die kleinste Feststellung nicht als solche getroffen, sondern in einen mon- danen Zusammenhang gebracht wird. Die Politik und sogar die Geschichte werden als Familienereignisse behandelt. „Die Cumberlands waren ganz reizend zu mir, obwohl doch Onkel Joschie den Vertrag von X. mitunterzeichnet hat.” Es handelt sich um nur den Vornamen zu nennen, auch wenn man sie nicht kennt. ein Ereignis aus dem Jahre 1866. Oder bei einem Gesprach uber den Dom von Pistoja: „Sind das die Pistojas, wo der Tino so ein glanzender Skilaufer ist?” Oder man spricht von einem alten Verwandten, der einmal an einem fiir Italien ungiinstigen Flot- tenvertrag mitgewirkt hat: „Das war aber auch nicht recht von ihm, den armen Savoy ens das anzutun.” Mit Leuten, deren Vor- fahren oder sonstige Verwandte Opfer historischer Katastrophen geworden, muB man Mitgefiihlt haben, besonders wenn Attentate im Spiel waren, „Der arme Tommy Jugoslawien ist so reizend!” oder „Der arme Baudoin!” (weil sein GroBvater einen Felsen hinuntergesturzt ist), aber auch: „Seit der Geschichte mit Rasputin gehe ich den Dimitris aus dem Wege.”

„Ein Prinz kann kein Snob sein”, schrieb Marcel Proust. Er kannte eben die deutschen Verhaltnisse nicht. Um den Snobismus vollkommen auszuiiben, muB man die soziale Schicht, in die man eindringen will, genau kennen, was am sichersten dadurch erreicht wird, daB man schon zu ihr gehort, ohne ihr freilich noch eine groBe Pragekraft zuzutrauen. Viel amiisanter ist jener Snobismus, der nach raffinierter Selektion als der durch Rang und Namen strebt. Es gibt ihn auf dem Gebiet der Kunst, der Innen- dekoration, der Literatur, des Reisens, des Essens, der Kleidung, kurz, er kann sich in alien jenen Lebensformen entfalten, die noch eine gewisse Auswahl, oder, anders gesagt, einen freien Willen voraussetzen. Ein Franzose sagte neulich: „Der Snob ist ein Herr, der offentlich bewundert, was ihn, wenn er alleine ist, langweilt.” Sehr hiibsch, aber wird der Kreis der Snobs damit nicht ungebuhrlich erweitert? Soli man wirklich alle Leute, die begeistert von der abstrakten Malerei sprechen und sich ihr im Innern entziehen, zu den Snobs rechrien? Nein, nicht jeder Feigling, nicht jeder Konformist ist ein Snob. Es kommt darauf an, welcher Meinung und Gewohnheit er sich unterwirft. Nie- mals diirfen es die der Allgemeinheit sein. Damit wurde er seine positiven Eigenschaften einbufien, denn wenn seine Ideale auch am Ende die Menge erreichen, so hat er sie doch in einem kleinen Kreis gefunden. Er wirkt an der Entfaltung von Moden, Gewohnheiten, aber auch von Ideen mit, die niemals von ihm stammen, die aber gleichwohl ihren Wert haben. AuBerdem leistet er nutzliche Dienste, er kennt immer die besten Adressen, macht uns auf Restaurants aufmerksam, die klein und abseits gelegen sind und in denen der Wirt - nicht lange mehr! — selber einen vorziiglichen Hahn in Rotwein bereitet; er fuhrt uns zum Antiquitatenhandler, bei denen ein Paar Enten aus elsassischer Fayence zu finden ist, er signalisiert uns, daB eine bedeutende Verbreitung der Smokingschleifen bevorsteht, er halt uns davor zuriick, Badeorte und Wintersportplatze aufzusuchen, die „niemand” mehr frequentiert, und er gibt in der Geselligkeit einer ausgedorrten und ganzlich unscheinbaren spanischen Prin- zessin, ohne zu schwanken, den Vorzug vor dem reizenden Filmstar.

