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Christliche Dichtung nicht per Dekret

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Der 1977 dem Papst iiberreichte Bericht iiber die gesell-schaftliche Wirksamkeit der Kirche in Osterreich ist nun mit Kommentaren und „Forderungen fur die Zukunft“ unter dem Titel „Kirche in Osterreich“ im Styria-Verlag erschie-nen. Wir bringen daraus eine Stellungnahme des SchriftsteU lers und Germanistikprofessors Dr. Alois Brandstetter.

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Der 1977 dem Papst iiberreichte Bericht iiber die gesell-schaftliche Wirksamkeit der Kirche in Osterreich ist nun mit Kommentaren und „Forderungen fur die Zukunft“ unter dem Titel „Kirche in Osterreich“ im Styria-Verlag erschie-nen. Wir bringen daraus eine Stellungnahme des SchriftsteU lers und Germanistikprofessors Dr. Alois Brandstetter.

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Ich finde es sehr verdienstvoll, daB iiberhaupt, und wie der vorliegende Bericht erstellt wurde, auch daB diese Art von Bilanz, aus der sich Handlungsziele ableiten lassen, zur Institution werden soli, denn natiirlich muB eine solche Erhebung des Ist-Standes jeder Aktivitat vorausge-hen. Genau besehen ist eine solche Feststellung von Tatsachen und Fak-ten sogar bereits mehr als eine bloBe Registrierung, sie stellt vielmehr schon so etwas wie ein Aufarbeiten und teilweises Bewaltigen dar.

Mich hat die Lektiire des Berichtes sehr nachdenklich gemacht. Nun ist der Abschied von Dlusionen sicher dringend wiinschenswert, so wie an-derseits die praktikablen Hinweise auf Wirkungsmoglichkeiten dem De-couragieren steuern sollen. Die Kirche kann ohne die Hoffnung eben nicht leben.

Ich habe mich nach der Lektiire des Ganzen eklektisch vor allem den beiden Punkten zugewandt, die mich von meinem Beruf her am meisten betreffen, dem Kapitel M (Wissen-schaft und Hochschulwesen) und dem Kapitel N (Kunst und Literatur). Leider aber ist der Bericht gerade an diesen beiden Stellen sehr liicken-haft.

Man muB selbstverstandlich ver-meiden, umgebungsblind nur noch den eigenen Kram wichtig zu nehmen, aber das Kapitel „Literatur“ ist eine groBe Fehlanzeige. Auch iiber die Hochschulgemeinden und die Hochschuhugend findet sich wenig.

Vielleicht steht hinter der Sprodig-keit des Berichtes an dieser Stelle die (mir durchaus richtig scheinende) Ansicht, daB solche auf Standesaqui-valenzen gegriindete Gemeinden oder Gemeinschaften nicht unbe-dingt sinnvoll sind und dafi es besser sei, wenn etwa der Student im natiir-lichen Verband einer „normalen“ Pfarrgemeinde mit Alten und Jungen, Gescheiten und Dummen usw. bleibt? Dann miiBte dies freilich for-muliert werden.

Ich habe an mir die Erfahrung gemacht, daB meine Adhasion an die Kirche jeweils an den Zasuren, beim Beginn des Studiums (Umzug vom

Land in die Stadt), nach seinem Ab-schluB und dem Weggehen und Ubersiedeln nach Deutschland usw. gelitten hat. Im iibrigen mochte ich hier gar nichts „bekennen“. Ich glaube nur, daB Menschen etwa mit solchen und ahnlichen Erfahrungen iiber einen Gegenstand wie diesen, den standesgemeinschaftlichen, landsmannischen, berufsstandi-schen Gesichtspunkt kirchlicher Kommunitaten, nachdenken und ar-beiten konnen.

In der Einleitung des Berichtes ist die Rede von Beobachtergruppen. Ich wiirde gerade im Hinblick auf das Schulkapitel und das Kapitel iiber die Literatur ganz heftig zustimmen wollen, wenn nicht eine solche Affirmation von einem, der nicht unbe-dingt bereit ist, dann in einem solchen Gremium mitzuarbeiten, ein wenig billig und auch schizophren ware.

Aber es sollte meiner Meinung nach der Kirchenkritik und vor allem der Religionslosigkeit in der Literatur nachgegangen werden. Man kann nahezu jedes Werk der modernen Literatur, vor allem auch der osterreichischen, aufschlagen und man findet jede Menge kirchenfeindliches, antiklerikales, irreligioses und areli-gidses Material.

Nun soli einerseits natiirlich und selbstverstandlich die Kunst frei sein, wie anderseits die Hierarchie nicht per Dekret eine christliche Dichtung in Gang bringen kann. Das Ausbleiben aber jeglicher Reaktion ist beangstigend. Es kommt keine Diskussion mehr in Gang.

Es ist zu hoffen, daB sich in der neuen FURCHE ahnlich, wie es einmal war, ein solches publizistisches Forum installieren wird. Sonst wird zugleich auch die Chance, die derar-tige literarische Invektiven bieten, vertan sein. Noch schreiben Autoren, die sich Gott sei Dank iiber die Kirche argern. Dariiber hinaus sollte auch das literarische Niveau der Ver-offentlichungen in den der Kirche nahestehenden Verlagen unter die Lupe genommen werden. Asthetisch gesehen ist manches, was dort erscheint, keine laBliche Siinde mehr.

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