Arthur Koestler hat in einer gereizten Studie uber unser Thema jenen Mann einen Snob genannt, der auf der Bude eines

Schrebergartchens eine Fernsehantenne hat und dabei nicht einmal ein Radio besitzt. Das Beispiel ist nicht so treffend, wie es klingt, denn der Antennenbesitzer ist einfach ein „Angeber”, und auBerdem will er nichts Besonderes, sondern, im Gegenteil, „wie alle” sein. Ein sehr altmodisches, aber in seiner Zeit genaues Beispiel war der Mann, der seinen Hund nach London schickte, damit er dort das Bellen erlerne. Doch die Gegenwart bietet immer noch Beispiele genug. Der Besitzer eines Landhauses wird gefragt, wie die schonen Blumen auf den Beeten an der Treppe heiBen. „Keine Ahnung”, antwortet er, „aber in England heiBen sie Begonias.” Ein falscher Snob, und dem Manne mit der Antenne gleichend, ist jener, der in sein Adressenbiichlein Namen von prominenten Leuten eintragt, die er gar nicht kennt. Dagegen ist es kein Snobismus, vor einem Konig Ehrfurcht zu zeigen, vorausgesetzt, daB es wirklich einer ist und nicht vielleicht einer ware, wenn die Dinge anders gelaufen waren. In Frankreich gibt es noch Darnen, die zum Sterbedatum der guillo- tinierten Maria Antoinette schwarze Kleider tragen. Dagegen gibt es auch bei uns Hausfrauen, die an einem Fastentag ein Fleischgericht servieren lassen und dem Gast zuflustern: ,.Neh- men Sie ruhig, der Erzbischof von X. hat uns eine General- dispenz erteilt.”

In solchen Situationen muB man sehr auf dem Posten sein, um nicht schwerhorig zu ftagen: „Einen was? Und was hat der Erzbischof mit diesem kbstlich duftenden Hammelriicken zu tun?” Wenn man sich rachen will, kann man sagen: „Ich sammle jetzt schon Faberges!” (Faberge war ein Juwelier, der fiir den Zarenhof kostbare Nippes anfertigte.) Niemand wagt zu fragen, wer und was das ist.

Die Moglichkeiten, Leute, die nicht „dazu” gehbren, durch literarischen Snobismus zu erschrecken, sind unermefilich. So kann man ein Gesprach uber Balzac fiihren und selbstverstand- lich jenen heute unbekannten Guez de Balzac aus dem 17. Jahr- hundert, einen Epigonen Montaignes, meinen, wahrend das ahnungslose Gegenuber von dem beriihmten Romanschriftsteller spricht. Das gleiche Spiel kann man mit Rousseau treiben; jeder glaubt, daB von dem Verfasser des „Gesellschaftsvertrages” die Rede ist, wahrend man in W’rklichkeit einen 40 Jahre friiher geborenen Versemacher meint, der einst beriihmt war und heute vergessen ist. Dies Spiel ist grausam, und Snobs sind nicht grausam. Es dient eher zur Bestrafung von „Angebern, die be- haupten, sie lasen vor dem Einschlafen gern noch einige Seiten Heidegger oder hatten die Vulgata im Urtext standig auf dem Nachttisch.

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Ein rich tiger Snob muB auf manches Vergnugen verzichten, denn er weiB, daB Filmstars, selbst wenn sie vom Papst empfan- gen worden sind, und Mannequins niemals zur Gesellschaft ge- horen, mag ihre Rolle in Cannes oder St. Moritz noch so glanzend sein. Man muB entsagen konnen und den Mut haben, Elsa Maxwell auszuweichen, selbsr wenn sie mit dem Herzog daherkommt, denn diese formlose Journalistin ist Zwar immer „dabei”, gehort aber trotzdem nicht „dazu”. Aber hat es noch Sinn, diese feinen Unterscheidungen zu predigen? Nutzen und Nachteil des Snobismus mbgen noch so gleichmabig verteilt sein, der echte Snob ist unwiderruflich zum Aussterben verurteilt, weil die Unterscheidungsmerkmale, die er sich angeeignet hat, keine Geltune mehr haben. Zwar gibt es noch einzelne Leute mit guiam-G&hMsfck unJiih&nenVmeren’A-aber es gibt keine - Gruppe mehr, bei der difie Qutdiyiten 2tfVerFa,ssigi!-zU’:fftnden:’>i’ sind. Objekte des Snobismus smd neute bei tihsHh erster Linie Personen, die grofien geschaftlichen Erfolg haben. Sie genieBen eine an Gbtzendienst grenzende Verehrung und scheinen zu einer Gesellschaft zu gehbren, die nicht mehr vorhanden ist. Sie halten sich Innenarchitekten. von denen man nie weiB, ob es Lieferanten oder Gaste sind, und die ihnen kapitonierte Betten und Barockengel besorgen. Sie lassen Camelien aus dem Ausland

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